Zwei Dinge haben diesen Sommer Europa erreicht: der internationale Terrorismus und der Austritt Großbritanniens aus der EU. Nicht wenigen macht das gehörig Angst. Interessant wird es erst richtig, wenn man beide „Bedrohungen“ einmal wirtschaftlich vergleicht. Die eine, die man als tatsächlich echte Bedrohung unserer Sicherheit auffassen kann, erschüttert die Börsen nur mäßig und nur sehr kurzfristig – die andere hat wahrscheinlich auch noch sehr langfristig noch negative Folgen. Warum das so ist und wo die Unterschiede zwischen beiden Bedrohungen aus Sicht der Finanzwelt liegen, wollen wir in unserem Beitrag einmal etwas eingehender analysieren. Und uns Gedanken machen, welche Folgen alle diese Erschütterungen für unsere Anlagen haben, und welche Sicherheit für unser Geld noch bleibt.
Terror und die Börsen
Attentate auf Menschen mitten in Europa – Frankreich, Deutschland. Etwas, das einem durchaus den Angstschweiß auf die Stirn treiben kann. Der Terror hat, darüber sind sich alle wesentlichen Medien einig, Europa definitiv erreicht. Wir müssen damit rechnen, dass uns das jederzeit und überall treffen kann.
Womit die meisten – auch die auf Finanzthemen spezialisierten Medien – wohl nicht gerechnet haben, ist, dass die Auswirkungen auf die Finanzwelt so unfassbar gering sind. Mit spürbarer, leichter Fassungslosigkeit titelt die FAZ: „Terror beeindruckt Finanzmärkte nur kurzfristig„. Auch beim Handelsblatt ist man sich einig, dass Anschläge „mit regionaler Wirkung“ nur geringe Auswirkungen auf die Finanzwelt haben. Wobei man in diesem speziellen Fall über 80 Tote bei einem Anschlag als „regionalen Terror“ wertet. Und die Welt beginnt bereits, die Profiteure des Terrors an der Börse zu suchen und auszumachen.
Interessant dabei ist, dass zu Anfang des Jahrtausends fast alle vor verheerenden Schäden durch internationale Gewaltakte, Terrorismus und Kriege gewarnt hatten. Und vor allem zu bedenken gaben, dass die indirekten Folgen solcher „internationalen Ereignisse“ nicht zu unterschätzen seien (auch ein regional stattfindender Terroranschlag einer ausländischen Macht ist ja in gewissem Sinn ein internationales Ereignis). Bewahrheitet hat sich das aber, wie man jetzt sieht, nicht. Auch das Verbrauchervertrauen hat – anders als in all den Kassandrarufen vieler – keineswegs merkbar gelitten. Die Realität hat also mehr als nur deutlich gezeigt, dass frühere praktisch überall vorhandene Befürchtungen völlig gegenstandslos sind. Nun, auch Analysten und Kassandra-Propheten werden gelegentlich von der Wirklichkeit widerlegt.
Es gibt sogar Gewinner an den Börsen
Bis 2020 rechnet man gerade bei den Rüstungsausgaben mit massiven Zuwächsen um bis zu 2 % – immerhin das Vierfache dessen, was Experten nach Paris geschätzt hatten. Die geopolitische Situation könnte für die Rüstungsbranche also immerhin ein wirklicher Wachstumsmotor sein. Das sehen auch Analysten von Goldman Sachs so. Dort verortet man die größten Zuwächse vor allem im Hightech-Bereich. Die Kursziele vieler Rüstungsfirmen (etwa Lockheed oder Northrop) sind teilweise massiv angehoben worden.
Für Anleger sind das natürlich lohnende Investments – auch mit langfristigen Aussichten. Wer auf entsprechende Portfolios setzt, wird, nach Meinung von vielen Analysten, wohl durchaus gute Erfolgsaussichten haben.
Alles in allem scheint – so unglaublich das auch ist – die Finanzwelt sich tatsächlich vom Terror nur wenig beeindrucken zu lassen. Die Anschläge von Paris hatten, wenn wir uns einmal die Märkte und die Indices etwas genauer ansehen – genau Null Auswirkung. Ist die Börsenwelt tatsächlich schon so abgestumpft, dass einen selbst solche Anschläge völlig kaltlassen und man keinerlei wirtschaftliche Auswirkungen befürchtet? Tatsächlich scheint es sich genau so zu verhalten.
Tourismus und Terror
Lediglich beim Tourismus scheint es die eine oder andere Befürchtung zu geben, die sich dann geringfügig auch einmal auf die Märkte auswirkt. Rückgänge im Tourismusbereich bedeuten für einige Länder einen wirklich schweren Schlag – auch finanziell. Die Auswirkungen auf die regionale und nationale Wirtschaft sind oft schwerwiegend – mit entsprechenden Folgen für die Finanzmärkte. Zur echten Beunruhigung reicht das aber nicht.
Ägypten oder Tunesien zeigen beispielsweise kurz nach Terroranschlägen (oder auch politischen Umbrüchen, die für den Tourismus ebenso schädlich sind) nur kurzfristige, massive Einbrüche. Die nachfolgende Erholung setzt in der Regel sehr schnell ein. Das Niveau der kurzfristigen Erholung ist in fast allen Fällen hoch. Innerhalb von zwei Jahren kann es, so schätzen Experten das ein, durchaus zu einer völligen Erholung und zum Erreichen des Niveaus vor der Instabilität kommen, die kurzfristigen Erholungen liegen aber bereits nach einigen Monaten vielfach bereits wieder auf hohem Niveau, wie etwa der Arabische Frühling in Ägypten zeigt. Sieht man sich dann europäische Beispiele wie London an, dann zeigt sich sogar noch ein ganz anderes Bild: dort hatten die Anschläge gleich so gut wie überhaupt keine Auswirkungen auf die Quartalszahlen im Tourismus.
Es hängt also immer sehr von der jeweiligen Situation ab, von den Gegebenheiten und vom Land, das betroffen ist. Verallgemeinern kann man hier ganz sicher nichts – außer dass die Folgen in fast allen Fällen weit weniger schwerwiegend sind, als man zunächst befürchten möchte. Das sollte man immer im Hinterkopf behalten.
Die finanziellen Auswirkungen sind eher unerheblich
Teilweise hängt das damit zusammen, dass gerade jene kleineren Länder, für die der Tourismus die Haupteinnahmequelle ist, für die internationalen und globalen Märkte tatsächlich eher unbedeutend sind. Portugal, Ägypten, Bali, Tunesien – was immer dort wirtschaftlich passiert, ist an den internationalen Börsen ohnehin nur wenig abzulesen.
Und die größeren Länder – in diesem Sommer beispielsweise Frankreich – können regionale wirtschaftliche Einbußen besser auffangen und wirtschaftlich abfedern. Oder sie haben, wie Frankreich, ohnehin viel größere Probleme, die sie wirtschaftlich bewältigen müssen.
Es ist also wahrscheinlich nicht unbedingt Gefühlskälte, die die Ursache für die fehlenden Auswirkungen an den Börsen ist, sondern ganz einfach Objektivität. Was immer passiert, so schrecklich es auch sein mag, hat tatsächlich nur marginale Folgen für nationale und internationale Wirtschaftsdaten. Und bei den Ländern, wo es nicht so ist, sind die Wirtschaftsdaten im internationalen Bereich meist eher unbedeutend. Schlicht Objektivität also.
Zum Vergleich: der BREXIT
Ganz anders verhält es sich, wenn man den angekündigten und nunmehr per Referendum beschlossenen Austritt Großbritanniens aus der EU betrachtet. Für unsere Sicherheit oder für die Stabilität in Europa stellt der BREXIT kaum eine Bedrohung dar. Für die europäische und die globale Wirtschaft ist das Ausscheiden Großbritanniens aus dem wirtschaftlichen Verbund der EU jedoch eine mittlere Katastrophe. Das kann man ganz klar so sagen und das belegen auch bereits die ersten Zahlen nach Bekanntwerden des Ergebnisses des britischen Referendums. Das Pfund stürzte bereits am Tag der Bekanntgabe auf einen Tiefststand ab, den niemand je für möglich gehalten hat. Und der Weg nach oben schien für das Pfund mehr als nur steinig zu sein – weit ging es bislang noch nicht.
Wie das Endergebnis des Austritts dann tatsächlich aussehen wird, welche wirtschaftlichen Verbindungen Großbritannien mit der EU später eingehen oder behalten wird und welche Auswirkungen das auf die nationale Wirtschaft haben wird, werden wir wohl erst nach Ende der Austrittsverhandlungen in rund zwei Jahren wissen. Noch ist praktisch kaum etwas klar und es ist völlig unmöglich, irgendetwas auch nur annähernd abzuschätzen.
Dennoch sind sich praktisch alle Experten einig, dass das für die europäische Wirtschaft auch langfristig eine Katastrophe bedeuten wird – und dass sich die Märkte vom Austritt kaum so schnell erholen werden. Bestenfalls rechnet man hier mit einem Jahrzehnt, von Jahren ist kaum je die Rede, wenn jemand eine Einschätzung versucht.
Zwei Bedrohungen im Vergleich
Vergleicht man nun beide „Bedrohungen“ und ihre Auswirkungen ein wenig detaillierter miteinander, wird uns plötzlich klar, wie unsere Finanzmärkte eigentlich funktionieren – und worauf sie reagieren.
Negative Arbeitsmarktdaten aus den USA haben nun einmal tatsächlich eine weitaus durchschlagendere Wirkung auf die Kursentwicklung, als ein Terroranschlag mitten in Europa mit mehr als 100 Toten. Das mag man nun gut finden oder nicht – es ist jedenfalls eine Tatsache. Und selbst wenn man vermuten kann, dass wirtschaftliche Auswirkungen durchaus eintreten könnten, hängt es immer noch weitgehend davon ab, wie die Börse diese Auswirkungen tatsächlich bewertet und was sie befürchtet. Es geht weniger um das Ereignis an sich, sondern darum, wie viel Angst ein Ereignis den Leuten macht: und zwar Angst um ihr Geld.
Wie reagieren?
Für die eigene Anlage – für die ja in vielen Fällen die Börsenkurse und auch die Börsenstimmung maßgeblich sind – sollte man schlicht und einfach darauf achten, wie die Börse als Ganzes reagiert. Zurückhaltung, Skepsis, Gleichgültigkeit oder eventuell sogar zögerliche Zuversicht, dass wirtschaftliche Veränderungen in einigen Bereichen größere Gewinne bescheren können. Auch als Anleger sollte man sich danach richten.
In unseren Beiträgen über die technische Analyse haben Sie ein klein wenig Rüstzeug erhalten, die Reaktion der Märkte (zum Beispiel über die Indices) ein wenig besser einschätzen zu können – und die tatsächliche Stimmung auszumachen, die gerade herrscht. Analysieren Sie vor allem die Kursentwicklung sorgfältig – und lassen Sie sich von Nachrichten zunächst einmal nicht aus der Ruhe bringen.
Gerade in bewegten Zeiten, wie wir sie gerade politisch erleben, lohnt sich auch, sich mehr und vielleicht sogar überwiegend mit Value Investing zu beschäftigen. Echte, harte Werte werden auch in unruhigen und instabilen Zeiten meist gut bewertet, ihre Solidität ist eine Art Garantie. Wer sich bisher nicht mit Value Investing auseinandergesetzt hat, sollte das vielleicht einmal in der nächsten Zeit nachholen.
Für die Daytrader sind Bewegungen ohnehin kein Problem – je mehr Bewegung, egal in welche Richtung, desto mehr Geld kann verdient werden. Man sollte jedoch tunlichst darauf achten, wo man seine Orders platziert – und Positionen zu antizipieren kann in solch turbulenten Zeiten etwas sein, das eher nach hinten losgeht. Aber die meisten Daytrader haben damit wahrscheinlich ohnehin schon das eine oder andere Mal schmerzliche Erfahrungen gemacht.
Forex könnte spannend werden, angesichts der zukünftigen Bewegungen des Euro und des GBP – und der Reaktion anderer Währungspaare auf die Verschiebungen. Vermutlich wird man allerdings mit sehr viel mehr Unwägbarkeiten konfrontiert sein, als man das bisher war, aber damit kann man als Forextrader im Allgemeinen leben.
Für den Rest der Anleger, die vor allem einen langfristigen Anlagehorizont verfolgen, wird wohl weder die eine noch die andere Bedrohung tatsächlich massive Auswirkungen haben. Allenfalls Anlagen in Großbritannien könnten einem auch mit langfristigem Horizont Sorgen bereiten, aber das sollte man wohl zunächst einmal abwarten.
Weiterführende Links
- Trader-Konditionen vergleichen
- Jetzt in Russland investieren?
- Ein Ausblick auf das Börsenjahr 2016
- Australien – investieren in eine Wirtschaft mit besten Voraussetzungen
- Goldankauf in Zeiten der Krisen
- Krisen-Stimmung: Wackelt denn jetzt alles?