Jeder redet darüber, immer wieder taucht sie wie ein Gespenst in den Nachrichten auf: die Eurokrise. Doch kaum jemand versteht so richtig, woraus die Krise eigentlich besteht, und was sie verursacht. Und ob es sie überhaupt gibt, und wenn ja, warum. Wir wollen in unserem Beitrag einmal die verschiedenen Faktoren untersuchen, die überhaupt zur Krise geführt haben und führen.
Haben wir überhaupt eine Krise?
Immer wieder taucht gespensterhaft der Begriff in den Nachrichten auf, in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen: Die Eurokrise. Dabei kommt immer wieder Verwirrung bis Unglauben auf, wegen des Begriffs – der Euro ist doch stabil, haben wir denn wirklich eine Krise? Woran sollte man das denn sonst merken?
Irgendwie haben wir von einer Währungskrise immer eine leicht abweichende Vorstellung , so ein wenig wie in früheren Zeiten: galoppierende Inflation, explodierende Preise, hohe Arbeitslosigkeit. Das sind so die Anzeichen von „Krise“ die wir kennen. Davon ist, gerade in den letzten Jahren, nichts zu bemerken. Alle diese Faktoren sind, zumal in Deutschland, reichlich stabil. Eine echte „Währungskrise“ kann es also nicht sein. Oder?
Tatsächlich ist der Außenwert des Euro stabil. Per Definition hat die Euro-Krise so um das Jahr 2010 begonnen, sich zu manifestieren. Sieht man sich den Außenwert und die Kaufkraft des Euros in diesem (doch schon recht langen) Zeitraum an, bemerkt man eigentlich nicht viel Auffälliges auf den ersten Blick – und keine „Krisenanzeichen“ wie wir sie erwarten würden. Das hat aber in Wirklichkeit nichts zu sagen. Dennoch kämpfen alle europäischen Länder massiv mit der Eurokrise und so manch einem Land schnürt sie buchstäblich die Luft ab. Die Lage ist durchaus ernst. Um das zu verstehen, müssen wir uns zunächst einmal etwas eingehender mit Währungskrisen beschäftigen.
Währungskrise der ersten, zweiten und dritten Generation
Bei den Währungskrisen unterscheidet man seit Anfang der 80er Jahre zwischen verschiedenen „Generationen“. Dabei handelt es sich um Modelle, die erklären können oder sollen, wie eine Währungskrise entsteht, welche Mechanismen wirken, und wie die Krise „funktioniert“. Der Begriff „Generation“, etwas unglücklich gewählt, stellt dabei nicht einen Hinweis auf bestimmte Abschnitte in der Geschichte dar, sondern soll lediglich helfen, drei verschiedene Erklärungsmodelle voneinander abzugrenzen.
Die drei Modelle wurden deshalb notwendig, weil unterschiedliche Szenarien zu Währungskrisen führen können. Die Ausgangslage ist bei jedem Modell unterschiedlich – und was danach passiert, auch. Da es sich bei der Eurokrise – wenigstens nach verbreiteter wirtschaftstheoretischer Ansicht, es gibt auch Kritiker dieser Erklärung – lum eine Währungskrise der ersten Generation handelt, wollen wir uns zunächst noch einmal etwas eingehender damit beschäftigen.
Die Ausgangslage bei Währungskrisen der ersten Generation ist ein Konflikt: nämlich der zwischen einer expansiven Geldpolitik, einer expansiven Fiskalpolitik und einer festen Wechselkursbindung. Beides geht nunmal nicht zusammen – kann es auch gar nicht.
Bei einer expansiven Fiskalpolitik – das bedeutet entweder Staatsausgaben hoch, oder Steuern runter – steigt das Budgetdefizit des jeweiligen Landes. Außerdem verändert sich die sogenannte IS-Kurve – das ist das Verhältnis von Zinssatz zu Volkseinkommen. Die expansive Geldpolitik bedeutet ganz einfach eine Erhöhung der Geldmenge, die im Umlauf ist – was natürlich auchdie Wirtschaftslage verändert. Volkswirtschaftlich gesehen ändert sich damit die sogenannte LM-Kurve, die das Verhältnis zwischen Einkommen und Zinssatz wiedergibt.
In einer geschlossenen Volkswirtschaft werden die dadurch entstehenden Änderungen ganz einfach über Änderungen am Wechselkurs ausgeglichen, um das ganze Werk stabil zu halten. Im Falle des Euros geht das aber nicht, weil ein einzelnes Land keine eigene Währung mehr hat, die es abwerten könnte. Es kommt zu einem immer weiteren Anstieg der Geldmenge, und die hohen Budgetdefizite, die ohnehin in schon vielen Ländern bestehen und bestanden haben, führen zu einem hohen Druck der Inflationsrate nach oben. Leistungsbilanzdefizite entstehen und werden immer größer und es muss verzweifelt mit allen möglichen Maßnahmen dagegengesteuert werden, um das System am Laufen zu halten.
Das führt dann zu den krisenähnlichen Zuständen im Inneren, die viele Länder (in diesem Fall den gesamten Euroraum) betreffen. Wirtschaftlich gesehen ist das insofern schwierig, weil sehr viele verschiedene Volkswirtschaften mit sehr unterschiedlicher Leistungsbilanz unter dem Dach des Euro zusammengefasst sind. Die Auswirkungen muss aber der gesamte Euroraum gemeinsam „abwettern“. Das gelingt mal mehr und mal weniger gut. Schwierig ist auch die unterschiedlichen Leistungsbilanzen (hohe Überschüsse bei einigen Ländern, starke Defizite bei anderen) ausgeglichen zu halten, und mit der sehr stark unterschiedlichen Inflation in einzelnen Ländern umzugehen.
Wie eingangs bereits erwähnt, gibt es auch durchaus Kritiker an diesem Erklärungsmodell. Die meisten Wirtschaftstheoretiker halten es aber für zutreffend in Bezug auf die Eurokrise.
Staatsschulden – ein Problem?
Viele sehen einfach die hohen Staatsverschuldungen im Euroraum als Ursache allen Übels an. Vor allem einige Länder glänzen da ganz besonders mit Negativrekorden, so als allererstes mag einem da gleich Griechenland einfallen. Das ist aber nur bedingt richtig. Staatsschulden sind ein Problem, das ist unbestritten – aber sie sind nicht DAS Problem. Man muss aber, wenn man exakt sein will, mehr eine „Leistungsbilanzkrise“ oder eine „Zahlungsbilanzkrise“ denn eine „Staatsschuldenkrise“ darin sehen: denn gerade dieser Umstand der hohen Leistungsbilanzdefizite einiger Staaten, die ja vorwiegend aus den oben schon erwähnten Mechanismen und weniger durch eigenes Verschulden entstanden ist, hat eigentlich die Schwierigkeiten bei der Staatsfinanzierung verursacht. Man kann hier natürlich den Zeigefinger heben und sagen: wer wenig Schulden hat, muss auch weniger refinanzieren – in der Praxis der Staatsführung ist so etwas aber selten so einfach wie an Mutter’s Küchentisch.
Die Eurokrise ist komplex
Wir wollen nun nicht den Eindruck erwecken, die gesamte Eurokrise ließe sich auf dieses eine Erklärungsmodell reduzieren, und alles wäre damit geklärt. Ganz so einfach ist es nicht. Grundlegend sind sicher diese Mechanismen, die den Euroraum in der Krise festhalten, darüber hinaus ist die Lage aber um ein Vielfaches komplexer.
Das unselige Dreiergespann
Die Krise ist insofern ein Problem, als dass mehrere Faktoren immer wieder aufeinander einwirken, und sich gegenseitig bedingen. Man könnte es als das „unselige Dreiergespann“ bezeichnen, das da am Werk ist. Bei der Eurokrise muss man sein Augenmerk auf folgende Punkte legen:
-auf die Bankenkrise
-die Makroökonomische Krise im europäischen Wirtschaftsraum (Rezession)
-und die Staatsschuldenkrise (oder vielmehr, exakt ausgedrückt: die Leistungsbilanzkrise)
Alle drei sind miteinander verflochten und bedingen und verstärken sich in unterschiedlichem Maß gegenseitig. Nimmt eine der Krisen zu, verschlechtert sich auch die Situation bei den anderen beiden Krisen einmal mehr und einmal weniger.
Sehen wir uns die makroökonomische Krise nun einmal etwas genauer an, dann erkennen wir als Ursache auch die strenge Haushaltskonsolidierung, die viele Staaten aufgrund ihrer Schuldensituation durchführen müssen. Das schwächt die Binnnenachfrage in vielen Ländern, und eine schwache Binnennachfrage ist für die meisten Länder ein ganz wesentlicher Faktor für die Konjunkturentwicklung im Land. Nicht alle Mitgliedsstaaten der Union sind solche Exportweltmeister wie Deutschland, so dass in einigen Staaten viel von der Wirtschaftskraft vom Binnenmarkt abhängt.
Diese makroökonomische Krise hat natürlich umgekehrt auch wiederum Auswirkungen: einerseits auf die Wirtschaft, da Rezessionen immer zu einer höheren Rate an Kreditausfällen führen, und damit den Banken Probleme bereiten. Andererseits aber wiederum auf die Staatsverschuldung, weil bei einer rezessiven Wirtschaft natürlich deutlich weniger Steuereinnahmen fließen und gleichzeitig aber mehr soziale Unterstützungsleistungen beim Staat nachgefragt werden. Damit entsteht auch hier wiederum ein großes Problem für die Staatsverschuldung, die dann trotz Konsolidierung noch viel schwerer zu tilgen ist.
Das alles hat natürlich auch Auswirkungen auf die Banken. Der jüngst durchgeführte Stresstest bei den Banken im Euroraum hat auch gezeigt, dass bei vielen Banken die Lage angespannt ist, und die Belastbarkeit der Banken und ihrer Eigenmittel nicht so groß, wie man es gerne hätte, um für bei weiter voranschreitenden Krisen mit einem gelassenen Lächeln begegnen zu können. Und wegen der Verschlechterungen bei den Staatsanleihen, die ja immer ein wichtiges Mittel für die Banken sind, sehen auch die Bilanzen der Banken nicht mehr so gut aus wie vor der Krise.
Nun hat natürlich – wie könnte es anders sein – auch die Situation der Banken Auswirkung auf die anderen beiden Krisen. Die angespannte Situation der Banken führt natürlich auch wiederum zu einer nicht gerade günstigen Ausgangslage für Investitionen – es herrscht die vielzitierte „Kreditklemme“. Wenn aber Investitionen verknappt werden, ist das mit dem Aufschwung der Konjunktur aber wiederum ebenfalls problematisch. Für den Staat bleibt eine schwierige Situation der Banken dann auch nicht immer ohne Folgen: viele Banken kommen in die missliche Lage, von irgendjemandem gerettet werden zu müssen – und diese Bankenrettung reißt dann wiederum ein großes Loch in die Staatshaushalte.
Man sieht also die Verflechtungen deutlich – und die Herkulesaufgabe besteht im Grunde darin, dass man nicht eine Krise ohne die anderen lösen kann. Es geht im Grunde genau darum, in allen drei Bereichen etwas besser zu machen, und die Krisen überall (möglichst) zugleich zu beheben, damit sich die gesamte Lage bessert. Dass das nicht so einfach gelingt, kann sich wahrscheinlich jeder vorstellen.
Auswirkungen für Anleger
Was wir in diesem Beitrag noch gar nicht beleuchtet haben, sind die Auswirkungen der Krise für die Anleger. Direkte Auswirkungen auf den einzelnen Anleger gibt es wohl nur insoweit, als dass wir alle Staatsbürger in diesem Wirtschaftssystems im Euro-Raum sind, und deshalb nun einmal in einem wirtschaftlichen Umfeld mit seinen Gegebenheiten unser Leben führen und unser Geld verdienen. Indirekte Auswirkungen sind aber natürlich durchaus gegeben – die Zinspolitik der EZB hat massive Auswirkungen auf viele Anlageformen, über Negativzinsen und deren Folgen haben wir ja in einem anderen Beitrag (LINK) schon einmal berichtet. Daneben sind aber auch viele Unternehmen von der Krise massiv betroffen – worauf man dann wiederum die ziemlich dramatische Situation bei vielen KMU-Anleihen (LINK ZUM BEITRAG) zurückführen kann. Die Krise lässt auch wichtige Indices wie den DAX herumspringen wie eine Gemse mit Höhenangst – was natürlich dann wiederum all jene betrifft, die in den DAX investiert haben (LINK ZUM BEITRAG ETF-FONDS DAX) oder das vorhaben. Auf internationale Anlageformen hat die Eurokrise weniger Auswirkungen, obwohl natürlich auch die Weltwirtschaft von der Krise des Euro-Raums nicht ganz unbeeinflusst bleibt – immerhin ist Europa ja ein wichtiger Teil des weltweiten Wirtschaftsraums.
Wie es mit der Krise weitergeht, und welche Maßnahmen dann (endlich) Erfolg zeigen, wird nur die Zukunft erweisen. Ein wenig Genesung würde dem Euro-Raum aber nicht schlecht zu Gesicht stehen und uns alle etwas beruhigen.