Nun ist es geschehen, ein bisheriges Tabu ist gebrochen. Der Leitzins der EZB beträgt: genau 0,0 %. Bei vielen Anlegern macht sich dabei irgendwie ein mulmiges Gefühl breit, ohne eigentlich genau zu wissen, warum. Irgendwie erscheint das – einfach nicht gut. Was es mit Leitzins und Inflation tatsächlich auf sich hat, und wie sich beides auf Anlagen und auf die Börse auswirkt, wollen wir deshalb in diesem Beitrag einmal etwas näher beleuchten. Und herausfinden, ob das mulmige Gefühl tatsächlich gerechtfertigt ist.
Was ist der Leitzins überhaupt?
Eine Zentralbank (zum Beispiel die EZB in Europa, oder die Fed in den USA, aber auch die Chinesische Volksbank oder die Schweizerische Nationalbank) können in ihrem jeweiligen Wirkungsbereich Zinssätze festlegen, zu dem sich die ihr angeschlossenen Banken Geld von ihr leihen können.
Das klingt auf den ersten Blick erst einmal sehr theoretisch – die wichtigen Auswirkungen von Änderungen sind allerdings klar, wenn man einmal etwas genauer darüber nachdenkt: Je nachdem wie günstig oder teuer Banken an Geld von der Zentralbank kommen, wird sich auch ihr Verhalten als Geldgeber beeinflussen. Wenn das Aufnehmen von Geld für die Banken unterschiedlich teuer ist, werden sie sich auch entsprechend verhalten. Das hat dann wiederum Auswirkungen auf die Geschäfte von Banken untereinander, aber auch auf die Volkswirtschaft insgesamt. Banken, die sich leicht und sehr günstig Geld aufnehmen können, sind in der Regel auch kreditfreudiger – und damit gelangt mehr frisches Geld in die Wirtschaft.
Veränderungen an den Leitzinsen sind daher ein geldpolitisches Instrument (genau genommen sogar das Wichtigste), um die Wirtschaft und vor allem das Wachstum anzukurbeln. In der Fachsprache unterscheidet man dabei von einer “kontraktiven” (zusammenziehenden) Wirkung auf die Volkswirtschaft bei hohen Leitzinsen und von einer “expansiven” (erweiterenden, wachstumsfördernden) Wirkung der Leitzinsen, wenn sie sinken.
Den Leitzins kann der EZB-Rat nach eigenem Ermessen festsetzen (sollte dabei aber natürlich entsprechendes Augenmaß behalten, und die Konsequenzen möglichst genau abschätzen).
Weitere Auswirkungen von Leitzinsänderungen
Die Verbilligung oder Verteuerung der Geldaufnahme für Banken bei der Zentralbank ist nur die direkte, unmittelbare Folge von Leitzinsänderungen, die über die Banken dann an die Volkswirtschaften weitergeht. Daneben passieren auch noch einige weitere Dinge, wenn sich die Leitzinsen ändern.
Die Geldmenge, die sich im Umlauf befindet, kann durch die Leitzinsen ebenfalls beeinflusst werden, allerdings nur indirekt. Wenn die Leitzinsen erhöht werden, verringert sich nach kurzer Zeit die im Umlauf befindliche Geldmenge. Über einige komplizierte Zusammenhänge wird dann auch eine Veränderung des Werts der Währung (Außenwert) erreicht. Eine Erhöhung der Leitzinsen führt zu einem Anstieg des Werts einer Währung (beispielsweise des Euro) – dadurch werden dann Exporte verteuert, die Importe aber verbilligt (weil man ja über ein Zahlungsmittel mit höherem Wert verfügt, Kunden mit anderen Währungen aber vergleichsweise mehr Geld aufbringen müssen, um die europäischen Produkte bezahlen zu können). Für die Wirtschaftslage, insbesondere im Exportbereich, ist das klarerweise nicht sehr förderlich. Bei einem Senken der Leitzinsen passiert genau der umgekehrte Effekt.
Leitzins und Inflation
Über die Geldmenge kann man demnach aber auch auf die Inflation einwirken. Unter Inflation versteht man das Ansteigen von Preisen innerhalb einer Volkswirtschaft. Das ist ein an sich positiver Effekt (wenn er klein bleibt, selbstverständlich). Eine “Aufwertung” des Geldes (Deflation, also sinkende Preise) sollen aber möglichst vermieden werden. Sie gelten als ein negatives Zeichen. Wenn die Preise zu fallen beginnen (so wie jüngst), werden Leitzinssenkungen getätigt, um mehr “billiges” Geld in Umlauf zu bringen, und damit die Wirtschaft anzukurbeln und mehr Wachstum zu fördern.
Ziel der meisten Zentralbanken ist heute eine hohe Preisniveaustabilität im Sinn des sogenannten “magischen Vierecks”. Dabei sollen vier Ziele gleichmäßig erreicht werden:
- ein stabiles Preisniveau für Konsumgüter
- ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht (Exporte – Importe und deren Preisniveau)
- ein möglichst hoher Beschäftigungsstandard
- ein stetiges und “angemessenes” Wirtschaftswachstum
Dieses Viereck scheint in vielen Fällen schon beinahe wörtlich der Quadratur des Kreises zu gleichen. In einem gewissen Rahmen ist das aber erstaunlicherweise durchaus machbar, wenn man geldpolitisch mit den richtigen Maßnahmen zur richtigen Zeit einwirkt.
Was bedeutet der Leitzins nun für Anleger?
Insbesondere Börsen reagieren sehr sensibel auf geldpolitische Maßnahmen, auch viele Indices zeigen eine hohe Sensitivität für Leitzinsänderungen. Dahinter steht eine sehr einfache Logik: mehr billiges Geld und eine Geldpolitik, die generell auf Wachstum zielt, lässt häufig die Kurse von Aktien steigen. Immerhin erwartet man ja eine bessere wirtschaftliche Umgebung für Unternehmen, und dass sie dem allgemeinen Trend zum Wachstum folgen. So weit ist eine Senkung der Leitzinsen also für viele Anleger an der Börse ein sehr gutes Signal.
Für alle Anleger, die vor allem von “Haben-Zinsen” profitieren (also etwa bei einem Sparbuch) gibt es dagegen Enttäuschungen. Mit einem Sinken der Leitzinsen nehmen die Banken den “Haben-Zinssatz” in der Regel sehr schnell zurück. Hier kann man also mit Einbußen rechnen, wenngleich die Angebote der Banken stark unterschiedlich sein können. Aus diesem Grund lohnt in jedem Fall ein Zinsvergleich mit unserem Vergleichsrechner Soweit sind die Zusammenhänge ja klar.
Dass günstigere Kredite eine sehr billige Finanzierung von Anleiheobjekten auch für kleinere Anleger kostengünstig machen können, ist daneben ein weiterer Effekt. Allerdings muss man hier fairerweise sagen, dass sich die Kreditzinsen in den letzten Jahren nicht immer ganz exakt an den Leitzins gehalten haben – trotz niedriger Leitzinsen müssen Kredite nicht immer und überall entsprechend billiger werden. Wie auch bei den Guthabenzinsen, gibt es auch bei den Kreditzinsen stark verschiedene Angebote für den selben Kredit. Auch hier lohnt ein Vergleich mit unserem Vergleichsrechner und somit das einholen vor mehreren Angeboten – Sie werden von den verschiedenen Zinssätzen für ein und denselben Kredit überrascht sein!
Was man außerdem noch bedenken sollte: Nur allein, weil eine Immobilie günstig zu finanzieren ist, wird sie damit nicht automatisch zu einem guten Anlageobjekt. Diesem Irrtum sind leider in der Vergangenheit schon einige Anleger aufgesessen. Eine gute Immobilie mit soliden Wertsteigerungen zu finden, erfordert Erfahrung und eine solide Auswahl. Nur der günstige Anschaffungspreis allein ist hier eindeutig zu wenig.
Wie geht es nun weiter?
Nun, all die beschriebenen Effekte sind erst einmal die kurzfristigen Effekte. Man muss sich natürlich auch langfristig die wirtschaftliche Entwicklung ansehen – und die Auswirkungen, die die Leitzinssenkung auf eine Wirtschaft hat. Wenn sie greifen, und sich das Wirtschaftswachstum tatsächlich erhöht, freuen sich natürlich auch die Anleger an der Börse noch weiter, weil den anfänglichen Kurssteigerungen dann tatsächlich solide Wertzuwächse folgen, und weiterhin Gewinne an den Aktienwerten möglich erscheinen. Aus diesem Grund fragen sich immer mehr und mehr Kleinanleger, wie man eigentlich in Aktien investieren kann und ob diese Anlageform überhaupt für Kleinanleger in Frage kommt. Übrigens. Ihre eigenen Kosten für ein neu eröffnetes oder bestehendes Depot können Sie auch reduzieren, indem Sie unseren Börsenvergleichsrechner benutzen!
Auch die Sparer mit ihren Sparbüchern werden sich irgendwann wieder freuen, wenn die Leitzinsen steigen, weil die Wirtschaft wieder läuft. In der Regel steigt dann auch der Sparzins wieder.
Tut sich langfristig allerdings nichts, wird es schwierig. Der Leitzins wurde in den letzten Jahren kontinuierlich gesenkt, und befindet sich nun am Nullpunkt. Das heißt, es gibt in dieser Weise kein weiteres Instrument mehr, um die Wirtschaft auf diesem Weg noch anzukurbeln (es gibt allerdings noch einige andere Instrumente der Zentralbanken, die auch gerade zusätzlich eingesetzt werden). Zwar gibt es auch die Möglichkeit, Leitzinsen in den negativen Bereich hinein zu verschieben, aber so richtig will das niemand. Das wird wohl wirklich das aller-allerletzte Mittel bleiben, einen Leitzinssatz von – 1 % oder so festzusetzen. Wir werden einfach sehen, wie sich die Wirtschaft im Laufe dieses Jahres entwickelt – und uns derweil über die steigenden Börsenkurse freuen.