Nach der Lektüre unserer Inhalte, insbesondere der Finanzwissen-Folgen zum Thema Aktien, fragen sich vermutlich viele Leser, welche Aktien Sie denn nun kaufen sollen.
Wer nicht zum ersten Mal auf unserem Blog ist, weiß bereits, dass wir von Börsenexperten, Hausbanken oder Finanzproduktverkäufern (AWD, Euro-Finanz und wie sie alle heißen) nicht viel halten. Beim Thema Geld sollte man sich selbst ein Bild machen und auch verstehen, in was man da eigentlich investiert – kurz sich selbst und nicht nur anderen vertrauen.
Wie gehen nun DieKleinanleger bei der Auswahl ihrer Aktien vor?
KISS – Keep it short and simple
Verfahren zur Bewertung von Unternehmen gibt es viele. Auf der Uni lernt man so einige, das DCF-Verfahren (Discounted Cash Flow – Verfahren), bei dem die zukünftigen Zahlungsströme eines Unternehmens auf den heutigen Wert abgezinst werden, ist eines der Bekanntesten und wird auch von Investmentbanken zur Analyse von etablierten und beständigen Unternehmen verwendet.
Auch wenn man diesem Verfahren einiges abgewinnen kann – für Kleinanleger ist es absolut ungeeignet. Wir benötigen daher eine einfache, aber effektive Möglichkeit, um unterbewertete Unternehmen zu finden.
Das zweite „S“ in unserer KISS-Formel wäre damit abgehakt. Doch wirklich „short“ wird es nicht gehen – eine Unternehmensbewertung erfordert einiges an Zeit und Kreativität. Allerdings nicht um komplizierte Ertrags- und Cashflow-Rechnungen für die nächsten 15 Jahre zu entwerfen.
Wir präsentieren Ihnen nun unsere Methode! So gehen wir vor, wenn wir überprüfen, welche Aktien wir kaufen sollen.
Zum Thema „Wie Aktien kaufen“ können wir nur auf einen günstigen Online Broker verweisen, denn selbst die besten Investments, können durch zu hohe Orderspesen (z.B. beim Aktienkauf über die Hausbank) beträchtlich geschmälert werden. Deshalb haben wir schon an dieser Stelle den günstigsten Online-Broker für Kleinanleger vorgestellt.
Teil 1: Unternehmensanalyse – Was macht das Unternehmen?
Eine Aktie repräsentiert einen konkretisierten Anteil an einer Aktiengesellschaft. Mit dem Kauf einer Aktie werden Sie zum Aktionär, also zu einem Unternehmer.
Dieser Gedankenschritt wird von vielen nicht beherzigt – vor allem nicht von jenen, die Aktien aufgrund von Kursveränderungen bzw. Kursentwicklungen auswählen. Der Preis einer Aktie kann zwar sehr wohl der letzte Impuls für den Kauf einer Aktie sein, jedoch niemals das einzige Argument. Somit ist klar, dass wir die „Methoden“ der technischen Analyse nicht empfehlen können.
Im ersten Schritt beschäftigen wir uns daher mit dem Unternehmen – nicht mit der Aktie. Wir recherchieren und beantworten uns selbst folgende Fragen:
- Was macht das Unternehmen? In welchen Branchen und Sektoren ist es tätig? Welche Produkte werden hergestellt und unter welchen Marken werden diese vertrieben?
- Wo operiert das Unternehmen? In welchen Märkten tritt das Unternehmen auf? Ist das Unternehmen stark im Ausland engagiert (Export-Unternehmen) oder liegt der Fokus auf dem Binnenmarkt?
- Wann wurde das Unternehmen gegründet? Wie sieht die Eigentümergeschichte aus – wann war der Börsengang bzw. gab es Fusionen? Sind die Firmengründer noch am Unternehmen beteiligt?
- Von wem wird das Unternehmen geführt? Wie heißt der CEO des Unternehmens – wie lautet seine persönliche Erfolgsbilanz?
- Wie sieht die Peergroup des Unternehmens aus? Wer ist Marktführer in den Märkten, in denen das Unternehmen tätig ist?
- Wie behauptet sich das Unternehmen gegenüber seinen Konkurrenten? Hat es einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil, eine kurzeitige Marktführerschaft oder muss es in Sachen Wettbewerbsfähigkeit noch seine Hausaufgaben erledigen?
Um diese Fragen beantworten zu können, reicht eine Wikipedia-Recherche nicht. Das ist auch schon der Grund, warum viele Investoren diese Fragen unbeantwortet lassen bzw. mit Halbwissen beantworten.
Sie werden den letzten Geschäftsbericht zu mindestens überfliegen müssen, machen Sie sich ein Bild von der Website des Unternehmens. Lernen Sie das Unternehmen näher kennen – mit der Zeit gewinnt man hierdurch einen extrem wertvollen Wissensstand!
An dieser Stelle können bereits Unternehmen ausgeschlossen werden, wenn sie z.B.: ethischen Standards des Investors nicht entsprechen oder sich in Märkten bewegen, in denen der Investor kein Kapital investieren will. Unternehmen aus der Rüstungsindustrie wären hier ein gutes Beispiel.
Teil 2: Eigentümeranalyse – Wem gehört das Unternehmen?
Nachdem wir nun ein einigermaßen solides Bild über das Geschäft bzw. die Vergangenheit des Unternehmens zu haben, benötigen wir einen Überblick über die Eigentumsverhältnisse des Unternehmens.
Diese Fragen lassen sich schon viel leichter beantworten, da große Bestände an Aktien an einem Unternehmen gemeldet werden müssen. Folgende Fragen stellen wir uns hier:
- Wie viele Aktien hat das Unternehmen ausgegeben? Gibt es unterschiedliche Arten von Aktien, wie z.B.: Stamm- und Vorzugsaktien?
- Gibt es einen Mehrheitseigentümer (Beteiligung größer als 50 %) oder Investoren mit qualifizierter Beteiligung (Sperrminorität, Beteiligung größer als 25 %)?
- Wie viel Prozent der Aktien befinden sich im Streubesitz (Definition je nach Börse; Beteiligungen kleiner als 5 – 10 %)
- Wo können Aktien, die sich im Streubesitz befinden, gehandelt werden? An welchen Börsen ist das Unternehmen gelistet? Wie liquide – also wie handelbar – ist die Aktie? Ist sie ein begehrter Titel oder ein „Ladenhüter“?
- Ist der Staat oder eine staatsnahe Holdings an dem Unternehmen beteiligt? Wenn ja, wie wirkt sich diese Beteiligung auf das Unternehmen aus? Sitzen „Parteisoldaten“ in Aufsichtsräten oder sogar im Vorstand?
Auch hier können wieder Unternehmen ausgeschlossen werden. Großinvestoren sind hierfür ein möglicher Grund. Sie können Unternehmen beherrschen und somit Entscheidungen und Strategien im Alleingang beschließen.
Das kann sich positiv auswirken, allerdings tendieren manche dieser Unternehmen dazu, sich weniger um den Kapitalmarkt zu kümmern. Vor allem Unternehmen, die noch im Familienbesitz sind und auch nicht vorhaben, sich in nächster Zeit aus dem Unternehmen zurückzuziehen, sind hierfür ein gutes Beispiel.
Teil 3: Finanzanalyse – Wie wirtschaftet das Unternehmen?
Jetzt geht’s ans Eingemachte. Reden wir über Geld! Spätestens jetzt wird bei uns Excel geöffnet und wir tippen gesammelte Finanzdaten in ein Spreadsheet ein.
Folgende Fragen beantworten wir uns an dieser Stelle:
- Wie sieht die Bilanz des Unternehmens aus? Stark kapitalisiert oder stark verschuldet? Wie viel Cash hortet das Unternehmen? Gibt es stille Reserven, oder hat das Unternehmen ein paar „Leichen“ im Keller, wie z.B.: Bürgschaften. Hat das Unternehmen für zukünftige Aufwendungen bereits in Form von Rückstellungen ausreichend vorgesorgt? Besitzt das Unternehmen viele immateriellen Werte, wie z.B.: Lizenzen, Goodwill-Werte und Software oder herrschen Sachwerte wie Grundstücke, Fabriken und Maschinen vor?
- Wie sieht die Gewinn- und Verlustrechnung des Unternehmens aus? Wie viel Umsatz wird mit welchen Produkten erwirtschaftet? Welche Produkte haben die höchsten Margen? Wie hoch ist der Materialaufwand, wie hoch sind die Ausgaben für Forschung und Entwicklung? Wie viel muss an Finanzierungskosten gezahlt werden? Wie hoch ist die Steuerquote des Unternehmens? Und natürlich: Wie viel bleibt am Ende des Tages für die Eigentümer des Unternehmens an Gewinn übrig?
- Wie sieht die Cash-Flow-Rechnung aus? Es gibt ein Sprichwort, welches besagt: „Profit is an opinion but cash is a fact.“ Dem können wir uns nur anschließen – Unternehmen haben im Zuge der Bilanzierung allerlei Möglichkeiten, ihre Zahlen schönzurechnen. Doch Cash lässt sich nicht schönrechnen.
- Wie sieht die Finanzierung des Unternehmens aus? Dieser Punkt betrifft alle drei vorhergegangenen Bereiche. Schulden werden in der Bilanz als Fremdkapital ausgewiesen, die Zinsen dafür scheinen in der Gewinn- und Verlustrechnung auf und Tilgungen und Aufnahme von Verbindlichkeiten führen schlussendlich zu Geldflüssen (Cash-Flow). Wie hoch ist der durchschnittliche Zins, den das Unternehmen bezahlen muss? Wer sind die Kreditgeber – hat das Unternehmen Anleihen begeben? Wie lange ist die durchschnittliche Laufzeit der Schulden – Unternehmen, die sich nur kurzfristig finanzieren, sind ein erhöhter Risikofaktor! Wie sieht das Rating des Unternehmens aus?
An dieser Stelle scheiden vermutlich die meisten Unternehmen aus – deshalb beschäftigten sich viele Investoren auch verstärkt mit diesem Teil des Auswahlprozesses.
Es gilt gewisse Kriterien aufzustellen, denn letztendlich ist das zur Verfügung stehende Kapital äußerst knapp und muss sinnvoll eingesetzt werden. Definieren Sie Mindestgrößen bei der Eigenkapitalverzinsung oder der Eigenkapitalquote. Hier entscheiden Sie, welches Risiko Sie übernehmen wollen!
Dieser Prozess erfordert einiges an Übung – man muss Bilanzen lesen können, um erfolgreich investieren zu können.
Teil 4: Aktienanalyse – Alles eine Frage des Preises?
Sie wundern sich, warum wir noch kein einziges Mal über den Aktienkurs geschrieben haben? Das war kein Versehen.
Unternehmen, die alle drei Schritte überstanden haben, genügen unserem Mindestqualitätsstandard. Doch letzten Endes ist der Preis das entscheidende Merkmal. Die vorherigen Schritte waren jedoch notwendig, um den unserer Meinung nach angemessenen Preis zu ermitteln. Beantworten Sie sich folgende Fragen:
- Wie steht der aktuelle Aktienkurs? Wie hat sich dieser in den letzten Jahren entwickelt?
- Wie hoch ist die Dividende und wie oft wird sie ausgeschüttet? Wie hoch ist die Dividendenrendite?
- Ist die Aktie stark volatil oder entwickelt sie sich ruhig, jedoch mit einem ausgeprägten Trend?
- Schwimmt die Aktie mit dem Markt oder kann sie als antizyklisch bezeichnet werden? Wie haben sich die Aktien der Hauptkonkurrenten entwickelt?
- Wie teuer ist das Unternehmen im Vergleich zum Eigenkapital (KBV) oder zum Gewinn (KGV)?
Auch hier bedarf es wieder einiger Bedingungen. Definieren Sie maximale KGVs oder minimale Dividendenrenditen. Wenn Sie eher risikoscheu sind, tun Sie selbiges auch bei der Volatilität.
Und jetzt – habe ich nun die richtige Aktie?
Aktienauswahl ist eine Neverending-Story. Sobald ein Unternehmen bewertet worden ist, könnte man schon wieder anfangen, es neu zu bewerten.
Doch auch wenn richtige Bewertungen und Annahmen getroffen werden, ist dies kein Erfolgsgarant dafür, dass sich die Aktie positiv entwickelt. Selbst wenn Sie ein Unternehmen gefunden haben, das Ihren Vorstellungen entspricht und zu einem Kurs, der niedriger als Ihr fairer Wert ist, notiert, heißt das nicht, dass die Aktie bald auf Ihren fairen Preis steigen wird.
Doch wenn Sie sich diesen Aufwand antun, sind Sie echter Value-Investor und können daher getrost kurzfristige Marktschwankungen ignorieren. Sie wissen, dass Sie sich bei einem soliden Unternehmen zu einem attraktiven Preis eingekauft haben und irgendwann wird es „der Markt“ auch erkennen. In der Zwischenzeit sammeln Sie jedoch schon einmal Jahr für Jahr ordentliche Dividenden 😉