Eingefleischten Kapitalismus-Gläubigen kommt der Satz immer wie geschmiert über die Lippen: „Das regelt dann schon der Markt“. Es würde zwar keinen Sinn machen, mitten in einem marktwirtschaftlichen System gerade die Wirksamkeit von marktwirtschaftlichen Gegebenheiten in Frage stellen zu wollen. Immerhin leben wir nicht nur mit, sondern weitestgehend auch von diesem System. In allzu großen naiven Optimismus und sorglose „Das-wird-schon“-Haltung sollten wir aber trotzdem nicht verfallen. In vielen Fällen regelt es der Markt nämlich tatsächlich nicht, jedenfalls nicht von ganz allein. Als deutlich redendes Beispiel dafür wollen wir zwei gerade sehr aktuelle Themen beleuchten: die von vielen als das einzig sinnvolle Mittel für den Klimaschutz gepriesene CO2-Bepreisung – und die aktuelle Situation der Auto-Industrie.
Der Marktmechanismus
Der zunächst grundlegende Marktmechanismus, den wir alle kennen, ist der von Angebot und Nachfrage. Wenn eine Ware knapp ist, aber eine hohe Nachfrage nach ihr besteht, steigt der Preis. Ist dagegen ein Überfluss an einer bestimmten Ware vorhanden und bleibt die Nachfrage danach eher gering, fällt der Preis. Dabei machen wir allerdings oft schon gedanklich den Fehler, nicht immer auf beide Bedingungen zu schauen. Eine hohe Nachfrage allein treibt den Preis noch nicht sonderlich nach oben. Erst eine einsetzende Verknappung oder die Verringerung des Überflusses im Bereich des verfügbaren Angebots bringt den Preis wirklich in Bewegung. Es müssen also immer beide Kriterien erfüllt sein, damit sich beim Preis etwas bewegt. Das sollten wir nie missachten.
Was wir auch gerne in der oberflächlichen Betrachtung übersehen ist, dass der Preis umgekehrt auch wieder Angebot und Nachfrage mit beeinflusst. Alle drei Kriterien, also Angebot, Nachfrage und Preis stehen miteinander in ständiger Wechselwirkung und bedingen sich immer gegenseitig. Da wird es gedanklich also schon deutlich komplizierter.
Ausgehend von diesem grundlegenden Marktmechanismus, der immer einen (labilen) Gleichgewichtszustand zwischen Angebot, Nachfrage und Preis anstrebt, müssen wir noch zusätzlich eine ganze Reihe an Störfaktoren mit berücksichtigen. Der Marktmechanismus gilt uneingeschränkt nur auf einem idealen Markt, auf dem sich zudem die angebotenen und die nachgefragten Gütermengen immer nur wenig ändern. Solche Märkte (vollkommener oder idealer Markt, auch Polypol genannt) gibt es in der Realität kaum.
Als weitere „Störfaktoren“ kommen dann auch noch veränderte Randbedingungen zum Tragen, die oft mit dem eigentlichen Markt nichts zu tun haben. Wenn sich etwa durch eintretende Umstände die Löhne der Bürger plötzlich signifikant erhöhen, werden auf einmal in allen Märkten deutlich mehr Güter nachgefragt. Das hat mit dem einzelnen Markt selbst zunächst direkt nichts zu tun, sondern betrifft die Marktumgebung. Wenn in einer Krise aus einer – nicht rationalen – Interessenlage heraus plötzlich das Kaufinteresse und damit die Nachfrage nach Toilettenpapier durch die Decke geht, hat der Markt oft nicht die Kapazität, im gleichen Maß mit einer Preisanpassung zu reagieren. Dadurch wird die Wirkungsweise des Mechanismus aber bereits verzerrt. Toilettenpapier wurde nicht über Nacht zehnmal so teuer. Weder auf der Rohstoff- noch auf der Hersteller-Ebene gab es Anpassungen, weil das Ereignis mit dem Toilettenpapier-Markt an sich in keinerlei Zusammenhang stand oder Auswirkungen darauf hatte. Es handelte sich einfach nur um eine plötzliche, irrationale Veränderung der grundlegenden Interessenlage. Der Marktmechanismus ist lediglich ein grundlegendes Prinzip hinter dem wirtschaftlichen Handeln, das einmal mehr und einmal weniger zutrifft. Die ökonomisch Handelnden sind allerdings Menschen, die nur in „Normalsituationen“ zumindest häufig vorhersehbar reagieren.
Ein anderes Beispiel wäre etwa der „Snob-Effekt“. Wenn Güter plötzlich sehr teuer werden, sodass nur noch wenige sie sich leisten können, kann genau das die Nachfrage ankurbeln. Weil alle plötzlich genau dieses Luxus-Gut unbedingt haben wollen, da es „exklusiv“ ist. Im mittleren, erschwinglichen Preisbereich wäre die Nachfrage dann oft deutlich geringer. Als Ausgleich für die Beschaffung des Luxusguts geht dafür dann die Nachfrage in anderen Bereichen zurück, damit Menschen sich das Luxusgut leisten können. Ohne dass das mit den jeweiligen Märkten irgendetwas zu tun hätte. Oder die Anbieter auf diesen Märkten auch nur irgendetwas dagegen tun könnten.
Auch hier sind die wirtschaftlichen Akteure eben Menschen, die eine bestimmte (wirtschaftlich irrationale) Interessenlage verfolgen – und nicht einfach Rädchen in einem immer gleich ablaufenden, automatischen Mechanismus. Der grundlegende Marktmechanismus ist dabei also nicht immer das alleingültige, völlig und umfassend berechenbare Wirkprinzip. Dem in jeder Lage blind zu vertrauen wäre ziemlich naiv.
Auch politische Entscheidungen und Wirtschaftspolitik im Allgemeinen kann man als Störfaktor ansehen. Im Fall einer sozialen Marktwirtschaft werden etwa geltende Marktmechanismen ganz bewusst ausgehebelt oder umgangen, um Menschen das Leben zu erleichtern und sie sozial gleichzustellen. Die Nachfrage wird immer ganz wesentlich davon bestimmt, wie viele Menschen überhaupt nachfragen können, also sich etwas leisten können. Eigentlich müsste – streng dem Marktmechanismus nach – auch die Bezahlung von Löhnen nach den Gesetzen des Marktmechanismus geregelt werden. Hohe Nachfrage nach der Arbeitsleistung eines einzelnen = hohes Gehalt. Dann hätten allerdings viele Menschen überhaupt kein Geld mehr in der Tasche, weil sie ihre Arbeitsleistung überhaupt gar nicht anbieten – und damit natürlich auch keine Nachfrage danach besteht, nach der sich der Wert der ihnen zugestandenen Zahlungen bemessen lassen würde. Das ist natürlich ein unhaltbarer Zustand. Darum gibt es Renten, Hartz 4 und eine Fürsorgepflicht der Eltern für ihre Kinder. Damit auch diese Menschen Geld ausgeben und ihr Lebensunterhalt gesichert ist, auch wenn aus marktmechanischen Gesichtspunkten keine Nachfrage nach ihrer Leistung besteht.
Dahinter steht auch die Regel: „Ein Ansteigen der Kaufkraft führt zu einem Anstieg der Nachfrage auf allen Märkten“. Das stimmt aber ebenfalls nicht immer und unbesehen in jeder Situation und bei allen. In Krisenzeiten und bei gefühlter wirtschaftlicher Unsicherheit führt eine höhere Kaufkraft bei den Bürgern oft auch nur zu höheren Sparraten. Und manchmal steigen zwar Löhne oder Sozialausgaben – aber der Konsum geht trotzdem zurück. Auch diese Regel ist nur eine Faustregel, die vielleicht manchmal gilt. Aber es ist ganz sicher kein ehernes, unumstößliches Gesetz, wie der Staat oft schon schmerzhaft feststellen musste. Wo er sich aber meist schwer tut, das zu akzeptieren, wenn man sich die Wirtschaftspolitik und ihr Instrumentarium so ansieht. Nach der Corona-Krise will man auch wieder „den Konsum der Bürger anfachen“, wie Scholz das formulierte. Wir werden sehen.
Neben diesen „großen“ Einflüssen kommt es natürlich ständig und andauernd zu kleineren „Störungen“, die kurzfristig den Marktmechanismus immer wieder einmal aushebeln. Wobei in der Folge Preisentwicklung, Angebotsentwicklung und Nachfrageentwicklung dem Prinzip zuwiderlaufen.
CO2-Bepreisung als Beispiel dafür, dass der Markt es nicht allein regelt
Von vielen – auch von vielen namhaften Experten – wurde ein Emissionshandel und eine CO2-Bepreisung als Allheilmittel für einen sich praktisch von selbst einstellenden Klimaschutz gepriesen. Mit dem altbekannten Argument, dass der Markt „das schon regeln wird, weil er ja praktisch muss“. Nun – tut er anscheinend nicht.
Schon die ersten Vorboten der sich abzeichnenden Corona-Krise, der bevorstehenden Ausgangsverbote in vielen Ländern und der Ladenschließungen haben den CO2-Preis in ein tiefes Loch fallen lassen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil wegen der verringerten Nachfrage nach Erdöl die Ölpreise sehr schnell gefallen sind. Um das Ausmaß dieses Absturzes zu verdeutlichen: Der Kurs von CO2-Zertifikaten bewegte sich innerhalb von nur wenigen Tagen von 24 Euro für die Tonne CO2 auf nur noch 16 Euro für die Tonne. Bei solchen Preisen für CO2 darf getrost davon ausgegangen werden, dass die ganze Aktion keine wie auch immer geartete Lenkungswirkung mehr entfaltet.
Gesetzlich war das eigentlich anders geplant. Um den Markt zum „Regeln“ zu veranlassen, sollte die Obergrenze für die verfügbare Menge an Zertifikaten kontinuierlich gesenkt werden, sodass im Lauf der Zeit insgesamt immer weniger Zertifikate verfügbar wären. Getreu dem grundlegenden Prinzip des Marktmechanismus sollte eine solche künstlich hergestellte Verknappung den Preis für CO2-Zertifikate laufend und kontinuierlich ansteigen lassen. Das wiederum sollte dazu führen, dass bei steigenden CO2-Preisen Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen dazu übergehen würden, immer weniger CO2 auszustoßen. Das hat man allen als völlig logisches Allheilmittel verkauft, das ja selbst dem Dümmsten einleuchten müsste. Nun – es ist grandios fehlgeschlagen. Wer heute noch (wie einige Experten) steif und fest behauptet, CO2-Zertifikate seien immer noch ein „sehr wirksames Klimaschutzinstrument“, gehört dann wohl vermutlich auch zu denen, über deren dummen Unverstand er sich zuvor unablässig aufgeregt hat.
Die sinkenden Ölpreise führen nun auch dazu, dass die steuerliche Lenkungswirkung bei den Bürgern völlig ins Leere läuft. Trotz addierter CO2-Steuer ist Benzin nun deutlich billiger als zuvor – was natürlich genau niemanden vom Tanken abhält.
Was aber tatsächlich gewirkt hat, ist eine Verringerung des Konsums und des Verkehrs. Die vergleichsweise geringen Einschränkungen bei der Güterproduktion und beim privaten Verkehr haben zu nahezu unglaubliche Veränderungen an den Schadstoffwerten und der Verschmutzung unserer Welt bewirkt. In lediglich ein paar Wochen. Wirtschaftlich ist das möglicherweise nicht gesund – zu den derzeitigen Gegebenheiten. Es zeigt aber, dass der viel gescholtene „Konsumverzicht“ tatsächlich genau so wirksam ist, wie seine (ebenfalls von der Wirtschaft viel gescholtenen) Befürworter immer schon behauptet haben. Ein klein wenig Beschränkung hat enorme Ausmaße – und genau diese Ausmaße machen jetzt leider eben unseren Marktmechanismus komplett kaputt. Die Welt ist plötzlich zu sauber – und das Spiel mit dem Marktmechanismus hat schon aufgehört zu funktionieren. Diesen Effekt hat nämlich leider niemand der klugen Wirtschaftswissenschaftler „eingepreist“, die fest daran glauben, dass der Markt alles regelt. Nun ja – Versagen und Versäumnis sollte man nicht immer den Umweltschützern vorwerfen, sondern sich mal selbst an der eigenen Nase nehmen. Immerhin ist man ja Experte.
Was den Bürger freut ist dagegen für viele Ölkonzerne – und gleichzeitig für viele Staaten, die fast komplett vom Ölexport abhängen – ein Katastrophen-Szenario. Es geht die Wirtschaft dieser Länder bankrott, was niemand zulassen kann. Fängt man – um den drohenden Zusammenbruch zu verhindern – nun aber die Öl- und Gaskonzerne mit Rettungspaketen in ihrem Niedergang ab, hat man genau das Gegenteil von Klimaschutz bewirkt. Eine Hinwendung zu höheren Quoten an alternativen und umweltschonenden Energieträgern erreicht man damit nicht – sondern exakt das Gegenteil. Umgekehrt könnten die Staaten der Welt nun natürlich den Mut haben, die fossile Wirtschaft eben einfach zusammenbrechen zu lassen und massive Investments direkt in den Ausbau alternativer Energieformen zu tätigen, um das aufzufangen. Wie groß die Bereitschaft zu solchem Handeln insgesamt in den meisten Staaten aktuell wäre – ja auch nur die Bereitschaft, darüber nachzudenken – kann wahrscheinlich jeder beurteilen, der auch nur einmal in der Woche Nachrichten liest.
Der Marktmechanismus hat also auf ganzer Linie versagt und sich als völlig ungültig herausgestellt. Ist er nicht. Aber die unterschiedlichen, marktunabhängigen Interessenlagen der wirtschaftlichen Akteure führen dazu, dass er wiederholt komplett ausgehebelt wird und gar nicht wirken kann. Wenn er anfängt zu wirken, wird er brutal abgewürgt. Der Markt regelt das also nicht. Dafür umso mehr die Politik mit ihren Traumvorstellungen von einer Welt, in der sich nur ja nichts ändern darf, was schon in der Wirtschaftswunder-Kindheit der heutigen Politiker so war. „Angst essen Marktmechanismus auf“, könnte man da frei nach Rainer Werner Fassbinder titeln. Oder vielleicht auch noch ein paar andere, ungesunde Emotionen.
Beispiel Nummer 2: Was wird eigentlich aus der Automobilindustrie in der nahen Zukunft?
Über die Bedeutung der Autoindustrie für die Wirtschaft unseres Landes brauchen wir hier nicht zu reden. Man hat es uns Jahrzehnte lang eingetrichtert. Die Automobilindustrie hat die zentrale Bedeutung für Wohlstand und Beschäftigung in unserem Land. Man kann das auf der Seite des BMWi auch noch immer lesen. Dazu, dass 820.000 Personen direkt in der Autoindustrie arbeiten, fast drei Viertel der Wertschöpfung werden dem BMWi zufolge in Deutschland erwirtschaftet und zwar von vorwiegend mittelständischen Zulieferbetrieben. Die weltweite Nachfrage nach deutschen Fahrzeugen ist dem Wirtschaftsministerium zufolge deshalb so hoch, weil hier eine Innovationsführerschaft besteht und mehr Geld in Forschung und Entwicklung gesteckt wird, als bei japanischen oder amerikanischen Fahrzeugherstellern. Und damit wären die deutschen Fahrzeughersteller „weltweit Impulsgeber für Produkt- und Prozessinnovationen“. Gut, wir haben es verstanden. Autoindustrie ist wichtig hierzulande und ihr gilt das volle Augenmerk von Politik und Wirtschaftsunternehmen.
Nun werfen wir einmal einen Blick auf die Realität. Praktisch jeder deutsche Hersteller hat mit einigen oder sogar allen Modellen die geltenden Emissionsrichtlinien in betrügerischer Absicht unterlaufen. Das hat schon in der Vergangenheit zu nicht unbeträchtlichen Verwerfungen geführt und zu ziemlichen finanziellen Schäden an den deutschen Glanzkandidaten. In Sachen E-Mobilität ist man nicht so ganz auf der Höhe der Zeit, das können andere bereits bedeutend besser. Die Quote von einigermaßen vernünftigen und dabei auch erschwinglichen Elektrofahrzeugen geht praktisch gegen Null. Dafür hat das weltweit einzigartig hohe Forschungsbudget dann offenbar doch nicht so wirklich gereicht. Macht aber nichts, uns würden ohnehin die Stromtankstellen auf dem Weg fehlen.
Wenn wir gesamtwirtschaftlich aus der Krise finden wollen, werden wir nach der Corona-Zeit sehr viele Subventionen benötigen, um die Wirtschaft wieder ein wenig anzukurbeln. Der Staat muss dann sparen und genau hinsehen, wo er seine verfügbaren Mittel einsetzt. Die Förderung der Verkehrswende wird dabei sicherlich nicht das erste Ziel im Maßnahmenkatalog sein. Insbesondere deshalb, weil wir für E-Mobilität ja zunächst einmal ein entsprechend großes Stromtankstellen-Netz brauchen würden, damit man die vielen E-Autos dann überhaupt sinnvoll nutzen kann. Das kostet eine ganze Menge Geld, das zu diesem Zeitpunkt wohl keiner in die Hand nehmen möchte. Nicht, wenn wir uns mit dem Gedanken anfreunden müssen, zunächst einmal mindestens 1 Billion Euro in das Wiedererwachen der Gesamtwirtschaft nach der Krise aufbringen zu müssen – höchstwahrscheinlich auf längere Sicht sogar noch deutlich mehr.
Dazu kommt, dass ein solcher Wandel auch damit einhergehen müsste, dass dieser den Strukturwandel in der Automobilindustrie finanziell abfedert. Insbesondere den Wegfall von Arbeitsplätzen und im Gefolge hohe Sozialkosten bei den (dann ehemaligen) Mitarbeitern. Das bedeutet eine weitere möglicherweise schwere Kostenbelastung für den Staat. Im Gegenzug müssen die bis jetzt schon ausgegebenen Gelder allerdings auf irgendeine Weise auch wieder hereingebracht werden. Was bedeutet, dass die Subventionen für die Wirtschaft, die nicht dringend benötigt werden, geringer ausfallen und auch bei den Bürgern im Portemonnaie nicht gerade der große Geldregen eintreffen wird. Die wirtschaftlichen Verwerfungen im Zuge der Corona-Krise, Jobverluste, Kurzarbeit und in Zukunft wieder höhere Steuereinnahmen, die der Staat zum Ausgleich erwirtschaften muss werden sicherlich für eine Veränderung der Kaufkraft bei der Masse der Bürger sorgen. Die werden ihr Geld dann wohl eher zusammenhalten und es höchstwahrscheinlich nicht ausgerechnet in eine völlig neue und von vielen auch in Frage gestellte Automobiltechnologie investieren. Soweit reicht das volksweite Bekenntnis zu mehr Klimaschutz dann eindeutig doch nicht. Schon gar nicht, wenn auch noch praktisch die komplette Infrastruktur fehlt.
Aber auch die Absätze bei den herkömmlichen Fahrzeugen werden in Zukunft deutlich zurückgehen. Die Zeit des Wachstums mit den altbewährten Produkten ist ganz sicher vorbei, auch weltweit. Der Verlust an Kaufkraft bei vielen Menschen ist sicherlich ein weltweites Phänomen, kein deutsches. Damit brechen nicht nur die heimischen Absatzzahlen, sondern bestimmt auch die globalen Absatzzahlen ein. Das wird dazu führen, dass Automobilkonzerne ganz sicher nicht bereit sind, das Weniger an Geld nun ausgerechnet in die Entwicklung von völlig neuen Produkten für einen zutiefst unsicheren Markt zu investieren. Ein weltweiter Technologiewechsel würde zwar enormes Gewinnpotenzial bergen (immerhin würde dabei quasi jedes auf der Welt fahrende Fahrzeug in den nächsten Jahren durch ein neues ersetzt werden). Das Risiko, dass das fehlschlägt, ist allerdings enorm. Die Tatsache, dass niemand sich traut, ein solches Wagnis einzugehen, wenn ohnehin schon unklar ist, wie die Umsätze im nächsten Jahr aussehen werden, kann man niemandem verdenken. Solche Vorleistungsinvestitionen, wie sie dafür nötig sind, mag einfach niemand angesichts dieses Risikos aufbringen.
Eine Krise hat sich durch stagnierende Absatzmärkte auch schon zuvor abgezeichnet, die wirtschaftlichen Probleme vieler bis dahin sehr wirtschaftsstarken Zulieferbetriebe hat auch die Automobilindustrie als Ganzes in die Krise gedrückt. Das Einschlagen der Pandemie hat diesen deutschen Leuchtturm-Unternehmen, an denen vielfach auch der Staat in hohem Maß beteiligt ist, dann urplötzlich buchstäblich den Boden unter den Füßen weggezogen. Auch den, auf dem sie zukünftig ihre Produkte verkaufen wollten. Wirtschaftlich schwach laufen sie nun aber sogar noch Gefahr, von Unternehmen, die die Krise besser gemeistert haben, irgendwann einfach aufgekauft zu werden. Es wird nicht lange dauern, bis die Geier über den angeschlagenen Unternehmen mit wenig Zukunftsperspektive kreisen werden.
Aus der Sicht des Marktmechanismus wäre es ganz einfach. Unternehmen satteln um, stellen zunächst einmal wenige Elektrofahrzeuge her, für die es wegen der Verknappung und dem Wunsch der Bürger hohe Nachfrage und damit hohe Preise gibt. Wird das verfügbare Angebot breiter und steigen die Produktivkapazitäten bei den Autobauern, werden die Preise sinken und immer mehr Bürger es sich leisten können, den Technologiewandel in ihrer Garage zu vollziehen. Damit würden sich Preise anhand von Angebot und Nachfrage jeweils auf längere Sicht einpendeln. Ein neuer, erfolgreicher Markt würde entstehen, Angebot und Nachfrage würden sich die Waage halten, die Preise wären mittelfristig dann auch für die meisten erschwinglich.
Im Moment könnte nichts ferner der Realität sein. Der Marktmechanismus funktioniert hier klar nicht. Einfach, weil es zu viele Variablen, zu viele „Störfaktoren“ gibt, die ihn grundlegend aushebeln. Wir können froh sein, wenn ein Markt für Elektrofahrzeuge in naher Zukunft überhaupt noch irgendwie existent ist. Der Markt regelt es also nicht – ganz und gar nicht. Sonst wäre schon längst alles in Butter.
Wir müssen also immer genau hinsehen. Und einfach blindlings daran zu glauben, dass Marktmechanismen immer alles von selbst regeln, wenn man sie nur lässt, ist mehr als nur naiv. Unsere Welt ist deutlich komplexer – und dieser Komplexität sollte man auch gebührend Achtung zollen. Probleme lösen sich nicht durch Marktmechanismen von selbst. In den meisten Fällen wartet der Marktmechanismus darauf, dass wir die Probleme lösen. Wenn wir sie überhaupt lösen können.