Ein paar Wochen „Lockdown“ – und schon sieht die Lage äußerst dramatisch aus. Mehr als 10 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit, in einigen Branchen künden trotzdem fast 60 % der Unternehmen an, Stellen streichen zu wollen. 90.000 Unternehmen beantragen Wirtschaftshilfen, Zoos wollen schon nach drei Wochen ihre Tiere schlachten, weil das Geld nicht mehr für Futter reicht, Großkonzerne zahlen keine Miete mehr für Ladengeschäfte, viele Bürger können sich ihre auch nicht mehr leisten. Unglaublich riesige Hilfspakete von allen Seiten. Und den Staatsfinanzen fehlen bereits jetzt 100 Milliarden Euro, die eigentlich für den Haushalt im nächsten Jahr benötigt würden. McKinsey hat ermittelt, dass europaweit ungefähr 60 Millionen Jobs auf dem Spiel stünden. Bei all dem muss man natürlich fragen: Wenn lediglich einige Wochen des Zurückfahrens derart dramatische Auswirkungen haben – wie gesund ist Deutschlands Wirtschaft wirklich?
Zunächst muss man die Zahlen einordnen
Das macht sie nicht unbedingt weniger erschreckend, aber das Bild vielleicht etwas klarer. Die sehr hohe Zahl von Menschen, die gerade in Kurzarbeit sind, sagt an sich noch nicht viel aus. Auch wenn das viel höher liegt als je zuvor in den vergangenen zwei Jahrzehnten und auch dreimal so hoch wie im gesamten Jahr 2009 zusammengerechnet. Der einmalige Spitzenwert stammt aus dem Mai 2009 mit 1,44 Millionen Anträgen.
Kurzarbeitergeld ist zunächst einmal eine Arbeitsentgelt-Ersatzleistung, die von der Bundesagentur für Arbeit geleistet wird. Ähnliche Leistungen – meist aber in geringerem Umfang – gibt es in vielen Ländern, etwa die Cassa integrazione guadagni in Italien. Die staatliche Leistungen soll helfen, Kündigung ad hoc zu vermeiden und von Unternehmen den Lohndruck zu nehmen, damit die Arbeitsplätze bis zum Abflauen einer Krise weiter erhalten bleiben. Als staatliche Leistungen belasten sie zwar die Staatskassen massiv, haben ansonsten aber keine belastenden Auswirkungen auf Wirtschaft und die Konjunktur (lediglich für die Beschäftigten, die deutlich weniger Geld zur Verfügung haben, bis hinunter zu 60 % ihres vorigen Einkommens).
Problematischer sind tatsächlich die konjunkturrelevanten Faktoren: der Binnenkonsum, der Export und die Konjunkturerwartungen für die einzelnen Branchen. Eine gewisse Auswirkung hat auch die bestehende Handelsbilanz. Sowohl die deutsche als auch die von Handelspartnern. Wie viel muss importiert werden, was kann im Export abgesetzt werden, wie viel Nachfrage gibt es für die im Land produzierten Produkte innerhalb des Landes und bei den Handelspartnern?
Dabei spielen schon zuvor bestehende wirtschaftliche Verwerfungen in einzelnen Branchen (etwa die Krise und die anstehenden Strukturveränderungen in der Automobilbranche und nachfolgend bei den Zulieferbetrieben) und auch die Binnennachfrage („Krisenstimmung“, „mangelnde Kauflaune“) eine wichtige Rolle.
Dass es bei einzelnen Branchen – etwa in der Gastronomie, der Hotellerie, der gesamten Reisebranche oder in vielen Dienstleistungsbranchen – durch den Lockdown Einschränkungen gibt, die möglicherweise von den Unternehmen wieder aufholbar sind oder auch nicht, mag jedem einleuchten. Worüber wir aber gemeinhin zu wenig nachdenken, ist, wie viel einzelne Branchen oder zahlreiche Unternehmen in einer Branche überhaupt wieder aufholen können und wann der Game-Over-Punkt erreicht ist – und aus welchen Gründen das so ist. Das sind oftmals strukturelle Gründe bei den Unternehmen selbst oder innerhalb der Branche, die bestimmte Grundvoraussetzungen etabliert hat (etwa das wöchentliche Eintreffen von neuer Ware im Textilbereich). Wenn ein Unternehmen kalkulatorisch „auf Kante genäht ist“, kaum Rücklagen gebildet werden und hohe Fremdkapital-Mengen (Überschuldungs- oder Verschuldungsdruck) bestehen und die Kalkulation à la Dönerstand erfolgt (50 Cent weniger geht auch noch, damit schlagen wir die Konkurrenz), dann sind innerhalb kürzester Zeit natürlich massive Probleme zu erwarten. Genau das erleben wir jetzt. Wobei man nicht alles dem einzelnen Unternehmen, sondern vieles auch eben bestehenden Strukturproblemen und irrwitzigen Branchenstandards zuschreiben muss.
Anders ist es nicht zu erklären, dass nach Schließungen für weniger als zwei Monate bei gleichzeitigem Übernehmen des fast kompletten Lohndrucks von Unternehmen durch das staatliche Kurzarbeitergeld und der bestehenden Fixkosten durch staatliche Überbrückungskredite dennoch viele tausend Unternehmen am wirtschaftlichen Abgrund stehen. Kalkulatorisch macht das keinen Sinn. Auch nicht, wenn die „Kauflaune“ der Deutschen gerade nicht besonders hoch ist und das Geldausgeben in geringem Maß eingeschränkt ist. Hier ist es notwendig, sich die Gründe genau anzusehen. Sowohl auf Unternehmens- als auch auf Branchenebene, um wirklich funktionierende Lösungen für die Zukunft entwickeln zu können. Vor Systemmängeln und Unzulänglichkeiten des Gesamtsystems sollte man dabei nicht wie sonst immer tunlichst die Augen verschließen, sondern klar feststellen, was Sache ist.
Was wirtschaftstheoretisch mittlerweile klar erscheint, ist, dass die Krise grafisch dargestellt keinen V-förmigen Verlauf nehmen wird. Also kurz runter und dann schnell wieder hoch. Viele Wirtschaftswissenschaftler sind mittlerweile dazu übergegangen, einen U-förmigen oder einen W-förmigen Verlauf der Konjunktureinbruchskurve zu prognostizieren. So manch einer denkt auch schon an das Logo von Nike, den Haken mit dem lange und wenig steil nach oben ziehenden Ausläufer. Warum können wir nicht einfach „schnell rein und schnell wieder raus“, konjunkturell gesehen? Das liegt eben genau daran, dass unsere Wirtschaft eben nicht „gesund“ ist oder zumindest ist sie ungesund strukturiert. Zu einer hohen Export- und Importabhängigkeit kommen klare Strukturdefizite in unserer Wirtschaft, nicht funktionierende oder überkomplexe Lieferketten, Handelspartner, die noch vielfach mit der Krise kämpfen, weltweit zurückgehender Absatz und auch Vorsicht, Krisenstimmung und Nachdenklichkeit im eigenen Land.
Die Corona-Krise ist keine virologisch schwere Krise, sondern vielfach eine wirtschaftlich massive Krise. Das wiegt bedeutend schwerer – und das sollte uns ernsthaft zum Nachdenken bringen. Vor allem zum Nachdenken über die Strukturen in unserer Wirtschaft.
Jobs sind Luxus
Das ist eine schmerzhafte Lektion, die wir aus dieser Krise ziehen können. Und das gilt für weithin die meisten Branchen und so gut wie jedes Unternehmen. Wir haben kein naturgegebenes Recht darauf, dass uns unsere bereitwillig zur Verfügung gestellte Arbeitskraft auch immer mit hohen Stundenlöhnen abgegolten wird. Wenn es sein muss, verzichten Unternehmen auch einmal auf Mitarbeiter und teure Arbeitskräfte. Meistens sogar als erstes.
Die angekündigten Stellenstreichungen der letzten Zeit zeigen das klar und deutlich. 10.000 Stellen bei der Bahn, die ja eigentlich sehr viel Staatsgeld erhält, viele tausend Stellen bei Reiseveranstaltern, im Handel, im Dienstleistungsbereich. Die eigene Qualifikation spielt dabei gar nicht so eine maßgebliche Rolle – sondern allein die äußeren Umstände. Auch hundert absolvierte Weiterbildungen erhalten den Job nicht – außer vielleicht eine staatlich zertifizierte Weiterbildung zum Krisenmanager für die Branche (solche Ausbildungen gibt es aber aus gutem Grund nicht, man will ja nirgends Krisen „herbeireden“ indem man sich schon vorher auf sie vorbereitet).
Der eine oder andere wird auf den Gedanken gekommen sein, sich vielleicht doch nach einem „systemrelevanten“ Job umzusehen, um mehr Sicherheit zu bekommen. Dabei muss man allerdings sagen, was „systemrelevant“ ist, hängt immer von der Art und der Natur der jeweiligen Krise ab – und von der Gestaltung des Systems. In der Corona-Krisenlage ging es vor allem um Gesundheitsdienstleistungen und um die Aufrechterhaltung der Versorgung der Bevölkerung. Dabei waren aber selbst gleich einige Ärzte und Krankenschwestern in Kurzarbeit, und Verkäufer im Lebensmitteleinzelhandel, Paketfahrer und Postboten gehören jetzt mithin nicht gerade zu den Berufen, die sonst durch überdurchschnittliche Karriereperspektiven und eine hohe Jobsicherheit glänzen. Eher noch im Gegenteil.
Jobsicherheit kann man selbst als Arbeitnehmer nur wenig beeinflussen. Außer vielleicht, indem man sich darauf vorbereitet, dass es sehr schnell keine mehr gibt, wenn auch nur der leiseste Hauch einer möglichen, wie auch immer gearteten Krise (Pandemie, Absatzkrise, Erdölkrise, Naturkatastrophe, …) um die Ecke weht. Zuerst kommt das Überleben des Unternehmens und die Reduzierung seiner Lebenserhaltungskosten. Erst lange danach kommt die Überlebenssicherung der Mitarbeiter. Das ist einfach eine klare wirtschaftliche Notwendigkeit.
Da aber die weitaus meisten im Land nun mal eben von ihrem Job abhängen – oder vielmehr ihr Wohlstand und ihr Lebensunterhalt auf ihren Job und sein Vorhandensein gründet – sollte uns das auch als Bürger durchaus einmal gedanklich beschäftigen.
Auch die Politik verspricht nur, mit bestimmten Maßnahmen zu versuchen, so viele Jobs wie möglich zu erhalten. Garantieren kann sie das nicht – genauso wie Naturgesetze kann sie auch Überlebensnotwendigkeiten von Unternehmen nicht einfach außer Kraft setzen. Nicht in diesem System jedenfalls.
Und der politische Wille, ausgelagerte Arbeitsplätze wieder zurückzuholen wird in der Praxis eher dahingehend enden, dass wir die Produktion im eigenen Land mit hohem Automatisierungsgrad vornehmen werden – und mit sehr wenig menschlichem Personal. Das würde die Lieferwege verkürzen und ein paar Unsicherheiten eliminieren. Für die Jobs im Land bedeutet das aber nichts Gutes. Niemand kann doch allen Ernstes annehmen, dass Unternehmer von heute auf morgen bis zu zehnfach so hohe Lohnkosten einkalkulieren, aus reiner Menschenfreundlichkeit und weil die Politik das so will. Das Produkt, das am Ende herauskommt, hätte dann auch einen bis zu fünf- oder zehnmal so hohen Preis. Den wäre hierzulande kaum mehr jemand bereit zu zahlen und auch nirgends sonstwo. Absatzzahlen, wie sie heute üblich sind, wären damit kaum mehr zu erreichen – und damit würde umgekehrt aber auch die Zahl der Jobs in diesen Industrien wieder schrumpfen. Wirtschaftstheoretisch ist das „Zurückholen von Jobs“ also ein Illusion, die in das kindlich-unausgereifte und naive Vorstellungskabinett eines Gehirns wie von Donald J. Trump gehört – aber nicht in die wirtschaftliche Realität.
Spontankäufe und „Kauflust“ sind am Boden
Einer Studie der DZ-Bank zufolge sinken die Haushaltseinkommen in deutschen Haushalten um rund 1,1 %. Das haben wir in einem unserer vorigen Beiträge bereits erwähnt. Gleichzeitig steigt die Sparquote von rund 2 % auf 12,5 % – was durchaus dramatisch ist. Denn diesen Wert haben wir seit der Wende nicht mehr erreicht. Ganz klar: Die Menschen machen sich Sorgen. Und versuchen so wenigstens, ihr Geld wieder ein wenig zusammenzuhalten. Das drückt auf die Kauflaune. Größere und teurere Anschaffungen werden aufgeschoben, besonders bei nicht dringend notwendigen Gütern.
Viele Einzelhändler beklagen außerdem, dass die Umsätze nicht so recht hoch kommen wollen – auch nicht, seit die Geschäfte wieder geöffnet sind. Und dass viele deshalb trotz Wiedereröffnung kurz vor der Pleite stehen. Ihre Geschäftskonzepte sind vor allem auf Spontan- und Impulskäufe ausgelegt. Na prima, dann können wir ja froh sein, dass die Nachhaltigkeitsdebatte in weiten Teilen doch nicht so recht verfangen hat – sonst hätten wir vielleicht vor lauter Nachhaltigkeit auch glatt noch unsere Wirtschaft in Grund und Boden ruiniert. Eine Accenture Studie (darüber haben wir schon berichtet) sieht einen starken Zuwachs bei mehr als 50 % der Menschen im Bereich nachhaltigerer Kaufentscheidungen und überlegterem Konsum. Menschen achten mehr auf sich und auf ihre Gesundheit (ebenfalls über 50 %), alle geben an, das auch in Zukunft beibehalten zu wollen. Einige Wirtschafts-Experten höhnen zwar zynisch, dass Menschen das ohnehin keine drei Monate durchhalten werden und dann alles wieder beim Alten ist – das kann jetzt aber nicht wirklich die Lösung des Problems sein.
Es stellt sich die Frage nach dem System
Nach den Virologen wird nun nach den Wirtschafts-Experten gerufen, die es wieder „hinbiegen“ sollen. Einer Schätzung von McKinsey zufolge stehen in Europa allein 60 Millionen Jobs auf dem Spiel (bei rund 513 Millionen Einwohnern). Das kann man durchaus als Gefährdung des EU-weiten Wohlstands ansehen, wenn die Schätzung einigermaßen stichhaltig ist (wovon man bei McKinsey eigentlich ausgehen kann).
Kosmetische Maßnahmen, das Verteilen von Geld mit der Gießkanne an alle möglichen Akteure in der Wirtschaft, inklusive betroffenen Bürgern, um den „Konsum“ (also selbstschädigendes Konsumverhalten) wieder anzufachen, Stützung von Unternehmen und Arbeitgebern, damit die Jobs erhalten bleiben – all das greift zu kurz. Das können Staaten auch nicht leisten, vor allem nicht wirtschaftlich schwächere Staaten in der EU. Auch das reiche Deutschland kann sich das jetzt schon kaum mehr leisten, schon gar nicht über Monate oder gar Jahre hinweg. Egal, wie viel Geld bei der EZB gedruckt wird. Irgendwann erdrückt uns das ganze gedruckte Geld in Form von Schulden. Vor allem dann, wenn die Maßnahmen nicht reichen, um die Wirtschaft wieder auf das frühere Überkonsum- und Überproduktionsniveau zu hieven. Nicht zuletzt müssen wir uns auch bewusst sein, dass unsere hiesige Wirtschaft auch eine internationale Verantwortung hat, dass viele Dritte-Welt-Länder massiv von uns und unserer Wirtschaftsleistung abhängen. Schon die Weigerung von Konzernen, bestellte Ware, die wir hier kostengünstig verschleudern, abzunehmen und zu bezahlen, hat hunderttausende Fabrikarbeiter bereits innerhalb kürzester Zeit an den Rand der äußersten Armut und des Verhungerns gebracht. Und das, während die betroffenen Staaten sowohl mit Hilfen zur Versorgung als auch mit der eigenen Bekämpfung des Corona-Virus massiv überfordert sind.
Veränderungen sind notwendig. Wir müssten den Blick dabei auch auf den Kern des Ganzen, aufs System richten. Ein System, das, wenn wir nur wenige Wochen einen Teil der Produkte nicht abnehmen oder die Produktion von nicht zwingend lebensnotwendigen Gütern in einzelnen Branchen zurückfahren, in einen Kollaps rutscht und sich praktisch selbst vernichtet, ist auf dem sprichwörtlichen Sand gebaut. Jede kleinste Veränderung, die das System erreicht – sei es in der Konsumlage, in einem stärkeren Konsumenten-Bewusstsein oder durch einfach unvorhersehbare Naturereignisse, die es nun mal eben gibt, bringt das fragile System offensichtlich schon im Ganzen ins Wanken. Dazu kommt, dass wir aufgrund global organisierter, hoch komplexer Lieferketten selbst für ständig benötigte Produkte bei jeder zweiten Art von Krise in die Lage kommen, die benötigte Menge dieser Güter überhaupt nicht mehr zur Verfügung haben – wie das zum Anfang der Krise bei Schutzkleidung der Fall war.
Eine „gesunde“ Wirtschaft sieht ganz sicher sehr viel anders aus. Selbst wenn einige in dieser Wirtschaft ein einigermaßen gutes Auskommen und gute Perspektiven haben, muss uns bewusst sein, auf welch tönernen Füßen das alles steht.
Das sieht man derzeit daran, wie viele Jobs trotz der massiven staatlichen Hilfspakete selbst im reichen und „wirtschaftlich starken“ Deutschland trotzdem bedroht sind. (…) Vergleichen Sie einmal die Aufwendungen für das möglichst schnelle Finden und Entwickeln eines Impfstoffs (das eigentliche Lösungsmittel für diese Krise) mit den Aufwendungen zur „Rettung der Wirtschaft“. Dazwischen liegen Welten, beim Letzteren stehen einige Nullen mehr dahinter.
Da draußen lauern noch zahlreiche weitere Erreger, die nach ein paar kleinen Mutationen noch viel erschreckendere und weitaus tödlichere Szenarien erzeugen können, wenn wir uns weiter so unverantwortlich verhalten. Stichwort Nähe von Wildtieren zu Menschen, zunehmende Vernichtung von Lebensräumen und damit von Abstand, mangelnder Infektionsschutz in unserem dichtgedrängten Alltag, marode und kaputtgesparte Gesundheitssysteme, miese Volksgesundheit durch sinnlosen Überkonsum und durchwegs wenig gesundheitsbewusstes Verhalten. Davon, dass wir Krankheit und Tod besiegt hätten, sind wir weit entfernt – auch wenn wir das in unserer Hochglanz-Welt meist ganz gut verdrängen können.
Daneben warten natürlich auch andere Naturkatastrophen um die Ecke, von Erdbeben und Stürmen bis hin zu Springfluten und Schwerwetter. Auch der weiter voranschreitende Klimawandel wird uns in Zukunft sicher noch die eine oder andere Katastrophe bescheren, die wir so noch nicht kannten – auch hierzulande. Daneben haben wir auch mit den menschengemachten negativen Folgen unseres wirtschaftlichen Handelns (Umweltverschmutzung, Vermüllung, Feinstaub-Belastungen) zu kämpfen. Der Lockdown in der Akutphase der Coronakrise hat einer Studie zufolge hochgerechnet allein 11.000 weiteren Menschen das Leben gerettet, die damit nicht an den mittelbaren Folgen von überhöhten Stickoxiden und Feinstaub in unserer Luft sterben.
Eine „gesunde“ Wirtschaft weiß mit diesen Risiken umzugehen, ist auf sie vorbereitet und versucht, die Risikobedingungen für einzelne Ereignisse so gut es geht schon im Vorfeld zu minimieren. Eine „gesunde“ Wirtschaft kann auch für begrenzte Zeiträume regional und subsistent funktionieren und die Existenz von Menschen auch unter extremen Bedingungen noch weitgehend sichern. Sinnloser Überkonsum kann jeder – das ist primitiv. Echte Wirtschaftslenkung und Wirtschaftsgestaltung geht aber anders. Sie hat den Menschen im Fokus, der von dieser Wirtschaft ja leben soll. Und nicht daran zugrunde gehen, weil einem großen Teil von heute auf morgen im hoch komplexen System sofort alle Existenzgrundlagen restlos entzogen werden. Das ist eine Systemfrage – und die muss zuerst gestellt werden.
Was wir als Bürger und als Kleinanleger beachten sollten
Als Bürger spielt die eigene, individuelle Absicherung natürlich die wichtigste Rolle. Dabei sollte man sich vor allem auf die eigene Kraft verlassen. Wer schulterzuckend glaubt, dass der Staat schon Hartz IV bezahlen wird, wenn man seinen Job verliert und dabei hilft, den eigenen Lebensstandard zu halten, ist irgendwie blauäugig und naiv. Wie schon in früheren Krisen- und Kriegszeiten, spielen auch heute noch die eigenen, konkret vorhandenen Ersparnisse eine wichtige Rolle dabei, wie gut man durch die Krise kommt. Und wie man sich persönlich mit seinem Lebensentwurf aufstellt. Damit kann man zwar meist nicht vermeiden, betroffen zu sein – aber zumindest die sekundären negativen Auswirkungen, die die Krise auf einen hat, minimieren. Dafür ist ein wenig Überlegung notwendig und ein Nachdenken über das eigene Leben und den eigenen Lebensentwurf – und darüber, worauf er sich ursprünglich begründet. Bis zu einem gewissen Punkt selbst Verantwortung für sein Wohlergehen und seine eigene Resilienz und Krisenfestigkeit zu übernehmen, ist dabei unabdingbar (Lebensstil, Gesundheitsbewusstsein, möglichst weitgehende Absicherung der eigenen Lebensgrundlagen).
Als Anleger sollte man sich der Fragilität und der Schwächen des Systems immer bewusst sein. Volatilität ist eine Tatsache, der niemand entgehen kann – nichts ist in Stein gemeißelt. Selbst weise, erfahrene und weitblickende Anleger – wie etwa Warren Buffett – müssen in Krisen oft mächtig Federn lassen. Die Weisheit und der Weitblick liegen allerdings darin, dass einen das eben nicht umbringt. Man kann danach einfach weitermachen. Das ist es, was Klugheit und Weitblick beim Anlegen bedeuten. Die Krisen und Abstürze können wir nämlich alle nicht immer verhindern oder umgehen. Egal wie genial wir sind.
Aus persönlichem Interesse sollte man als Bürger und auch als Anleger aber mit seiner Stimme und mit seinen Anlage-Entscheidungen klar machen, dass man darauf drängt, ein besseres, stabileres und grundlegend durchdachteres System zu verlangen. Dann gehen die Hype-Gewinne vielleicht nicht mehr bei einzelnen Gelegenheiten so massiv durch die Decke – dafür fährt man langfristig deutlich sichere Gewinne ein. Wir brauchen ein Wirtschaftssystem, das auch mal die eine oder andere Krise gut abwettern kann – ohne dass wir nach einem einzelnen Pandemie-Ereignis, das einige Teile der Bevölkerung bedroht, gleich im totalen Zusammenbruch landen – und zwanzig Jahre lang an den mühsam zusammengekleisterten und doch unzureichenden „Hilfspaketen“ zwanzig Jahre lang schmerzhaft zurückzahlen müssen und neue wirtschaftliche Risiken und einen Mangel an Mitteln für notwendige Veränderungen in Kauf nehmen müssen. Das werden wir uns in Zukunft nicht leisten können. Wir werden etwas verändern müssen. Hoffen wir, dass man das erkennt. Und nutzen wir unsere Stimme und Marktmacht als Kleinanleger, um das endlich einmal einzufordern.