Die Märkte agieren nie hundertprozentig effizient, der größte Teil der Anleger alles andere als rational. Jedem, der darüber nachdenkt und sich ein wenig mit der Börse und mit Kursen beschäftigt, sollte das eigentlich schon aufgefallen sein. Immerhin glauben aber die meisten Anleger prinzipiell daran, dass sie in ein effizient und nach rationalen Kriterien arbeitendes System investieren. Nur zu manchen Zeiten schwankt dieses Vertrauen ein wenig. Das sind dann die Zeiten echter Vertrauenskrisen, in denen vieles nicht mehr wirklich vorhersehbar ist und Anleger größtenteils sehr irrational agieren. Einen Hinweis darauf, wann sich solche Zeiten einmal wieder anbahnen, kann der ICI geben.
Rationell – gibt es nicht
Die Markteffizienzhypothese brauchen wir hier kein weiteres Mal zu erklären – über sie dürfte mittlerweile so gut wie jeder Anleger zumindest grundlegend Bescheid wissen und auch darüber, wie sie funktioniert. Die Hypothese aus den 70er Jahren ist quasi das Fundament, auf dem unser Vertrauen in die Märkte und die Börse im speziellen beruht.
Die Preise, die in einem Markt erzielt werden, spiegeln alle Informationen wider, die zum aktuellen Zeitpunkt verfügbar sind.
Das würde bedeuten, dass die Preise immer auf einem rationalen Weg zustande kommen. Durch die heute vorherrschenden, sehr schnellen Übertragungsraten sowohl bei Preisen als auch bei Informationen kann man darüber hinaus davon ausgehen, dass das System auf neue Informationen sehr schnell reagiert und diese sofort einpreist. Nach der Definition von Eugene Fama käme die Börse heute sogar einem relativ effizienten Marktsystem nahe, die sich am “idealen Markt” bewegt.
Zwar lässt sich die Richtigkeit der Markteffizienzhypothese empirisch nicht überprüfen, da es dabei ein methodisches Problem gibt, allerdings wird von den meisten Finanzexperten die Markteffizienzhypothese als grundsätzlich richtig angesehen. Auch wenn es die “starke Effizienz” bei Märkten (also eine hundertprozentig korrekte Einpreisung aller Informationen, sowohl öffentlicher als auch Insider-Informationen) so in der Praxis nicht geben kann. Eine “mittelstarke Effizienz” bei der alle öffentlich verfügbaren Informationen relativ zeitnah in den Kursen eingepreist sind, wird aber gemeinhin als gegeben angesehen.
Jüngste Untersuchungen belegen zwar, dass die Börse eben weit nicht so effizient arbeitet, wie viele glauben und die Kurse nicht immer wirklich rational entstehen. Das zeigt allein der seit vielen Jahrzehnten gründlich untersuchte und dokumentierte “Momentum Effekt”. Dennoch vertrauen wir grundsätzlich gemeinhin auf diese Rationalität der Börse und eine gewisse, grundlegende Effizienz.
Von der Annahme, dass alle Anleger sich immer rational verhalten, kann man sich ohnehin schon lange verabschieden – trotzdem nehmen wir das aber prinzipiell wenigstens grundlegend einmal an. Sonst wäre ja alles unsicher und ein reines Glücksspiel – und das mag der menschliche Gehirn nun einmal gar nicht.
Das Vertrauen in die Rationalität kann schwanken
Im Verlauf der üblichen Börsen-Turbulenzen kommt es immer wieder zu Zeiträumen, in denen große Teile der Anleger der Rationalität und der Effizienz der Börse kurzfristig einmal weniger vertrauen. Das sind Zeiten, in denen man als Markt-Beobachter möglicherweise große und unerwartet auftretende Marktschwankungen erwarten kann, die rational nicht so ganz erklärbar sind.
Sinnvoll wäre es natürlich, solche Zeiten geringeren Vertrauens in die Märkte und ihre Rationalität zu erkennen. Mit gewissen Einschränkungen kann man das auch. Dafür lohnt es sich immer, einen Blick auf die Confidence und Sentiment Indices zu werfen.
Der ICI (Investor Confident Index)
Der Global Investor Confident Index (ICI) wird von State Street Global Markets monatlich berechnet und veröffentlicht. Er misst das Investoren-Vertrauen und die Risikobereitschaft von Investoren, als Basis für die Messung dienen quantitative Analysen des tatsächlichen Kauf- und Verkaufsverhaltens. Ausgewertet wird dabei nach Kontinenten – es gibt also einen US-ICI, einen Europa-ICI und einen Asien-ICI, die man jeweils getrennt betrachten kann.
Was den Index etwas zuverlässiger oder zumindest vertrauenswürdiger macht, ist die Tatsache, dass als Quelle für die Auswertungen nur tatsächliches Kaufs- und Verkaufsverhalten herangezogen wird, anstatt bloßer in Umfragen erhobener Meinungsäußerungen (wie etwa bei Indices wie dem IFO-Geschäftsklima-Index, der auf Schätzungen von Managern in Umfragen basiert).
Als Ausgangswert gilt dabei der Wert 100, sinkendes Vertrauen lässt den ICI-Wert dann ebenfalls sinken. Die Indexverläufe sind also relativ einfach zu lesen und zu interpretieren.
Sieht man sich die ICI-Daten für die Mitte des Jahres 2020 an, erkennt man folgerichtig auch tatsächlich Wertverläufe, die man so auch recht plausibel vermuten könnte. Die immer höher werdenden Corona-Fallzahlen in den USA und die wirtschaftlich erwarteten Schwierigkeiten führen beim Nordamerika-ICI zu einem deutlichen Abfallen des Indexwerts, während zur selben Zeit, wo in Europa alles noch einigermaßen unter Dach und Fach scheint, sich auch der relativ grundlegend herrschende Optimismus gut im Europa-ICI-Verlauf nachvollziehen lässt. Auch für Zeiten in der Vergangenheit korreliert der Index recht gut mit entsprechenden Situationen in den jeweiligen Wirtschaftsräumen. Die Daten, die der ICI liefert, sind also immerhin einigermaßen plausibel und haben durchaus eine gewisse Aussagekraft.
Der BCI (Business Confidence Index)
Der Business Confidence Index ist quasi das amerikanische Pendant zum deutschen IFO-Geschäftsklima-Index und wird auch auf ganz ähnliche Weise durch Meinungsumfragen im amerikanischen Industriesektor erhoben. Ausschlaggebend sind dabei die Produktionssituation, die Auftragslage und der Warenbestand von fertiggestellten Gütern.
Auch hier ist der Wert 100 ein wichtiger Wert: Alles was darüber liegt, impliziert ein höheres Vertrauen in eine in der nahen Zukunft positive Geschäftsentwicklung, alles darunter zeigt eine eher pessimistische Haltung.
Sentiment Indicators
Von denen gibt es tatsächlich eine ganze Reihe, die jeweils unterschiedliche Gruppen im Fokus haben. Ziel ist dabei, die Stimmungslage und die Zuversicht einer bestimmten Gruppe in einem klar fassbaren Zahlenwert abzubilden und vergleichbar zu machen.
Diese Indikatoren sind insofern ganz interessant, weil sie nicht bestimmte Assets an sich im Blick haben, sondern wie verschiedene Beteiligte die gesamte Asset-Klasse, einen bestimmten Markt oder die wirtschaftlichen Bedingungen im Umfeld wahrnehmen.
Im amerikanischen Bereich ist es dabei üblich, dass sich Anleger bei extremen Werten immer genau auf das Gegenteil dessen fokussieren, was der Wert aussagt. Herrscht etwa sehr hoher Optimismus im Hinblick auf einen bestimmten Bereich, nehmen nicht wenige Trader das zum Anlass, sich die genau gegenteilige Ansicht zu eigen zu machen und sich sehr pessimistisch im Hinblick auf die zu erwartende tatsächliche Entwicklung aufzustellen. Darin steckt durchaus eine nicht zu bestreitende Logik. Auf extremen Optimismus folgt häufig eine Ernüchterung, wenn die Zahlen dann etwas weniger gut sind als erwartet.
Erst kürzlich so gelaufen bei Teamviewer: Das Unternehmen legte durchaus gute Zahlen vor. Es gehört klar zu den Gewinnern der Corona-Pandemie, das in der Pandemiezeit gut zulegen konnte. Vielen Investoren war das Ergebnis dann dennoch nicht gut genug, weil man eigentlich insgeheim noch mehr erwartet hätte. Und der Kurs gab nach. Selbst ein gutes Ergebnis kann also oft (allzu großen und überzogenen) Optimismus schmerzhaft abbremsen – und in der nachfolgenden Enttäuschung über die nicht ganz erfüllten Hoffnungen dann für ein Nachgeben der Kurse sorgen. Mit der Denkweise vieler amerikanischer Trader, konsequent auf das Gegenteil zu setzen, wäre man in diesem Fall goldrichtig gelegen.
Auch hierzulande gibt es zahlreiche Indices, die einen Blick wert sind. Diverse Konsumklima-Indices (da Deutschland ja eine Exportnation ist, sollte man nicht nur die heimischen betrachten, sondern auch die der wichtigsten Handelspartner), wie etwa der GFK-Konsumklima-Index, der schon erwähnte ifo Geschäftsklima-Index, der Einkaufsmanager-Index oder durchaus auch der DIGITAL Index, der den Fortschritt bei der Digitalisierung im Land abbildet.
Wie sehr kann man Indices vertrauen?
Wer eine solide, immer richtige Prognose aus einem Indexwert ableiten will, wird damit höchstwahrscheinlich krachend scheitern. Indices liefern auf keinen Fall belastbare Fakten, die eine bestimmte Entwicklung in irgendeine Richtung glasklar aussagen.
Ganz unnütz sind sie dennoch nicht – als Stimmungsbarometer geben sie oft gute Hinweise, wie die Stimmung bei Privatanlegern, institutionellen Anlegern oder bestimmten Personengruppen tatsächlich in der Masse liegt. Das kann oft hilfreich für Einschätzungen sein, da gerade da der Blick durch die Meinungen unseres direkten persönlichen Umfelds oder auch durch unsere eigene “Filterblase” oft stark verzerrt ist.
Dabei gilt aber immer, was schon beim ICI-Index knapp und klar dazugesagt wird: “The index is subject to interpretation”. Es kommt also immer darauf an, wie man bestimmte Indexwerte interpretiert und was man persönlich daraus herausliest.
Ein gelegentlicher Blick auf all die unterschiedlichen Indices schadet aber nicht. Danach sollte man gründlich darüber nachdenken, wie man das Indexsignal persönlich einordnen will und welche Gründe, Motivationen und Entwicklungen man dahinter für sich selbst erkennt. Das kann in manchen Fällen durchaus erhellend sein und auch helfen, mögliche subjektive Irrtümer gegebenenfalls noch rechtzeitig zu hinterfragen.
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