Die ersten Börsenwochen des Jahres 2016 waren durchaus sehr turbulent. Börsianer und Marktbeobachter hatten nicht mit so einem starken Kursrücksetzer gerechnet, auch wenn die Börsen sehr schnell wieder auf eine Kurserholung umschalteten. Als einer der Gründe wird der dramatische Ölpreisverfall der letzten Monate genannt. Die Suche nach den Ursachen ist gar nicht so einfach, denn eigentlich ist der Energiehunger der Welt beinahe unstillbar!
Der amerikanische und weltweit beachtete Nachrichtensender CNN spricht in seinem Online-Angebot sogar von einem „epischen Ölpreis-Verfall„, der im Jahr 2016 weitergehen könnte. Begleiten Sie uns deshalb auf eine Reise zu den Marktkräften des Angebots und der Nachfrage und sehen Sie, wie der traditionelle Aufwärtstrend der Ölpreise unterbrochen werden konnte.
Verhaltenes Wachstum der Ölnachfrage trifft auf steigendes Angebot
Einen sehr guten Einblick in die Ölnachfrage bzw. deren (geringeres) Wachstum bietet das Informationsangebot der Organisation der Öl Exportierenden Länder (OPEC) in Wien. Aktuelle Zahlen der OPEC sprechen von einer weltweiten täglichen Nachfrage (gerechnet in Millionen Barrel pro Tag) im Jahr 2014 von 91,4 mb/d steigend auf 92,9 mb/d im vergangenen Jahr und einer Prognose für das Jahr 2016 von 94,2 mb/d. Im letzten Jahr ist die weltweite Ölnachfrage also nur noch um 1,6 Prozent gewachsen, für das laufende Jahr wird das Abflachen des Zuwachses auf nur noch 1,39 % erwartet.
Gleichzeitig gab es bereits im Jahr 2015 ein leichtes Überangebot an Öl; das Angebot überstieg die Nachfrage. Und stellt damit einen verlässlichen Indikator dafür bereit, dass in im Jahr 2015 und 2016 (aus damaliger Sicht) nicht mit steigenden Ölpreisnotierungen gerechnet werden konnte. Wenn eine ähnliche Tendenz bei einer Aktie festgestellt werden würde, dann würde man davon sprechen, dass die Aktie fundamental überbewertet wäre!
Alleinstellungsmerkmal des Öls zunehmend in Frage gestellt
Eine weitere „Bedrohung“ für einen hohen oder steigenden Ölpreis ist das wachsende Umweltbewusstsein der Bevölkerung und auch der Regierungen. Die Verwendung von Benzin als alleiniger Brennstoff bzw. Kraftstoff für Automobile gehört in vielen Regionen schon der Vergangenheit an! So prognostizierte die brasilianische staatliche Ölgesellschaft schon vor über sechs Jahren, dass im Brasilien des Jahres 2020 75 Prozent des Treibstoffbedarfs der „leichteren“ Fahrzeuge (also ohne schwere LKWs) durch Biotreibstoffe gedeckt werden wird.
Damit wird sehr deutlich, dass einer der Hauptnachfrager nach Öl, die Endnutzer von Fahrzeugen, zunehmend Alternativen nutzen könnten. Damit kann auch durchaus eine weitgehende Veränderung der Gesamtwirtschaft einhergehen, da das „Ölzeitalter“ wohl zu Ende gehen wird. Zwar gibt es viele Verwendungen in der Chemie, Pharmazie und weiteren Bereichen. Allerdings muss sich die Ölindustrie wohl langfristig darauf einstellen, dass das Alleinstellungsmerkmal Vergangenheit sein wird.
Ähnliches gilt auch für die Luftfahrtindustrie, in der die ersten Versuche mit alternativen Antrieben bereits stattgefunden haben und die sich langfristig sicher auch vom Erdöl bzw. dem daraus raffinierten „Jet Fuel“ als Treibstoff verabschieden wird.
Wenn Sie die tatsächlichen Angebots- und Nachfrageentwicklungen und die aktuelle Kursentwicklung in eine Beziehung zueinander setzen, dann werden Sie sehr schnell feststellen: Es war (und ist) klar, dass die früheren Höchstnotierungen im Ölpreis vorerst wohl nicht mehr erreicht werden können. Allerdings kann der dramatische Verfall des Ölpreises durchaus auch eine Übertreibung nach unten sein. Werfen Sie einen Blick auf die Notierungen der letzten Monate!
Im zweiten Quartal 2015 (beispielsweise im Mai und Juni) notierte das Fass Brent Crude Oil in einem Bereich von etwa 62 bis 66 US-Dollar und sank dann auf knapp unter 28 US-Dollar. Der Ölpreis fiel also um mehr als die Hälfte. Inzwischen ist eine leichte Erholung der Notierungen zu beobachten, Notierungen zwischen 32 und 35 US-Dollar sind in den letzten Tagen zu finden. Damit zeigt sich, dass Öl auch weiterhin einen gewissen „inneren Wert“ hat und das Abwärtspotential begrenzt war.
Allerdings haben sich die Herausforderungen am Ölmarkt, die die Notierungen unter Druck bringen können, leider nicht in Luft aufgelöst. Deshalb ist das Aufwärtspotential weiterhin begrenzt:
- In vielen Bereichen wenden sich insbesondere die Industrieländer immer mehr den erneuerbaren Energien zu, die Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Öl, Kohle und Gas wird als zunehmend belastend angesehen. Während die Verbraucher von Öl oftmals sehr hohe Steuern zahlen müssen, werden die grünen Energieformen in vielen Ländern hoch subventioniert.
- Die Abkopplung volkswirtschaftlichen Wachstums vom Rohölverbrauch: Insbesondere im Industriezeitalter bedeutete eine Steigerung des Bruttosozialproduktes auch immer einen Anstieg des Primärenergieverbrauches in Form von Öl, Eisenerz und weiteren Rohstoffen – die industriell weiterverarbeitet wurden. Inzwischen achten die Unternehmen aber sehr auf die Energieintensität der jeweiligen Produktion und optimieren stetig auch die Produktionsabläufe. Deshalb kann es durchaus sein, dass gesamtwirtschaftliches Wachstum auch bei einem nahezu gleich bleibenden Energieverbrauch möglich ist.
- Die Flugzeughersteller Airbus und Boeing sprechen bei den neuen Flugzeuggenerationen von einer Senkung des Treibstoffverbrauches um bis zu 25 %. Damit können Unternehmen die gleiche Leistung (gemessen in Passagierkilometern) mit einem erheblich verringerten Flugbenzinverbrauch anbieten. Neben der Substitution durch Biotreibstoffe (wie bereits angesprochen) ist also die steigende Energieeffizienz der Produktion ein Wachstumshemmer für die Ölpreise.
- Wachstumssorgen in aufstrebenden Märkten wie China
Die Kursrücksetzer an den Aktienbörsen und die aktuelle Ölpreis-Baisse können auf das Grundprinzip der Börsen zurückgeführt werden, dass hier Wertzuwachspotenziale der Zukunft gehandelt werden. Ähnlich wie bei den – prognostizierten – KGV-Werten oder der Dividendenrendite der Aktien laufen die Aktiennotierungen und auch Ölpreise oftmals einen bestimmten Zeitraum vor der tatsächlichen Konjunkturentwicklung.
Die weltweit beachteten Nachrichtenagenturen wie Reuters oder Bloomberg berichteten in den letzten Wochen zunehmend davon, dass das Wachstum in China sich abkühlen würde und sowohl die Ex- als auch die Importe im letzten Monat eingebrochen wären. Manche Analysten wie Christopher Langner von Bloomberg Gadfly sehen schon eine neue Subprime-Krise herannahen. Dieses Mal nicht mit amerikanischen Hypothekendarlehen, sondern mit einer zu hohen Verschuldung aufgrund des chinesischen Immobilienbooms. Eine Rezession in China würde auf alle Fälle auch eine Wachstumsdelle für die Weltwirtschaft bedeuten.
Derzeit nur eine sehr schwammige Basis für eine Öl-Kursprognose
In vielen Branchen entscheidet sich ein erheblicher Teil des Unternehmenserfolges auch durch die rechtzeitige Absicherung der Rohstoff- und Treibstoff-Einkaufspreise des laufenden Geschäftsjahres. Die dortigen Handelsabteilungen stehen vor einer enormen Herausforderung: Werden sich die derzeitigen Notierungen beim Ölpreis stabilisieren oder gibt es einen plötzlichen Anstieg. Im zuletzt genannten Szenario wäre es das Beste, den Gesamtbedarf zum jetzigen Preisniveau einzudecken und dafür die aufgrund der hohen Volatilität hohen Prämien an den Terminmärkten zu bezahlen. Diese würden bei einem „Seitwärts-Szenario“ zwar unnötige Ausgaben sein, hätten aber zu einer Stabilisierung der Einkaufspreise geführt.
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