Wenn wir so darüber nachdenken, dann sind “Investoren” bei einem Unternehmen halt eben eine Vielzahl kleiner Shareholder, vielleicht auch ein paar andere Unternehmen oder einige institutionelle Anleger, die ein wenig größere Beteiligungen halten. So sieht das in der Praxis für sehr viele größere Unternehmen weltweit aber nicht aus. Das ist lediglich unsere (sehr einfache) Vorstellung davon. Noch dazu eine, wie sie für Großkonzerne gar nicht so wünschenswert ist. Großinvestoren spielen – gerade in der Oberliga der Konzerne – eine weitaus größere Rolle, als man gemeinhin annehmen möchte. Und darin liegt eine Gefahr, derer wir uns alle gar nicht so bewusst sind, die unsere Wirtschaft aber massiv bedrohen könnte.
Großinvestoren sind gewünscht – sollten aber gefürchtet werden
Wo viel Kapital ist, da ist auch viel Macht. Diesen Satz kann man in einer kapitalistisch funktionierenden Welt einmal ganz einfach unbesehen für wahr erachten. Das stimmt, denn um (Kapital-)Macht und (Kapital-)Einfluss geht es im Kapitalismus eben einfach. Darum heißt er so.
Wie immer geht es bei Macht und Einfluss aber auch immer darum, was genau man mit seiner Macht anstellt – und für welche Zwecke man seinen Einfluss nutzt. Dabei zählt nicht nur, welche Ziele man aktiv verfolgt, sondern auch die Dinge, die man mit seiner großen Machtfülle ganz unbewusst und quasi “nebenher” in Bewegung setzt.
Großinvestoren haben in den letzten Jahren ihre Kapitalvolumina im Vergleich zu früheren Zeiten doch recht deutlich ausgebaut, mit dem zunehmenden Volumen steigen ganz natürlich auch die Macht und die Einflussmöglichkeiten eines Investors. Bislang hat man das nicht wirklich hinterfragt, sondern ganz einfach als gegeben hingenommen. Großinvestoren gehören eben genauso zum Kapitalismus wie die Börse oder wie Geldscheine. Und dass Großinvestoren – wie jeder andere Investor auch – primär an der Mehrung ihres Vermögens interessiert sind, ist ebenso natürlich und darüber hinaus auch kein Geheimnis.
Warum Großkonzerne Großinvestoren gerne mögen
Im Allgemeinen kann man feststellen, dass sehr große Konzerne es sehr gerne haben, wenn sich Großinvestoren an ihren Unternehmen umfassend beteiligen. Der Grund dafür ist ganz einfach: Es geht um Stabilität. Gerade bei Großkonzernen ist eine große Menge von kleinen Anlegern oft gar nicht so sehr gewünscht. Denn das bedeutet viele Meinungen, viel Handel und ganz allgemein viele Dinge, um die man sich kümmern muss. Wenn Großinvestoren einsteigen und man als Unternehmen in vielen großen Portfolios vertreten ist, gilt das nicht nur als Signal dafür, dass man als Unternehmen relevant und vertrauenswürdig und für Investoren offensichtlich wertvoll ist – die Arbeit mit Großinvestoren ist auch recht einfach und überschaubar. Solange schön die Gewinne stimmen und es aufwärts geht, ist das für ein Unternehmen meist eine recht angenehme Sache.
Im Grunde wäre da theoretisch auch gar nichts dagegen einzuwenden – vielleicht abgesehen davon, dass eine “Demokratisierung” unserer Finanzwelt und mehr Mitsprachemöglichkeiten und Stimmrechte von “kleinen Bürgern” oftmals ganz gut wären. In der Praxis schafft diese Situationen durchaus manchmal Probleme – die man erst in jüngster Zeit auch wissenschaftlich erst zu entdecken beginnt.
Wie sich der Einfluss von Großinvestoren auswirken kann
Wenn man grundsätzlich einmal davon ausgeht, dass Investoren vor allem an der Rendite für ihre Investments interessiert sind, kann man natürlich davon ausgehen, dass ein Investor dahingehend auch etwas machen wird, um seine Rendite-Erfolge zu erhöhen. Das bedeutet ganz konkret, dass natürlich – zunächst einmal theoretisch – Großinvestoren sicherlich dahingehend auf die Geschäftspolitik Einfluss zu nehmen versuchen, dass ihre Renditen möglichst hoch ausfallen. Im Umfang ihrer Stimmrechte steht ihnen dieses Recht auch zu. Je mehr Kapital sie allerdings in einem Unternehmen stecken haben, desto größer kann auch der Nachdruck von solchen Forderungen ausfallen. Wenn ein Großinvestor droht, bei dieser oder jener Maßnahme sein Kapital aus dem Unternehmen abzuziehen, wiegt diese Drohung natürlich durchaus schwer.
Für Unternehmen und Konzerne, an denen sehr viele Großinvestoren beteiligt sind, herrscht also ein permanenter Druck, die von den Großinvestoren gestellten Rendite-Erwartungen zu erfüllen – andernfalls würde sehr viel Kapital abgezogen. Das mag vielleicht im einen oder anderen Fall der Grund sein, warum oft wenig soziale und teilweise sehr zweifelhafte Entscheidungen getroffen werden. Wenn sie Gewinne oder Gewinnerhöhungen versprechen, ist der Druck, solche Entscheidungen dennoch zu treffen oft wohl ziemlich hoch. Das können Entscheidungen gegen ein faireres oder ökologisch vertretbareres Wirtschaften sein, aber auch grundlegende Entscheidungen über die Unternehmenspolitik und die Werte, nach denen man strebt.
Niemand kann im Einzelfall genau sagen, wie viele Entscheidungen am Ende tatsächlich auf Druck von Großinvestoren zustande kommen oder kamen. Solche Dinge werden im Allgemeinen hinter verschlossenen Türen und persönlich besprochen. Wie viel Druck dabei welche Seite ausübt und wer sich welchem Druck beugt, wissen am Ende nur die Beteiligten selbst. Man könnte aber immerhin vermuten, dass große und sehr große Investoren natürlich auch schon einmal versucht sein könnten, ein wenig Einfluss geltend zu machen, um die Dinge in ihrem Sinne und zu ihren Gunsten voranzubringen.
Die versteckte Seite von Geldmacht und Einfluss: die Gefahren von Common Ownership
Wir müssen uns jetzt nur ein Szenario vorstellen: Nehmen wir an, ein Großinvestor hat Anteile von zwei konkurrierenden Unternehmen in der gleichen Branche im Portfolio. Der Großinvestor hat natürlich Interesse daran, gute Gewinne zu machen. Diese Situation ist nicht aus der Luft gegriffen, sondern beinahe schon alltäglich. Diversifizierung wird in den letzten Jahren für Investoren, vor allem im großen Maßstab immer wichtiger und dazu gehört auch, dass man eben nicht allein nur auf ein Unternehmen in der Branche setzt. Das nennt man dann “Common Ownership”.
Würden sich beide Unternehmen nun einen harten Wettbewerb liefern, würde das passieren, was im Kapitalismus immer passiert, wenn Wettbewerb herrscht: die Preise für die Produkte sinken. Damit würden aber natürlich auch die Gewinne der beiden Unternehmen schrumpfen, weil die Gewinnmarge bei sinkenden Preisen natürlich immer kleiner wird.
Im Sinne des Investors kann das nicht sein – denn sinkende Gewinne bedeuten sinkende Renditen. Also müssten doch beide Unternehmen eher daran interessiert sein, nicht allzu viel Wettbewerb stattfinden zu lassen, um den Investor jeweils nicht zu vergrätzen. Um je mehr Großinvestoren und um je mehr Kapital es dabei geht, desto geringer fällt die Bereitschaft wohl aus, sich mit einem harten Konkurrenzkampf die Gewinne zu ruinieren. “Echte” Preisabsprachen zwischen den Konkurrenten wären nicht möglich und würden sofort vom zuständigen Kartellamt abgemahnt werden. Wenn beide beteiligten Unternehmen allerdings die Härte des Wettbewerbs ein wenig dämpfen, ist dagegen nur schwer vorzugehen.
Damit würde das Großinvestorentum der heutigen Zeit aber in vielen Fällen einen “echten” Wettbewerb, der kapitalistisch immer als hoch wünschenswert angesehen wird, quasi dämpfen oder nahezu verhindern.
Bislang handelt es sich dabei nur um eine Theorie – allerdings um eine sehr ernst zu nehmende und eine mit weitreichenden Folgen. Ob es solche Effekte in der Praxis tatsächlich gibt, wird in den letzten Jahren wissenschaftlich untersucht, nachdem eine erste Studie in einigen Branchen sie klar nachgewiesen hat. Stellt man solche Effekte tatsächlich in allen oder in vielen Branchen fest, besteht der nächste Schritt darin, sich zu überlegen, auf welche Weise man zugunsten eines echten Wettbewerbs hier regulierend eingreifen kann. Mit dem heute geltenden Kartellrecht ist das bislang noch eher schwierig bis unmöglich, da Minderheitenbeteiligungen nur dann vom Kartellrecht erfasst werden, wenn der Investor wesentliche Kontrolle oder Einflussmöglichkeiten beim Unternehmen hat. Wenn mehrere Großinvestoren parallel agieren, (wie das ja häufig der Fall ist, da sie im Prinzip die gleichen Ziele verfolgen) wird es kartellrechtlich schwierig, einzuschreiten.
Unsere Welt besteht eben nicht nur aus Klein- und Einzelanlegern, sondern auch aus einer ganzen Zahl von sehr großen und sehr mächtigen institutionellen Anlegern. Die hat man – samt ihrem Einfluss – bislang zu sehr ignoriert und ihren Einfluss in vielen Bereichen unterschätzt. Dabei kann das eine sehr hohe Gefahr für unsere Wirtschaft insgesamt bedeuten. Das Thema sollte also möglichst nicht so schnell wieder von der wissenschaftlichen und politischen Agenda verschwinden.
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