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Veränderungen kann man nicht immer vorhersehen – wenn Krise herrscht

Mit der Corona-Krise lief und läuft vieles nicht so, wie geplant. Rein in die Krise, ein kurzer Lockdown, danach vorsichtige Lockerungen, um die Infektionszahlen durchgehend unten zu halten, dann ein Impfstoff. Wirtschaftlich ein rascher, massiver Einbruch, ein „V“ und dann wieder eine schnelle Erholung, die in der Zwischenzeit entstandenen Verluste mit staatlichen Hilfen ausgleichen. Das wirkliche Leben hält sich allerdings leider nur selten an solche schön erdachten Blaupausen. Nach einer eher gequält durchgestandenen Phase der Lockerung, stellenweise durchsetzt von blindem Aktionismus und Kontrollwahn verändert sich die Welt nun doch – auf ihre eigene Weise. Was sich, wie viele Anleger nun feststellen, mit ändert, sind auch die Risiken – und auch die Anlagemöglichkeiten und die finanziellen Möglichkeiten.

In vielen Bereichen sieht man deutliche Auswirkungen der Krise

Es gibt, nach vielen Monaten der Corona-Krise, in allen Bereichen Veränderungen, auch im Finanzsektor. Viele dieser Veränderungen haben komplexe, vielschichtige Ursachen, bedingen einander zum Teil gegenseitig – und waren deshalb so kaum von irgendjemandem annähernd vorherzuberechnen. Das bringen Krisen mit sich – sie verhalten sich nun einmal nicht nach erdachten Blaupausen. Rand- und Seiteneffekte, an die niemand denkt, können sich summieren – und dann wiederum andere Faktoren deutlich beeinflussen.

Im Grunde sind es drei Dinge, die in der rückwirkenden Betrachtung auffallen:

  1. Der Goldpreis hat massiv zugelegt (Januar 2020: 1.368,54 EUR – Spitzenstand August: 1.737,28 EUR je Feinunze)
  2. Moderne digitale Zahlungs- und Bankdienstleistungen führen nicht zu so massiven Gewinnen, wie man angenommen hat
  3. Die Risikobereitschaft von Anlegern hat zugenommen, der Trend zu Aktienanlagen auch, dennoch kämpfen gerade dort viele Unternehmen massiv mit den Folgen der Krise

Hier liegen also viele Dinge so, wie man sie zunächst nicht erwarten würde. Es sind in gewisser Weise Widersprüche im Kleinen und im Großen. So etwa der Widerspruch, dass Anbieter für Baufinanzierungen in der Masse deutlich besser durch die Krise gekommen sind als etwa Anbieter für Kleinkredite und Konsumentenkredite. Oder der Widerspruch, dass automatisiert mit künstlicher Intelligenz arbeitende Anlagesysteme offenbar eben nicht das richtige Mittel für einigermaßen vernünftiges Anlegen in der Krise sind. Das liegt aber weniger an den Systemen – sondern anscheinend an den Kunden dieser Systeme. Wenn alles knackt, dann traut man anscheinend künstlicher Intelligenz doch nicht mehr ganz so über den Weg. Als ob sie was für die Situation könnte.

Die Sache mit dem Gold

Betrachten wir zunächst einmal das erste so nicht zu erwartende Faktum: den Goldpreis. Der war insgesamt das ganze Jahr über äußerst dynamisch, hat zu manchen Zeiten beinahe an der 2.000 USD Marke gekratzt. Der Effekt ist an sich nichts wirklich Ungewöhnliches, Gold ist nun einmal die „Krisenwährung“ unserer Welt, allerdings toppt diesmal der Anstieg sogar die Werte von 2011.

Was den Preis antreibt, ist natürlich überwiegend die Sorge. Vor allem die Sorge um eine schleichende Inflation durch die infolge der Corona-Hilfspakete deutlich erhöhte Geldmenge, die sich im Umlauf befindet. Auch der immer wieder stark unter Druck geratende Dollar dürfte ein nicht unerheblicher Grund dafür sein. Was wohl viele nicht so eingeschätzt hätten, ist dabei das Ausmaß der Sorgen, die für diese „Flucht ins Gold“ und die ständige Preisrally sorgen.

Eigentlich hatte man einmal gemeint, die Menschen hätten dazugelernt und die Fluchtaktionen ins Edelmetall würden zukünftig geringer ausfallen – an der alten Logik der Flucht ins Gold und der gedanklich falschen Verbindung zwischen Währungen und Gold scheint sich mithin aber nicht viel verändert zu haben. Das einige den Trend erkannt haben und einfach vom steigenden Preis mit-profitieren wollen, kann man aber natürlich nicht ausschließen.

Digitale Zahlungsdienstleistungen sind nicht so gefragt wie gedacht

An jeder Supermarktkasse findet sich der Hinweis, dass man doch bitte mit Karte oder noch besser kontaktlos bezahlen möge, um das Infektionsrisiko weiter zu verringern. Den Zahlen zufolge schwenken Menschen auch zunehmend in dieser Richtung um. Auch ein Trend weg von den traditionellen Filialbanken hin zu mehr sogenannten „disruptiven“ Geschäftsmodellen im Bankenbereich, wie App-Banken und Smartphone-Banking. Als „disruptiv“ gelten Geschäftsmodelle dann, wenn sie einen gesamten Markt durch eine bestimmte, stark im Wachsen begriffene Innovation „aufrollen“ und in weiten Teilen verändern.

Eigentlich sollte man erwarten, dass das die Anbieter solcher Dienstleistungen beflügeln würde, ihnen massive Gewinne bescheren und die Veränderungen des Marktes selbst in hohem Tempo weiter vorantreiben sollte. Vielfach ist das Gegenteil der Fall. Der gesamte Markt ist krisengeschüttelt und von einer sehr heiklen Situation umgeben, die immer noch anhält. Auch die Anbieter von Mikrokrediten – die eigentlich bei der teilweise schwierigen Situation vieler Arbeitnehmer mit der für die Krise so typischen Kurzarbeit ja boomen sollten – kämpfen vielfach. Selbst Dienste wie auxmoney kämpfen massiv mit der Krise, obwohl sie eigentlich den sehr großen Markt all jener bedienen, deren Bonität für traditionelle Banken zu schlecht ist, um noch einen übermäßig großen Dispo (oder überhaupt einen Dispo) zu bekommen.

Gründe dafür sind in vielen Fällen Zahlungsausfälle und just auch die vom Bund verabschiedeten Regelungen, dass Schuldner ihre bestehenden Schulden bis zum Herbst nicht bedienen müssen und dabei keine gravierenden Auswirkungen zu befürchten haben. Den Anbieter Monedo hat mit auch das in die Insolvenz getrieben – obwohl man ihm ob seines Geschäftsmodells (Kleinkredite für Schuldner mit schlechter Bonität) eine glänzende Zukunft vorausgesagt hatte. In Zukunft werden sich einige Geschäftsmodelle deshalb wohl auch verändern (müssen) und vor allem für die Betreiber profitabler werden. Diese Veränderungen bekommt man als Kunde sicherlich in der einen oder anderen Form auch zu spüren. Auch das Angebot wird sich möglicherweise verändern.

Auch Startups tun sich schwer, vor allem weil sie selbst Schwierigkeiten haben, genügend Investoren und Kapital aufzutreiben, um sich weiter zu entwickeln. Viele Startups verharren in einer Art „Warteposition“, weil ihre Finanzierung nicht gesichert ist und sowohl die Gründer selbst als auch Investoren die Risiken plötzlich sehr hoch einschätzen. Die Neugründungen gehen massiv zurück. Das hätte so wohl auch kaum jemand erwartet.

„Automatisiertes“ Investieren erweist sich als ungeeignetes Modell

Wer sich mit dem Aktienmarkt nicht oder nicht ausführlich beschäftigen wollte, für den waren sogenannte Robo-Advisors (wir haben über mehrere berichtet) ein sehr guter Lösungsweg, der vielfach auch gut funktionierte. Die Anleger mussten nur ihr Geld einzahlen, ihr gewünschtes Risikoprofil auswählen und die Anlage-Entscheidungen wurden von künstlicher Intelligenz vorgenommen – mit teilweise recht guten Ergebnissen. Da auch „pflegeleichte“ und relativ kostengünstige ETFs in vielen dieser Anlagesysteme recht breit vertreten waren, waren auch die Anlagekosten für unbedarfte Privatanleger in vielen Fällen recht überschaubar und die Risiken tatsächlich häufig in einem akzeptablen Rahmen.

Trotz dieser guten Voraussetzungen und der erwiesenermaßen guten Leistung der Robo-Advisors kam es seit Beginn der Krise zu vielen Entnahmen des angelegten Kapitals – was die bestehenden Geschäftsmodelle der dahinter stehenden Unternehmen deutlich erschütterte und plötzlich nur noch wenig profitabel machte. Um möglichst viel Vorteil für die Kunden zu erwirtschaften, wurden die Margen hier immer klein gehalten – was sich nun rächt. Man hätte die Geschäftsmodelle wohl schon anfangs besser auf diesen Punkt hin durchdenken müssen. Natürlich ließen sich einige Kunden – und damit einiges an Kapital trotz der schwierigen Situation für Anleger (oder vielleicht sogar gerade deshalb) wieder zurückgewinnen. Dafür wäre aber ein umfassendes Maß an individueller Beratung notwendig. Die war in den Geschäftsmodellen nie vorgesehen. Das Geschäft mit den Robo-Advisors sollte immer „smart“ sein und die sehr geringen Kosten für mehr Gewinn bei Anlegern sorgen. Das ist wohl schiefgegangen.

Auch wenn man gerade in solch unüberschaubaren Situationen ganz besonders auf nüchtern kalkulierende und leistungsfähige technische Systeme vertrauen sollte – tut das eben niemand. Man möchte lieber von (sehr fehlbaren und ganz sicher nicht allwissenden) Menschen hören, dass eine Entscheidung richtig ist. Das ist zwar völlig unlogisch, aber eben Tatsache. Diesen nur allzu menschlichen Zug hat man in der Begeisterung für Geschäftsmodelle wohl viel zu wenig bedacht.

Interessanterweise spielte für Anleger in der US-Berichtssaison die Corona-Lage und die nicht besonders rosige Wirtschaftslage im eigenen Land überhaupt keine Rolle. Hier dominierte überbordender Optimismus, insbesondere auf den Technologiebörsen. Die Gefahr, dass ein erneuter Lockdown die wirtschaftliche Situation massiv zurückwirft (und diese Schlussfolgerung gab der massive Anstieg ab September durchaus her) schien niemanden zu interessieren – eine drastische Verschlechterung des Infektionsgeschehens in den USA, in Europa oder (wie zu beobachten) praktisch in jedem Land der Welt würde aber jeden noch so tollen US-Berichtswert praktisch gegenstandslos werden lassen – dahinter würden nur gähnende Leere und tiefe Abstürze warten. Es ist die völlige Irrationalität in manchen Börsensituationen, gegen die offenbar noch niemand ein Mittel gefunden hat – und die offenbar jeder immer wieder falsch einschätzt.

Fazit: Wir können auch Veränderungen eben nicht vorhersehen

Die Pandemie und die wirtschaftlichen Entwicklungen bringen ihre eigenen Veränderungen mit sich – auch im Finanzbereich. Vieles davon kann man beim besten Willen nicht vorhersehen, vieles davon ist auch nur mit Mühe erklärbar.

Wir werden uns allerdings auch noch in Zukunft daran gewöhnen müssen, dass sich möglicherweise der eine oder andere Markt völlig anders entwickelt als erwartet – solange, bis wir nicht nur die Pandemie, sondern die ganze Weltwirtschaft ihre wirtschaftlichen Auswirkungen vollständig hinter sich hat. Und das wird mit Sicherheit noch einige Jahre dauern.

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