Sieht man sich die Situation in der Eurozone an, könnte man mit einer alten deutschen Redensart sagen “Es knirscht im Gebälk”. Einige doch recht namhafte Experten sind durchaus besorgt. Auch Alan Greenspan, der ehemalige US-Notenbankvorsitzende wird seit zehn Jahren nicht müde zu betonen, dass der Euro “zusammenbrechen” oder scheitern wird. In dieser drastischen Formulierung mag das wohl ein wenig übertrieben scheinen, aber dass es Grund zur Verunsicherung gibt, kann man wohl nicht von der Hand weisen. Eine weitere, unbestreitbare Tatsache ist, das es immer wieder zur Kapitalflucht kommt – und auch zur Währungsflucht. Wenn man so etwas planen sollte, sollte man aber einige Dinge bedenken.
Warum knackt es so im Euroraum?
Dass es tatsächlich “im Gebälk knackt” in der Eurozone ist jedem aufmerksamen Beobachter mit ein klein bisschen Grundlagenwissen wohl schon klar geworden. Und dass die Zustände nicht so “sicher und ohne Anlass zur Besorgnis” sind, wie man uns gerne – vor allem von politischer Seite – versichert, wohl auch.
Was ist aber eigentlich der Grund dafür, dass es so knirscht und knackt mit dem Euro? Das wirtschaftliche Gefälle in Europa? Die enorm hohe Staatsverschuldung, die schon fast ein Kavaliersdelikt unter den europäischen Staaten darstellt, um das sich keiner groß Sorgen zu machen scheint? Der Handelsstreit mit den USA? Oder hat das Ganze eine komplett andere Ursache?
Nun, am Ende spielen hier wohl einige Faktoren mit hinein – eine einzelne Ursache kann man nicht festlegen. Auch wenn einige im politischen Spektrum eher rechts stehende Parteien die Schuldigen für diese Situation – wie für alles andere auch – natürlich in Schlauchbooten auf dem Mittelmeer sehen.
Ein großes Problem sind durchaus die Schulden, vor allem bei den hoch verschuldeten Staaten im Süden Europas. Diese Staaten ächzen beträchtlich unter ihrer Schuldenlast und kommen wirtschaftlich einfach nicht in die Höhe – wie aktuell gerade ganz Europa übrigens. Die europäische Konjunktur, die zuletzt ein wenig angezogen hat, kühlt gerade ab, als hätte jemand den Stecker aus dem Heizkissen gezogen.
Das wirkliche Problem der stark verschuldeten Staaten sind aber die hohen Zinsen, die sie bezahlen müssen, um überhaupt Geld zu bekommen. Bei schwacher Wirtschaftsleistung sinkt das Rating und auch das Vertrauen der Anleger, dass diese Staaten ihre Staatsanleihen bedienen können – und damit gehen die Zinsen nach oben. So hohe Zinsen können sich die Staaten mit ihrer geringen Wirtschaftsleistung aber kaum mehr leisten und dann geht die Spirale eben langsam nach unten.
Erschwerend dazu kommt, dass die EZB ihre Aufgabe anscheinend immer noch darin sieht, fleißig Staatsanleihen von maroden Staaten aufzukaufen, um denen hohe Zinsen für ihre aufgenommenen Kredite zu ersparen. Dadurch steigt die Inflationsgefahr im Euro-Raum beträchtlich, eine solche Maßnahmen wirkt im Grunde wie eine ständige Erhöhung der sich im Umlauf befindlichen Kapitalmenge. Günstig ist das natürlich nicht – für keinen Euro-Teilnehmer. Wenn dann möglicherweise wirtschaftlich vergleichsweise stabile und leistungsfähige Staaten Deutschland auch zukünftig über Esbies hintenherum mit für die Schulden der armen Länder haften müssen, wird das für alle Euro-Staaten deutlich härter.
Grund genug also, sich zu sorgen – zumal selbst die Wachstumsprognose für Deutschland 2019 seit dem Ende des vergangenen Jahres um fast zwei Drittel ihres ursprünglichen Werts zurückgenommen wurde – von ehemals 1,8 % auf nunmehr 0,5 %.
Wem könnte man da den Wunsch nach einer Währungsflucht und ein bisschen mehr Sicherheit verdenken?
Währungsflucht – was ist das?
Nun – Währungsflucht ist genau das, wonach es klingt: Raus aus der eigenen Währung, der man nicht mehr vertraut, mit allem was man so besitzt und rein damit in eine andere Währung, die man für stabil hält.
Aktuell sehr gefragt im Euro-Raum: der Schweizer Franken und die norwegische Krone. Irgendwie scheinen einige Zeitgenossen die Idee zu haben, dass diese Währungen “sicher” sind – jedenfalls sicherer als der Euro.
Dabei muss man aber einige Dinge im Blick haben.
Der Franken wurde bereits nach kurzer Zeit stark überbewertet. Die Investoren, die schnell mal ihr Geld in den Franken gesteckt haben, klatschen dann nun natürlich in die Hände – für die Schweizer wäre das aber alles andere als angenehm.
Wenn der Wert einer Währung steigt, bremst das die Exporte, da die Waren für Kunden mit einer anderen Währung deutlich teurer werden. Dadurch sinkt aber die Wirtschaftsleistung. Dazu kommt, dass dann auch die Preise im Inland fallen – was nicht etwa einen höheren Konsum auslöst sondern allzu oft einen Konsumrückgang, weil die Kunden erst einmal abwarten, wie weit die Preise noch fallen werden, bevor sie etwas kaufen.
Genau dieses Szenario gab es in der Schweiz bereits schon einmal: nämlich 2011. Der Franken war zu dieser Zeit heillos überbewertet, er lag über 28 % oberhalb eines vernünftigen und angemessenen Werts in Bezug auf den Euro. Die Auswirkungen spürten die Schweizer beträchtlich und die Schweizer Nationalbank (SNB) intervenierte mehrmals mit Nachdruck, die Zuflüsse zu stoppen, sonst würde man Kapitalverkehrskontrollen auf den Weg bringen müssen.
So etwas kann einem kleinen Land wie der Schweiz langfristig ernsthafte Sorgen machen. Die gedrückte Wirtschaftsleistung, die sich nicht wieder erholt, solange der Zustrom von fremdem Kapital anhält, ist für einzelne Länder sehr gefährlich. Je mehr Anleger aus dem Euro flüchten würden, desto weiter nach oben würden die für “sicher” gehaltenen Währungen auch nach oben getrieben – so etwas geht natürlich kaum für lange Zeit gut, nämlich so lange, bis der Wirtschaft eines einzelnen Landes dann die Luft ausgeht.
“Fluchtwährung” Nummer 2 nach dem Franken ist übrigens die norwegische Krone. Das kleine Land hat zwar überaus gesunde Staatsfinanzen und einige Reserven, wenn harte Zeiten kommen, ein großer Teil von Norwegens Reichtum hängt allerdings am Ölpreis. Fällt der Ölpreis, wird es für Norwegen schon mal deutlich enger. Problematisch kann man hier auch sehen, dass die norwegischen Staatsanleihen doch recht attraktive und als sicher geltende Anlagen gelten.
Natürlich ist es aber auch hier so, dass ein einzelnes, kleines Land einfach nicht auf Dauer aushalten kann, wenn massiv Kapital in seine Wirtschaft strömt. Irgendwann treibt die hohe Nachfrage nach der Währung ein Land in Schwierigkeiten, dabei kommen dann gleich mehrere Faktoren zum Tragen, die am Ende eine Notenbank nur mehr durch Kapitalzuflussbeschränkungen in den Griff bekommen kann.
Währungsflucht hilft nicht
Es mag im ersten Moment wie ein guter Gedanke scheinen, bei Unsicherheiten im Euroraum sein Geld einfach in eine andere Währung zu stecken – und so sein Vermögen vor möglichen Verlusten oder Zusammenbrüchen zu schützen.
Im Grunde ist das aber zu kurz gedacht: erstens kommt man nie allein auf diese Idee, sondern alle anderen auch – und wie wir gesehen haben, kann das langfristig ohnehin nicht wirklich funktionieren. Jedenfalls nicht so schön, wie man sich das in seinen Fluchtgedanken ausmalt. Man kann nicht einfach all sein deutsches Geld in schweizerisches Geld umtauschen und alles ist gut. Hinter Geld steht immer eine Wirtschaft – und die spielt für den Geldwert natürlich auch eine Rolle, mit ihrer ganzen internationalen Vernetzung und ihren im Inneren ablaufenden Prozessen. Währungen existieren nicht als ewig stabile Zahlungsmittel im luftleeren Raum.
Im Jahr 2011 waren viele Anleger so verunsichert, dass sie ihr Geld zum Teil schon in asiatische Währungen umtauschten – ein Akt schierer Verzweiflung und galoppierender Ängste, die jedes vernünftige Denken unterbinden.
Freigeld als eine mögliche Lösung für die Zukunft?
Was viele, selbst Finanzexperten, nicht mehr auf dem Schirm haben, ist das sogenannte Wörgler Geldexperiment. Zur Entschuldigung der Experten muss man allerdings auch anmerken, dass das Ganze auch gar schon lange her ist – stattgefunden hat dieses Experiment bereits 1932.
Eine kurze Zusammenfassung, worum es dabei ging, findet sich unter diesem Link.
Es geht also um sogenanntes Freigeld. Beliebt ist so etwas bis heute nicht bei den Experten. Selbst bei zahlreichen Experten gilt allein schon das Nachdenken darüber als schwer suspekt. Auch in der Politik – und zwar von ganz rechts bis ganz links – werden auch jegliche Gedankenexperimente mit “Parallelwährungen” striktest abgelehnt.
Dafür gibt es wohl Gründe – man sieht das auch, wenn man sich die völlig überzogen erscheinende Reaktion der österreichischen Regierung auf das Wörgler Experiment ansieht. Gleich mit dem Einsatz der Armee zu drohen, wenn ein kleines Örtchen in Tirol sich selbst vorm Verhungern rettet, scheint wohl doch sehr überzogen – zumal das Experiment bei vielen anderen Gemeinden und sogar in den USA bei Wirtschaftsminister Irving Fisher auf sehr hohes Interesse stieß. Anscheinend hängen Staaten aber sehr an ihrem alleinigen Recht, Geld in Umlauf zu bringen und alles Geld und Ersatzgeld vollkommen zu kontrollieren. Wenn das auch nur von einer Handvoll Leuten kurzzeitig missachtet wird, ist man gleich bereit, zum äußersten Mittel zu greifen.
Verwunderlich ist das natürlich nicht – gibt einem die absolute Kontrolle über das Geld und die Währung natürlich auch absolute Macht über viele andere Dinge. Von daher betrachtet ist es auch nachvollziehbar. Wenn jeder in andere Währungen flüchten kann, ist die Kontrolle dann – wenigstens zeitweilig – dahin.
Das soll jetzt auch kein Plädoyer für die Freiwirtschaft nach Gsell sein. Man könnte aber den Gedanken an das Wörgler Geldexperiment durchaus einmal zum Anlass nehmen, um zu überlegen, ob das nicht eine mögliche Alternative für den Notfall ist, unter kontrollierten Bedingungen und für begrenzte Zeit natürlich.
Eine kontrollierte Rettungsstrategie für den Notfall zu durchdenken, insbesondere für Staaten, die ohnehin bereits schwer in der Krise stecken, ist am Ende sicherlich vernünftiger als eine unkontrollierte Währungsflucht zuzulassen, die langfristig sicherlich auch keine Lösung ist, wie man zuvor sehen konnte.
Währungsflucht - und was davon zu halten ist,Wie kann sich ein Unternehmen vor einer feindlichen Übernahme schützen?
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