Seit Ausbruch der Finanzkrise ist das Image der Finanzindustrie, naja, stark angeschlagen. Während von den meisten Menschen die Notwendigkeit der Existenz von Investoren noch verstanden wird, hat ein Großteil der Bevölkerung kein Verständnis für die Existenz von Spekulanten oder gar Arbitrageuren, obwohl letztere vermutlich sowieso niemand kennt 😉
Heute wollen wir uns einmal ein bisschen Zeit nehmen, um diese drei Typen von Teilnehmern auf Kapitalmärkten zu analysieren und anhand eines ganz konkreten Beispiels zeigen, wieso wir finden, dass alle drei für den Kapitalmarkt wichtig sind.
Beispiel: Ein US-Amerikanischer Landwirt, nennen wir ihn mal ganz klischeehaft Jo, baut Weizen und andere Getreidesorten an. Ist der Weizenpreis hoch, will Jo viel Weizen anbauen (und verkaufen). Sinkt der Preis, will er wenig anbieten und verwendet seine Felder lieber zum Anbau von anderen Getreidesorten.
Dieses Problem kann Jo aber nicht so einfach lösen, da zwischen dem Anbau und dem letztendlichen Verkauf eine beträchtliche Zeitspanne liegt. Wir sind zwar keine Landwirte, behaupten hier aber, dass es sich hier eher um Monate, als um Tage handelt. Jo unterliegt also dem Risiko des Marktpreises.
Was macht Jo also? Er benötigt eine Möglichkeit, um sich bereits jetzt einen Preis für die erst anzubauende Ernte zu sichern. Er will also zu einem späteren Zeitpunkt das Recht – und auch die Pflicht – haben, seine Getreideernte zu einem vorher definierten Preis loszuwerden. Jo verwendet also Futures. Futures sind im Gegensatz zu Optionen keine bedingten Termingeschäfte, sondern unbedingte. Beide Seiten haben die gleichen Rechten und Pflichten.
Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung im Bereich der Landwirtschaft weiß Jo ungefähr, wie viele Weizen er wirklich ernten wird und wann der mögliche Lieferzeitpunkt ist. Er schließt also einen Verkaufsfuture ab – das heißt er steht „Future short“.
Natürlich kann der gesicherte Preis besser oder schlechter als der zum Zeitpunkt der Ernte gültige Marktpreis sein. Daher gilt: Futures dienen nicht zur Gewinnerhöhung, sondern zur Gewinnglättung – Jo sichert sich den Preis für den Weizen und damit seinen Gewinn ab.
Was haben Spekulanten damit zu tun?
Wenn Jo seinen Rohstoff verkaufen will, muss es auch eine Gegenpartei geben, die sich zum Kauf verpflichtet.
Rein theoretisch kommen zwar hier auch Unternehmen in Frage, die den Rohstoff Weizen verarbeiten und sich daher gegen steigende Einkaufspreise absichern wollen. Diese Unternehmen gibt es und sie gehen daher „Future long“. Würden allerdings nur diese Unternehmen am Future-Markt agieren, wäre der Handel nicht Liquide genug und es würde nicht immer und jederzeit eine entsprechende Gegenposition geben.
Jetzt kommen Spekulanten ins Spiel. Sie haben die Meinung bzw. Einschätzung, wie sich der Markt entwickeln wird und sind daher bereit, das Risiko dieses Marktpreises zu übernehmen. So geht das Risiko von Jo auf einen Spekulanten über.
Da es relativ viele Marktteilnehmer gibt, gibt es auch nicht den Fall, dass Spekulanten z.B.: nur auf steigende Weizenkurse setzen wollen. Es gilt wie immer das Gesetz von Angebot und Nachfrage und der Preis regelt hier die Marktverhältnisse außerordentlich gut.
In liquiden Rohstoffen wie Weizen dauert es daher in der Regel nur wenige Sekunden – wenn überhaupt – bis eine entsprechende Gegenpartei gefunden wird.
Und was ist jetzt mit Arbitrageuren?
Diesem Text zufolge, sind jetzt Unternehmen gewissermaßen von der „Gunst“ der Spekulanten abhängig, da diese ohne sie ihre Risiken nicht loswerden.
Wenn es nur wenige Spekulanten gäbe – was wir ja bereits ausgeschlossen haben – könnten diese die Unternehmen „zwingen“ zu relativ unvorteilhaften Konditionen diese Risiken zu übernehmen, also eine hohe Risikoprämie fordern.
Generell gilt, je liquider ein Markt, desto besser funktioniert die Preisfindung nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage.
Arbitrageure würden nun in dieser Situation in den Markt eintreten und ebenfalls Risiken übernehmen. Aber aus einem anderen Grund, als es Spekulanten tun. Arbitrageure wollen einen risikolosen Ertrag erzielen, während Spekulanten durchaus risikobehaftete Transaktionen durchführen.
Ist ein Future-Preis z.B.: aufgrund geringer Liquidität nicht ordentlich zustande gekommen, ist er entweder zu hoch oder zu niedrig, er weicht also von seinem „wahren“ Wert ab. Ein Arbitrageur macht sich diesen Umstand zu nutze und kauft bzw. verkauft den Future.
Das klingt zu gut um wahr zu sein? Das denken sich auch andere Arbitrageure, sie steigen in den Markt ein und somit sinkt die Anzahl der Arbitragemöglichkeiten bis auf ein Minimum und die Preise werden fairer.
Arbitragemöglichkeiten bzw. Preisunterschiede wird es immer geben, allerdings nur sehr kleine. In der Realität sind diese so klein, dass es sich nicht auszahlt, diese auszugleichen, weil sogar die Transaktionskosten zu hoch sind.
Zusammenfassung und Fazit
Obwohl ein Spekulant bzw. Arbitrageure mehr oder weniger keinen Einfluss hat, so ist die Summe bzw. Existenz dieser Personen (bzw. Computer) unserer Meinung nach durchaus wichtig.
Gibt es niemanden, der Risiken übernimmt, bleibt es bei jenen hängen, die damit nicht umgehen können oder wollen. So wie wir die Situation jetzt beschrieben haben, gibt es nichts an Spekulation und Arbitrage auszusetzten, wobei allerdings groß angelegte Spekulation nicht bloß auf Risikoübernahme aus ist, sondern auf Marktverzerrung. Dies können wir natürlich nicht gutheißen. Ebenso halten wir den Hochfrequenzhandel (wie hier beschrieben) für überflüssig und schädlich.
Wir hoffen, Sie haben jetzt ein besseres Verständnis für einen modernen Kapitalmarkt und können ja mal bei der nächsten „Stammtischdiskussion“ mit ein wenig Fachwissen aufwarten. (Obwohl wir Ihnen letzten Endes wohl doch davon abraten würden.)