Negativ-Zinsen für Sparer sind laut Gericht in manchen Fällen bereits zulässig

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Negativ-Zinsen für Sparer sind laut Gericht in manchen Fällen bereits zulässig

Immer wieder ist in Deutschland die Rede von “zusätzlicher privater Vorsorge”, einem “Mehr-Säulen-Modell” und dem notwendigen Engagement von Bürgern auch selbst für ihr Alter vorzusorgen. In der heutigen Zinsenlandschaft ist das mit den etablierten Finanzprodukten aber gar nicht mehr so einfach. Vor kurzem hat ein Gericht entschieden, dass bei Verträgen für die Riester-Rente sogar Negativzinsen durchaus zulässig sind – die Altersvorsorge kostet dann zukünftig möglicherweise sogar noch Geld, anstatt wie eigentlich geplant, die Sparer auch mit Zinsgewinnen bei ihrer Vorsorge zu unterstützen. 

Wie die Riester Rente funktioniert 

Wer in Deutschland rentenversicherungspflichtig ist, Krankengeld oder ALG II bezieht, seine Angehörigen pflegt oder einen rentenversicherungspflichtigen Ehe- oder Lebenspartner erhält in Deutschland einen staatlichen Zuschuss, wenn er für sein Alter privat vorsorgt. Dafür dürfen nur speziell zugelassene Anlageprodukte verwendet werden, in die laufend Beiträge eingezahlt werden und die frühestens ab dem Pensionseintrittsalter eine lebenslange Rentenzahlung erbringen.

Das sind entweder BanksparpläneFondssparpläne aber auch fondsgebundene Rentenversicherungen. Damit eine Anlageform riesterfähig ist, muss der Anbieter nicht nur die Auszahlungsmodalitäten entsprechend den gesetzlichen Vorgaben anpassen, sondern unter anderem auch den Erhalt des eingezahlten Kapitals garantieren. Damit ist in den meisten Anlageprodukten der Aktienanteil begrenzt – er wird durch sichere, festverzinsliche Anlageteile ausgeglichen, um bei Verlusten zumindest das eingezahlte Kapital erhalten zu können. 

Die Grundzulage des Staats für solche Sparverträge liegt seit 2018 nun bei 175 EUR pro Jahr, bei Kindern die vor 2007 geboren sind können zusätzlich 185 EUR pro Jahr bezogen werden, für nach 2008 geborene Kinder sind es 300 EUR pro Jahr. Wer unter 25 ist erhält noch einen Sonderbonus von 200 EUR pro Jahr. Bis zu maximal 2.100 EUR pro Jahr können von den monatlichen Zahlungen, die man für seine Riester-Altersvorsorge leistet, dürfen als Sonderausgaben bei der Einkommenssteuererklärunggeltend gemacht werden. 

Um Zulagen zu erhalten muss aber ein sogenannter Mindesteigenbetrag jährlich in diese Sparform eingezahlt werden. Er liegt bei 4 % des Brutto-Vorjahreseinkommens, abzüglich der gewährten Zulagen. Das heißt: Wer 2.000 EUR brutto monatlich (= 24.000 EUR pro Jahr) verdient, muss also im Jahr mindestens 960 EUR in die Altersvorsorge einzahlen – abzüglich der 175 EUR, die er als staatliche Zulage erhält. Mindestens 65 EUR im Monat muss einem in diesem Fall die Altersvorsorge also wert sein, wenn man allein lebt und keine Kinder hat. 

Riesterverträge dürfen außer zur Erlangung einer Zusatzrente auch dazu verwendet werden, um selbstgenutztesWohneigentum zu finanzieren. Dieses sogenannte Wohnriester wurde vor ein paar Jahren eingeführt und sollte Arbeitnehmern die Finanzierung eines Hauses oder einer Eigentumswohnung als weitere Form der finanziellen Absicherung im Alter erleichtern. 

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Was das Gericht entschied 

Garantiert werden muss bei riesterfähigen Anlageprodukten nur der Kapitalerhalt des tatsächlich eingezahlten Kapitals – Zinsgewinne braucht es also vom Gesetz her gar nicht zu geben. Da selbst das manchen Banken aber noch zu viel ist, wurden bereits Zinsen im negativen Bereich ausgewiesen. 

Dagegen hatten Konsumentenschutzverbände zunächst geklagt, vor Gericht aber verloren. Im vorliegenden Fall hatte die Kreissparkasse, wegen deren Produkte der Fall vor Gericht ging, zwar das Grundprodukt mit –0,5 % Zinsen angesetzt, einen für das Sparprodukt vorgesehenen Staffelzins aber dagegengerechnet

Das Landgericht Tübingen entschied im vorliegenden Fall, dass das ohne Weiteres so zulässig ist, keinem Sparer ein erkennbarer Schaden entstanden sei und dass auch die Zinsanpassung der Bank nachvollziehbar und transparent sei. 

Verbraucherschützer waren von dem Urteil alles andere als begeistert – sie sind der Meinung, dass eine derartige Zustimmung zu Negativzinsen von Seiten der Gerichte den Banken Tür und Tor öffne, um auch in anderen Bereichen den Bankkunden Negativzinsen in Rechnung zu stellen. 

Wir fragen uns ebenfalls: Wie wäre die Entscheidung ausgefallen, wenn die Bank nicht zufällig noch besondere Staffelzinsenbei diesem Produkt verrechnet hätte? Wäre das für das Gericht dann ebenfalls “in Ordnung” gewesen?

Immerhin sorgen in Deutschland rund 16 Millionen Menschen mit Riesterprodukten vor. Nicht wenige Anlageformen sind dabei reine Banksparpläne. Bei solchen Banksparplänen ist es üblich, auf den üblichen geltenden Zinssatz noch einen Abschlag vorzunehmen. Mit diesem Abschlag landen die Zinsen dann oft klar im negativen Bereich. 

Gesetzt den Fall man verzinst eine Riester-Sparform mit –0,5 % pro Jahr – dann wäre noch nicht einmal der Kapitalerhaltgarantiert. Das heißt, man würde am Ende noch nicht einmal das Kapital herausbekommen, das man eingezahlt hat. Auf Dauer könnte eine staatliche jährliche Prämie den Verlust wahrscheinlich noch nicht einmal auffangen. 

Beim reinen Kapitalerhalt muss man dann auch noch die Inflation berücksichtigen – die liegt in Deutschland nicht selten über 2 %. In realer Kaufkraft gesehen wird bei einem Kapitalerhalt das Geld also ohnehin schon pro Jahr um eine ganze Menge weniger wert. Und wir reden hier von Anlagehorizonten im Bereich von oft 30 – 40 Jahren. 

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Das Trickreiche dabei: Wer seinen Riestervertrag beenden möchte und sein Kapital anders anlegen will, kann das zwar – allerdings muss er dann sämtliche erhaltenen staatlichen Prämien sowie die Steuererleichterungen zurückzahlen. So einfach ist es also gar nicht, plötzlich unliebsam gewordene Verträge zu beenden, wenn man einmal drin ist. Man hat im Grunde nur die Möglichkeit, sie ruhend zu stellen – dann dämmert das einmal eingezahlte Kapital bis zum Rentenalter still vor sich hin und wird dann in Form einer Rente ausgezahlt. Viel kommt dabei dann natürlich nicht mehr zusammen, wenn man keine weiteren Einzahlungen mehr tätigt und auch keine staatlichen Prämien mehr aufs Anlagekonto kommen. 

Lohnt sich das denn alles überhaupt?

Das haben wir uns auch gefragt – und einmal ein wenig gerechnet. Wir wollten feststellen, welchen Unterschied im Ertrag und in der späteren Rente Riester-Verträge mit reinem Kapitalerhalt und ein gewöhnlicher ETF-Sparplan erbringen. 

Zunächst die Riester-Rente:

Wir legen jährlich bei einem Alleinstehenden 785 EUR (den Mindesteigenbetrag) an – das sind 65 EUR im Monat. Der Einzahlerist zum gegenwärtigen Zeitpunkt 23 Jahre alt, Auszahlungsbeginn soll nach 42 Jahren sein, also mit 65. 

Kapitaleinzahlung

42 Jahre x 12 Monate x 65 Euro = 32.760 EUR
Staatliche Prämie: 42 x 175 EUR, einmalig 200 EUR = 7.550 EUR 
Gesamt angespart: 40.310 EUR

Welche Steuererleichterungen dabei abgezogen werden hängt immer vom Einzelfall ab und davon welche anderen Steuererleichterungen noch geltend gemacht werden können. 

Wenn mit einem Kapital von 40.000 EUR nun aber für 30 Jahre eine Rente finanziert werden soll, kann man sich leicht ausrechnen, wie hoch (bzw. niedrig) eine solche “Zusatz-Rente” ausfallen wird. Wenn man versuchen wollte, 40.000 Euro auf 30 Jahre (also 360 Monate) zu verteilen, ergibt das 111,97 EUR pro Monat ungefährer Zusatzrente

Die andere Variante

Nun eine Gegenrechnung: Wir legen den gleichen Beitrag, nämlich 65 Euro monatlich, in einen gewöhnlichen DAX-ETF und zahlen ebenfalls 42 Jahre regelmäßig ein. Dabei legen wir uns einen Entnahmeplan zurecht, bei dem das Kapital ERHALTEN BLEIBT und die Rente nur aus den Zinsen finanziert wird. 

Der DAX hat in den letzten 30 Jahren eine durchschnittliche jährlichen Zuwachs von 8,9 % gehabt – diesen Wert wollen wir also einmal zugrunde legen. In den vergangenen fünf Jahren betrug die jährliche Wertsteigerung des DAX (und damit auch der Ertrag von DAX-ETFs) etwas über 11 % aber diese gerade “fetten” Jahre wollen wir zugunsten eines über lange Zeit errechneten Durchschnitts einmal ignorieren. 

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Das Ergebnis: 

Kapital zum Ende der 42-jährigen Einzahlungsperiode320.668,52 EUR 

Kapitalertragsteuer wurde hier noch nicht berücksichtigt, da ja kein Kapital entnommen sondern lediglich angespart wurde. 

Nun wollen wir einen Entnahmeplan für eine “ewige Rente” berechnen, bei der das Kapital erhalten bleibt und die Rente allein aus den Kapitalzinsen finanziert wird. Das Kapital kann, ebenso wie die monatliche Rentenzahlung, danach an die Kinder vererbt werden. 

Das Ergebnis: 2.268,91 EUR monatlich vor Steuer als “ewige Rente” aus dem angesparten Kapital. Rechnet man die Steuer ein (gemeinsam mit dem geltenden Steuerfreibetrag) ergeben sich 1.717,05 EUR monatlich.

Wenn wir dagegen eine Rente mit Kapitalverzehr berechnen (das heißt, die Rente wird nur über eine gewisse Zeitdauer, z.B. 30 Jahre bezahlt, dann ist das Kapital aufgebraucht) fällt das Ergebnis natürlich höher aus – allerdings nicht sehr viel höher: 

2.459,46 EUR monatlich vor Steuer sind für 30 Jahre möglich, dann ist das Kapital aufgebraucht. Bei eingerechneten Steuern sind es 2.014,61 EUR monatlich. 

Soweit also die Vergleichsrechnung. Hier wurden weder ein kompliziert aufgebautes Portfolio noch spezielle, hochriskanteFinanzprodukte sondern lediglich ein simpler ETF verwendet.

Natürlich ließe sich das Ergebnis noch optimieren – dazu braucht man allerdings ausreichende Kenntnisse und muss sich mit seiner Anlage dauernd beschäftigen – was bei einem ETF-Sparplan wegfällt. 

Auch die Kosten für ETF-Sparpläne können in manchen Fällen ebenso gering oder sogar geringer ausfallen als bei vielen Sparformen auf der Bank (etwa bei fondgebundenen Rentenversicherungen). Manche Discountbroker bieten ETF-Sparpläne sogar kostenlos an. Das können Sie in unserem kostenlosen, individuellen Brokervergleich nachsehen. 

Fazit

Bei Riester-Verträgen sollte man sicherlich genau hinsehen, bevor man sie abschließt – und im Vorfeld auch etwas rechnen. Manche Sparformen mit garantierten Zinsen können vielleicht lukrativ sein, eine reine “Kapitalaufbewahrung” oder gar negative Zinsen sind es sicherlich nicht. 

Die Überlegungen der Banken, auch noch Negativzinsen an die eigenen Privatkunden weiterzugeben ist als äußerst bedauerlich anzusehen. 

Es gibt durchaus auch lukrative und einigermaßen sichere Anlageformen für Privatanleger, insbesondere bei so langfristigen Anlagehorizonten. In diesem Fall wäre von den Banken zumindest Beratung und Aufklärung ein fairer Zug, der angesichts des immerhin entgegengebrachten Kundenvertrauens sicherlich angemessen wäre.

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