Das Wort „Resilienz“ leitet sich vom lateinischen „resilire“ ab, was so viel bedeutet wie „zurückspringen“, oder „in den Ausgangszustand zurückkehren“. Resiliente Modelle zu konstruieren, ist in sehr vielen Bereichen wichtig – auch für Unternehmensstrukturen und im Bereich der Anlage. Aus diesem Grund wollen wir uns einmal etwas ausführlicher mit dem Begriff der Resilienz beschäftigen, und damit, wie man eine möglichst resiliente Anlagestruktur aufbaut. Auch für Kleinanleger ist das nämlich grundlegend wichtig.
Kein System läuft im luftleeren Raum
Krisen und negative Ereignisse machen uns so gut wie immer eines deutlich bewusst: dass wir nicht gut genug auf sie vorbereitet waren. Im Nachgang betrachtet hätten wir immer das eine oder das andere im Vorfeld bereits tun können, bestimmte Strukturen stärken oder bestimmte Sicherungsmechanismen einbauen können.
Das gilt für Unternehmen ebenso wie für die eigene Anlage – die man durchaus auch als Kleinanleger mit entsprechenden Strategien absichern kann. Dazu gehören etwa entsprechende Optionsscheine oder Futures, aber auch komplexere Konstrukte, die Risiken ganz gezielt minimieren helfen. Den Aufwand treibt aber nicht jeder. Teils aus Unkenntnis, teils, weil Risikoabsicherungen natürlich immer auch Geld kosten und daher die Rendite drücken. Und weil das Ganze meist weitgehend unnötig erscheint, wenn sich gerade kein Wölkchen am strahlend blauen Anlagehimmel zeigt. Kommt es dann plötzlich zu einer Krise, wünschen wir uns natürlich, wir hätten es getan.
Jede Krise ist allerdings anders – in ihrer Art und in ihren Auswirkungen. Um Krisen zu antizipieren oder vorherzusehen, sind wir in einem gewissem Maß auf Wahrscheinlichkeiten angewiesen: es kann sinnvoll sein, sich gegen Krisen oder Vorfälle abzusichern, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten werden oder für die ein begründetes Risiko besteht. Wenn man allerdings versuchen wollte, sich gegen alle Risiken, auch die, bei denen nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit des Eintretens besteht, umfassend abzusichern – würde man nicht vom Fleck kommen.
Wahrscheinlichkeiten sind also das Maß aller Dinge, wenn es um die Absicherung geht. Bei Dingen, die von vornherein nur eine sehr geringe Eintrittswahrscheinlichkeit haben, werden wir in den allermeisten Fällen zu schlecht vorbereitet sein. Auch das gilt sowohl für Unternehmen als auch für die Geldanlage.
Genau dann kommt allerdings ein anderer, sehr wichtiger Faktor ins Spiel: Resilienz.
Resilienz bedeutet: ohne Probleme zurück zum Ausgangszustand
Die gegebene Resilienz ist eine wichtige Größe im Bereich der Ingenieurwissenschaften, im Bereich der Energiewirtschaft, aber auch in Ökosystemen, in der Psychologie und der Soziologie. Im unternehmerischen Bereich gibt es sogar ein sehr ausgefeiltes Resilienz-Management, das sowohl proaktiv, als auch reaktiv aufgestellt ist und auf insgesamt vier verschiedenen Ebenen stattfindet.
Bei komplexen technischen Systemen, die Betrachtungsgegenstand der Ingenieurwissenschaften sind und in der Energiewirtschaft geht es bei der Resilienz vor allem um die Ausfall-Sicherheit. Wenn Teilbereiche des Systems ausfallen, bleibt ein ausreichend resilientes System insgesamt weiter funktionsfähig und kann die angeforderten Systemleistungen weiter erbringen. Besonders gut kann man das im Bereich der Energiewirtschaft erkennen, wo Resilienz eine der wichtigsten Anforderungen an das System selbst ist. Dem geltenden N-1-Prinzip zufolge kann dabei jedes wesentliche Systemelement ausfallen. Das System ist so robust angelegt, dass Reservekapazitäten den Ausfall komplett kompensieren können und auch unter gewöhnlicher Volllast die gesamte Systemleistung erbringen können. Diese Reservekapazitäten sind redundant vorhanden, arbeiten im Normalbetrieb nicht oder nur wenig und übernehmen nur bei Bedarf.
Der Aufwand, Systeme so robust aufzubauen, ist natürlich entsprechend hoch. Die zahlreichen, nicht arbeitenden Reservekapazitäten müssen angeschafft, gewartet und instandgehalten werden. Das System ist zwar sicherlich höchst robust, aber durch die hohe Redundanz mit Sicherheit nicht kosteneffizient. Übertragen auf eine Depot-Situation würde das bedeuten, dass man jede einzelne Position der diversifizierten Anlage mit einer eigenen Sicherung (z.B. über entsprechende Optionsscheine) versieht. Das würde relativ viel Geld kosten (auch im laufenden Betrieb, wie bei den Wartungskosten eines technischen Systems), aber natürlich auch ein entsprechendes Maß an Sicherheit bieten. Ob sich so etwas als Kleinanleger finanziell noch lohnt oder vom Aufwand her vertretbar ist, ist allerdings fraglich.
In der Psychologie bedeutet Resilienz die Widerstandsfähigkeit eines Individuums gegenüber Krisen. Das Eintreten einer Krise setzt zwar eine Stressreaktion in Gang, verändert das Individuum in seiner inneren Organisation aber nicht grundlegend und dauerhaft. Nach dem Abklingen der Krise werden die ursprünglichen Pläne wieder aufgenommen und fortgeführt, die Werte und auch die innere Haltung sowie die geistige Gesundheit haben sich nicht dauerhaft verändert. Die Soziologie dehnt den Begriff auf ganze Gesellschaften und Gesellschaftsmodelle aus, die durch ein Krisenereignis nicht völlig auseinandergerissen werden, sondern auch nach dem Krisenereignis nach den gleichen grundlegenden Organisationsregeln wieder weiterfunktionieren. Ganz ähnlich wird das auch in der Ökosystemforschung betrachtet, wo nach eintretenden Schadensereignissen ein betrachtetes Ökosystem wieder in seinen ursprünglichen Organisationszustand zurückkehrt. Etwaige Anpassungen an eine nach der Krise dauerhaft veränderte Umgebungssituation sind davon natürlich ausgenommen. Das sind ohnehin sinnvolle Anpassungen.
Auf den Bereich der Geldanlage übertragen bedeutet das, dass man während der Krise nicht panisch alles von sich wirft, sondern die Krise zunächst einmal aussitzt, den Schaden zur Kenntnis nimmt, außer man kann ihn zeitweilig direkt begrenzen. Nach dem Abklingen der Krise nimmt man seine Anlage wieder mit der gleichen Gestaltung in Betrieb, die sie auch vor der Krise bereits hatte und macht ganz einfach da weiter, wo man beim Eintritt der Krise aufgehört hat. Es geht, als Strategie formuliert, also um ein „Aussitzen“ der Krise. Veränderungen am Depot werden nur vorgenommen, wenn sich nach der Krise in einem Bereich eine dauerhaft veränderte Situation einstellt oder in einigen Bereichen bleibende Veränderungen klar erkennbar sind.
Veränderungen und Krisen mit unternehmerischem Ansatz begegnen
Für Unternehmen sind Krisen nicht selten ganz schnell existenzbedrohend. Risikomanagement ist deshalb eine der wichtigsten unternehmerischen Disziplinen. Aus diesem Grund wurden schon früh eine Vielzahl von Strategien entwickelt, um bestehenden Risiken möglichst gut zu begegnen und sich gleich auf mehreren Ebenen vorzubereiten. Wer sich ein wenig ernsthafter mit seiner Anlage beschäftigt oder größere Summen anlegt, findet darin ein sehr gutes Vorbild für eine sinnvolle Vorgehensweise beim Erhöhen der Resilienz der eigenen Geldanlage.
Die unternehmerischen Resilienz-Strategien teilen sich dabei in zwei grundlegende Ebenen auf: in die proaktive und die reaktive Ebene.
Die reaktive Ebene umfasst alle Maßnahmen, die vor allem der Robustheit des Systems dienen. Hierzu gehören wichtige Absicherungen und die Schaffung von zusätzlichen Standbeinen, die im Krisenfall genutzt werden können. Auch die Erhöhung der Resistenz gehört in diesem Bereich dazu. Auf die Anlagesituation übertragen würde das bedeuten, vor allem auf solche Anlagen zu setzen, die grundsätzlich eher krisenfest sind. Hier gehört natürlich etwas Augenmaß und ein wenig Nachdenken dazu, um sein Anlage-System entsprechend zu gestalten.
Auf der proaktiven Ebene geht es vor allem darum, sich schon im Vorfeld zu überlegen, wie man aus sich anbahnenden oder stattfindenden Krisen am besten Kapital schlagen kann. Das setzt voraus, dass man sich schon im Vorfeld mit den wahrscheinlichsten Krisen gründlich auseinandersetzt und sich überlegt, wo sich dabei gewinnbringende Potenziale oder Vorteile bieten könnten. Wenn man das immer erst dann macht, wenn Krisen bereits eingetreten sind, kann das oft zu spät sein. Die Strategien sollte man möglichst zuvor schon entwickelt und idealerweise auch getestet haben, damit man im Krisenfall die entsprechende vordefinierte Strategie nur noch in Gang setzen muss. Dadurch kann besonders schnell und effizient reagiert werden, die Vermeidung von Zeitverlusten bei der Umsetzung kann dann oft auch helfen, finanzielle Verluste zu vermeiden und das erlangte Gewinnpotenzial aus der Strategie bestmöglich und in größtmöglichem Umfang auszunutzen.
Wichtig ist auch, im Vorfeld Strategien festzulegen, die es ermöglichen, nach Rückschlägen oder Verlusten so schnell wie möglich wieder die Leistung des Ausgangszustands zu erreichen. Was dafür tauglich sein kann, hängt weitgehend von den eigenen Anlagewerten und der Art und der Größe des Portfolios ab, hier ist also immer eigene Planung gefragt.
Eine weitere, sehr proaktive Strategie ist ständiges Lernen. Indem man immer wieder gründlich analysiert, was man tut und welche Auswirkungen in einzelnen Situationen das eigene Handeln hat, lernt man sehr gut, Umstände richtig einzuschätzen. Dazu gehört natürlich auch, eigene Fehler zuzugeben, anzuerkennen, dass eine getroffene Entscheidung falsch oder zumindest suboptimal war und die sich daraus ergebende Erkenntnis abzuspeichern. Aus unterschiedlichsten – auch negativen – Situationen oder Entscheidungen zu lernen ist eine wichtige Strategie, um im Krisenfall auf solides Wissen zurückgreifen zu können. Sein Lernen kann man dabei noch deutlich effizienter gestalten, indem man auch aus den Fehlern lernt, die andere gemacht haben, also neutral und wertfrei die Anlageentscheidungen von anderen analysiert.
Hohe Resilienz ist wichtig und unverzichtbar
Ob man lediglich auf Robustheit (umfassende Absicherung der wichtigsten Anlagewerte mit geeigneten Methoden) oder auf ein reines „Aussitzen“ von Krisenzeiten bei grundsätzlich unverändertem Portfolio setzt – oder ob man doch eine Reihe proaktiver und reaktiver Strategien für sein Portfolio entwickelt, hängt immer vom jeweiligen Portfolio, vom eigenen Wissen und vor allem vom eigenen Willen zur Absicherung ab.
Grundsätzlich sollte man als Anleger aber alles dafür tun, was einem möglich ist und sinnvoll erscheint, um die Resilienz der eigenen Anlage so weit wie möglich zu erhöhen. Es ist der Bereich, für den wir als Anleger ganz allein verantwortlich sind. Hohe Resilienz hilft aber, Krisen besser zu überstehen und ihnen insgesamt gelassener entgegenzublicken. Denn kommen werden neue Krisen auf jeden Fall. Krisen und Veränderungen gehören einfach zum Leben, das lässt sich nicht verhindern. Wie widerstandsfähig wir uns dagegen machen, liegt aber allein an uns selbst.