Zertifikate sind bei vielen privaten Anlegern sehr beliebt und werden von den unterschiedlichsten Banken auch sehr offensiv vermarktet. Zum einen bieten die Berater sie ihren Kunden gern im persönlichen Beratungsgespräch an und zum anderen werden sie häufig mittels Anzeigen in einschlägigen Medien wie Anlegermagazinen, Anlegersendungen im Fernsehen und auf verschiedenen Finanzseiten im Internet beworben. Diese Maßnahmen haben offensichtlich Erfolg, denn Privatanleger im deutschsprachigen Raum haben in der Summe bereits hohe Milliardenbeträge für Zertifikate ausgegeben. Auch wenn das Marktsegment aufgrund negativer Erfahrungen von Zertifikate-Anlegern im Zusammenhang mit der Pleite der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 vorübergehend unter Akzeptanzverlusten zu leiden hatte, hat sich an der grundlegenden Begeisterung österreichischer und deutscher Anleger für Zertifikate nur wenig geändert. Allerdings sind sich viele von ihnen nach wie vor nicht genau darüber im Klaren, worin sie bei einem Zertifikat eigentlich investieren und worauf sie bei der Auswahl von Zertifikaten achten sollten.
Zertifikat bedeutet nicht automatisch “sicher”
Wenngleich die Bezeichnung “Zertifikat” auf den ersten Blick eine gewisse Sicherheit suggerieren mag, sollte sich jeder Käufer eines solchen Finanzderivats auch der damit verbundenen Risiken bewusst sein. Denn Investoren können mit Zertifikaten durchaus auch erhebliche Mengen Geld verlieren – im schlimmsten Falle droht sogar der Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Denn mit dem Kauf eines Zertifikats wird kein Anteil an einem bestimmten Vermögenswert erworben, wie dies etwa beim Kauf von Aktien oder Anteilen an Investmentfonds der Fall ist. Vielmehr verbrieft ein Zertifikats lediglich einen Anspruch des Inhabers gegenüber dem Emittenten auf Zahlung eines bestimmten Geldbetrages, wobei Höhe und Zeitpunkt der Zahlung an bestimmte Bedingungen geknüpft sind. Systematisch betrachtet handelt es sich somit um eine spezielle Art von Schuldverschreibungen. Gerät der Emittent in die Insolvenz, kann dies für den Besitzer eines Zertifikats den Verlust seines Kapitals zur Folge haben. Neben diesem häufig übersehenen Aspekt tun sich viele Anleger auch schwer, die konkreten Bedingungen zu verstehen, von denen der Anlageerfolg bei einem bestimmten Zertifikat abhängt. Daher ist es sinnvoll, vor dem Kauf von Zertifikaten die folgenden Punkte zu klären und – sofern der Anlageberater sie im Gespräch nicht von allein anspricht – gegebenenfalls auch aktiv danach zu fragen.
Wie kann der Anlageerfolg im konkreten Einzelfall erzielt werden?
Zunächst einmal sollte sich jeder Investor vor dem Kauf eines Zertifikats vergegenwärtigen, ob der Basiswert des betreffenden Zertifikats seinen individuellen Anlagepräferenzen entspricht und ob die Ausgestaltung des Zertifikats seiner aktuellen Erwartung hinsichtlich der kurz- und mittelfristigen Marktentwicklung gerecht wird. Wer beispielsweise aktuell nicht mit einer positiven Kursentwicklung am Aktienmarkt rechnet, sollte keine Zertifikate erwerben, bei denen der Anlageerfolg vom positiven Kursverlauf einer bestimmten Aktie, eines Aktienindex oder eines “Aktienkorbes” aus verschiedenen Dividendenpapieren abhängt. Besonders wichtig ist die Frage, welche Voraussetzungen im Detail erfüllt sein müssen, damit mit dem betrachteten Zertifikat ein Gewinn erzielt werden kann. So ist zum Beispiel bei einigen Zertifikaten die Wertentwicklung des Basiswertes innerhalb eines bestimmten Zeitraumes ausschlaggebend, bei anderen hingegen der Wert zu einem bestimmten Stichtag. In einigen Fällen erzielt der Anleger eine positive Rendite, wenn eine bestimmte Kursschwelle überschritten wird, in anderen Fällen muss sie jedoch unterschritten werden. All dies ist nur bei einem sorgfältigen Studium der jeweiligen Zertifikatsbedingungen ersichtlich. Die Wert- oder Kursentwicklung des Basiswerts ist jedoch nicht der einzige Einflussfaktor, der wesentliche Auswirkungen auf den Wert eines Zertifikates haben kann. So gibt es beispielsweise Zertifikate, bei denen neben der Basiswertentwicklung auch die Entwicklung der Volatilität oder das aktuelle Zinsniveau einen Einfluss auf den Anlageerfolg haben. Aufgrund der vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten ist es auch nicht möglich, Zertifikate pauschal als riskant oder konservativ zu bezeichnen. Vielmehr gibt es am Zertifikate-Markt vergleichsweise konservative Produkte ebenso wie solche, mit denen sich äußerst spekulative Anlagestrategien abbilden lassen und die in bestimmten Szenarien völlig wertlos werden können.
Verkauf vor Fälligkeit – oder erst zum Ende der Laufzeit?
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Abhängigkeit des Anlageerfolgs vom Verkaufszeitpunkt beziehungsweise von der Haltedauer eines Zertifikats. Es ist durchaus möglich, dass der Kurs eines Zertifikats während seiner Laufzeit erheblich von dem Rückzahlungsbetrag abweicht, den der Anleger am Ende der Laufzeit erhält. Ein typisches Beispiel dafür sind vor allem die bei vielen – auch konservativeren – Anlegern beliebten Garantie-Zertifikate, bei denen der Inhaber des Zertifikats zum Ende der Laufzeit in jedem Falle wenigstens den Nominalwert des Zertifikats zurückgezahlt bekommt, auch wenn sich der Kurs des Basiswerts schlechter entwickelt hat. Wird dagegen vor dem Ende der Laufzeit verkauft, kann dem Anleger bei entsprechend negativer Kursentwicklung des Basiswerts auch mit einem Garantie-Zertifikat durchaus ein Verlust entstehen. Aus diesem Grund sollte für den Kauf von Zertifikaten immer nur Kapital eingesetzt werden, das mit höchster Wahrscheinlichkeit bis zum Ende der Laufzeit nicht benötigt wird, sodass ein eventueller vorzeitiger Verkauf unter Zeitdruck und zu einem möglicherweise ungünstigen Preis vermieden wird. Umgekehrt spricht natürlich nichts dagegen, ein Engagement vorzeitig zu beenden, wenn sich der Wert des Zertifikats so positiv entwickelt hat, dass dem Anleger beim Verkauf auch nach Berücksichtigung aller Transaktionskosten ein attraktiver Gewinn verbleibt.
Emittent und Emittentenrisiko
Da es sich bei Zertifikaten im Kern immer um eine Art von Schuldverschreibungen handelt, spielen die Bonität des Emittenten beziehungsweise das Emittentenrisiko für die Sicherheit der Anlage eine zentrale Rolle. Wird der Emittent insolvent, stehen die Ansprüche des Anlegers gleichrangig neben den Verbindlichkeiten aller anderen Gläubiger. Im schlimmsten Falle kann es auch zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals kommen. Hierbei ist zu beachten, dass der Emittent keineswegs immer mit der Bank übereinstimmen muss, von der der Anleger das Zertifikat erwirbt. Insbesondere die Praxis des sogenannten White Labelings hat in der Vergangenheit häufig dazu geführt, dass Anleger sich nicht über den eigentlichen Emittenten der von ihnen erworbenen Zertifikate im Klaren waren. Beim White Labeling vertreibt eine Bank Zertifikate eines anderen Emittenten mithilfe von Marketingmaterialien, die in ihrem eigenen Design gestaltet sind. Vor jedem Kauf von Zertifikaten sollte daher unbedingt geprüft werden, wer der tatsächliche Emittent ist.
Kosten nicht aus dem Blick verlieren
Wie bei jeder anderen Form der Kapitalanlage auch, wird der mit Zertifikaten erzielbare Anlageerfolg auch dadurch beeinflusst, wie hoch die anfallenden Kosten und Gebühren sind. Eine Möglichkeit, die Kosten so gering wie möglich zu halten, ist die Nutzung eines Diskontbrokers beziehungsweise einer Direktbank. Mithilfe eines Depotkonto-Vergleichsrechners lässt sich schnell und unkompliziert ermitteln, bei welchem Anbieter die Konto- und Depotführung derzeit am günstigsten ist. Daneben sind jedoch auch die Transaktionskosten zu berücksichtigen, die im Zusammenhang mit der Ausführung von Kauf- beziehungsweise Verkaufsaufträgen entstehen. Dazu zählen Maklercourtagen beim Handel mit Zertifikaten an der Börse ebenso wie eventuelle Ausgabeaufschläge. Auch bei einer Veräußerung des Zertifikats vor dem Ende der Laufzeit entstehen teilweise zusätzliche Kosten.
Zertifikate und ihre Rolle im Portfolio
Die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Zertifikat sollte immer mit Blick auf das Gesamtportfolio des Anlegers getroffen werden. Dabei spielen Aspekte wie die individuelle Risikoakzeptanz beziehungsweise Risikoaversion, das Chancen-Risiken-Profil des Zertifikats und die angestrebte Gewichtung einzelner Assetklassen innerhalb des Portfolios ebenso eine wichtige Rolle wie die Diversifikation zur Vermeidung von Klumpenrisiken. Zu bedenken ist darüber hinaus auch, ob ein Zertifikat primär zur Erzielung von Vermögenszuwächsen dienen soll oder ob es in erster Linie dazu genutzt wird, bereits im Depot vorhandene Positionen abzusichern. Wer diese Ratschläge befolgt, sichert sich damit gegen manch eine Fehlentscheidung ab, die zu empfindlichen Verlusten führen könnte. Richtig eingesetzt, können Zertifikate Privatanlegern jedoch attraktive Anlagemöglichkeiten erschließen, da sie ihnen auch das Verfolgen von komplexeren Investmentstrategien ermöglichen, die sonst nur für institutionelle Investoren mit erheblich größeren Anlagevolumina infrage kommen würden.
Weiterführende Links
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