Auf dem Finanzmarkt erfolgreich zu sein ist immer eine Sache von Strategie. Nicht einer Strategie – es gibt davon durchaus mehrere. Einige grundlegende Strategien – vom Value Investing über das Quality und Momentum Investing bis hin zum Growth Investing wollen wir Ihnen in diesem Beitrag deshalb einmal im Detail vorstellen. Danach können Sie entscheiden, welcher Art von Anlagestrategie Sie sich am ehesten zugeneigt fühlen.
Stockpicking als Voraussetzung
Stockpicking bedeutet, dass man gezielt in einzelne Aktien investiert, die man sich zuvor sorgfältig ausgesucht hat. Stock Picking bedeutet dabei nicht automatisch, dass man die jeweils ausgewählten Aktien besonders lange hält. Das hängt von der jeweils gewählten Strategie, aber auch von der ausgewählten Aktie ab. Bei manchen Investmentstrategien ist der Horizont generell etwas langfristiger, aber selbst von dieser Regel gibt es manchmal Ausnahmen.
Die Vor- und Nachteile von Stock Picking haben wir in einem anderen Beitrag bereits einmal erläutert. Viele sind der Meinung, dass man durch die Auswahl gezielter Aktien die Performance des Markts grundsätzlich nicht übertreffen kann. Das berühmteste lebende Beispiel für diese Hypothese ist der Star Investor Warren Buffett. Er betreibt fast ausschließlich Stock Picking und übertrifft dabei die Marktperformance recht deutlich – und das mit schöner Regelmäßigkeit. Nichtsdestotrotz hält auch Warren Buffett von ETFs durchaus eine Menge.
Das notwendige Wissen für eine gezielte und erfolgreiche Auswahl von Aktien kann man sich durchaus auch selbst aneignen – ein wenig Grundwissen über Betriebswirtschaft und betriebswirtschaftliche Kennzahlen schadet zwar in der Regel nicht, ist aber nicht unbedingt für alle Strategien notwendig. Neben den betriebswirtschaftlichen Kennzahlen eines Unternehmens, die ohnehin über viele Faktoren nichts aussagen, spielen auch noch eine Reihe anderer Gegebenheiten eine Rolle, die man ebenfalls berücksichtigen sollte. Wichtiger ist, dass man sich über die relevanten Gegebenheiten für die jeweilige Strategie möglichst umfassend Wissen verschafft.
Value Investing
Über Value Investing haben wir in einem anderen Beitrag schon einmal recht ausführlich gesprochen, auch in Verbindung mit Warren Buffett als Person, der als nachdrücklichster Verfechter des reinen Value Investing gilt. Der Begründer dieser Strategie ist allerdings Benjamin Graham, dessen schon aus dem Jahr 1934 stammendes Buch „Security Analysis“ bis heute die wesentlichste Grundlage – fast schon die „Bibel“ – dieser Strategie darstellt. Trotz der schon recht alten Wurzeln ist, wie Buffett bis heute beweist, die Value-Investing-Strategie ein durchaus zeitgemäßer Ansatz – heute vielleicht sogar noch mehr als früher.
Es geht vor allem darum, Unternehmen mit einem eingängigen Geschäftsmodell zu finden, deren sogenannter „innerer Wert“ (intrinsic value) höher liegt als der Marktpreis des Wertpapiers. Die Differenz zwischen beiden bezeichnet man im Value Investing auch als „Sicherheitsmarge“ (margin of safety). Für die Ermittlung des inneren Werts eines Unternehmens werden vor allem Finanzkennzahlen herangezogen, um einen objektiven Wert zu bekommen. Wichtige weitere Werte für das Value-Investing sind
- das KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis),
- das KBV (Kurs-Buchwert-Verhältnis)
- das KUV (Kurs-Umsatz-Verhältnis)
- das (KCVKurs-Cash-Flow-Verhältnis)
Sie dienen auch dazu, um abschätzen zu können, inwieweit sich der innere Wert eines Unternehmens (der Liquidationswert, der Substanzwert oder der Ertragswert, je nachdem, welchen man heranziehen möchte) im Lauf der Zeit ändern könnte. Neben diesen „harten“ Faktoren spielen auch zahlreiche „weiche“ Faktoren eine sehr wichtige Rolle. Was alles noch eine Rolle spielen kann, finden Sie auch in den Tipps von Warren Buffett für Kleinanleger genauer erläutert. Ein gewisses Maß an Fingerspitzengefühl und ein gutes Auge ist also durchaus nötig – dass die Strategie allerdings recht gut funktionieren kann, beweist Warren Buffett eindrucksvoll selbst: er ist – obwohl lediglich Investor – immerhin der drittreichste Mann der Welt. Value Investing hat meist einen längerfristigen Anlagehorizont.
Die Momentum-Strategie
Ganz im Gegensatz zum Value Investing steht die Momentum-Strategie. Wie der Name bereits verrät, geht es hier vor allem darum, in Wertpapiere zu investieren, die sich in einem erkennbaren Aufwärtstrend befinden. Die Stärke einer Kursbewegung lässt sich dabei durchaus messen und quantifizieren. Im Einzelnen lässt sich feststellen
- ob sich ein Aufwärtstrend beschleunigt (der Momentum-Wert ist dann positiv und steigend)
- ob sich ein Aufwärtstrend verlangsamt (der Momentum-Wert ist positiv und fallend)
- ob sich ein Abwärtstrend beschleunigt (der Momentum-Wert ist negativ und fallend)
- ob sich ein Abwärtstrend verlangsamt (der Momentum-Wert ist negativ und steigend)
Neben dem Momentum-Wert werden auch der sogenannte Rate-of-Change Indikator (ROC) verwendet, auch der Relative-Strength-Index (RSI) kann zur Bewertung herangezogen werden. Auch der MACD, ein weiterer Signalwert, kann mit verwendet werden. Hier geht es vor allem um eine technische Analyse – die Qualität des Unternehmens spielt keine Rolle, sondern lediglich die technischen (aufgrund einer Chart-Analyse ermittelten) Bewegungen eines Kurses. Wer in steigende Kurse investiert, profitiert natürlich von der Kursdifferenz. Im Gegensatz zum Value Investing ist die Haltedauer in der Regel eher kurz. Notwendig ist nur das Wissen um die verschiedenen Indikatoren, allerdings sollte man schon etwas Übung in der Chart-Analyse von Wertpapieren mitbringen.
Quality Investing
Wiederum im Gegensatz zur rein technischen Analyse steht das sogenannte Quality Investing. Es ähnelt von der Grundidee her dem Value Investing – allerdings wird hier vor allem auf die Qualität des Unternehmens an sich und weniger auf die Finanzkennzahlen geschaut. Im Quality Investing ist man auch vor Bilanzfälschungen und anderen Finanzbetrügereien relativ sicher, die einen Value-Investor möglicherweise zu Fehlentscheidungen oder Fehlurteilen führen können. Gerade in der letzten Zeit, nach vielen spektakulären Pleiten, besinnt man sich vielerorts gern wieder verstärkt auf die „absoluten“ Qualitätskriterien von Aktien. Fundamentale Finanzanalysen des Unternehmens spielen dagegen so gut wie keine Rolle, man betrachtet eher den Markt und die Marktposition des Unternehmens, unabhängig von seinen Kennzahlen.
Ein wichtiges Tool für die Qualitätsermittlung von Aktien ist die BCG-Matrix. Sie ist nicht nur für Produkte, sondern auch für das Unternehmen insgesamt anwendbar, indem man speziell Marktwachstum und Marktanteil einander gegenüberstellt.
Innerhalb der entstehenden Matrix findet man dann vier Ausprägungen:
- Question Marks (Marktwachstum hoch, Marktanteil gering)
- Stars (Marktwachstum hoch, Marktanteil hoch)
- Cashcow (Marktwachstum gering, Marktanteil hoch)
- Poor Dogs (Marktwachstum gering, Marktanteil gering)
Bei festgestellter guter Qualität (hier hat praktisch jeder Investor seine eigenen, für ihn aussagekräftigen Kriterien, die er laufend verfeinert) kann man nun eine Value-Investing-Strategie bei einzelnen Aktien anstreben. Man kann auch eine Growth-Strategie bei den dafür geeigneten Aktien anstreben. Oder man legt sich ein Portfolio zu, indem jeweils Aktien mit beiden Strategien vertreten sind. Alternativ kann man auch in Aktien einfach investieren, weil sie hohe Qualität haben und keine besondere Value- oder Growth-Strategie verfolgen.
Das Quality Investing erfordert viel Erfahrung, auch wenn die grundlegende Ermittlung von Aktien-Eigenschaften simpel erscheint. Gerade die gute Bewertung von Kriterien unterscheidet hier den erfolgreichen vom nicht so erfolgreichen Investor.
Growth Investing
Growth Investing, wie es heute betrieben wird, ist das genaue Gegenteil vom Value Investing. Hier macht man sich auf die Suche nach Unternehmen, die über einen langen bis sehr langen Zeitraum (in manchen Fällen auch Jahrzehnte) ein konstantes Wachstum von Umsatz und Gewinn aufweisen. Das schaffen in der Regel nur Unternehmen, die permanent expandieren oder von einem stetig und konstant wachsenden Markt profitieren.
Wachstumsunternehmen sind etwa ebay oder andere Unternehmen der sogenannten „New Economy“ – allerdings ist die Auswahl nicht bloß auf Hochtechnologie-Unternehmen beschränkt, es finden sich durchaus auch Unternehmen in anderen Branchen unter den Wachstumsunternehmen mit jahrelangem stetigem Wachstum.
Die wichtigste Kennzahl für die Aktien-Auswahl ist hier das PEG (Kurs-Gewinn-Wachstums-Verhältnis), daneben kommen aber auch komplexere Methoden, wie die Discounted-Cash-Flow-Methode für die Beurteilung zum Einsatz. Fundamental schaut man als Investor natürlich auch den Gewinn je Aktie (earnings per share, EPS). Die ist immerhin im Jahresabschluss jedes an der Börse notierten Unternehmens klar ausgewiesen, allerdings muss man dabei immer auch auf Verwässerungseffekte achten. Insgesamt sind für die Beurteilung weniger Wissen, aber dennoch einiges an Kenntnissen erforderlich, die man sich aber problemlos auch als Kleinanleger nebenher aneignen kann.
Ein Tipp von uns: Für welche Art von Stock Picking Sie sich auch immer entscheiden – Sie sollten auch immer die Kosten für Ihre Investments im Auge behalten. Hier gibt es – selbst unter den Diskontbrokern – durchaus große Unterschiede. Und laufende Kosten schmälern immerhin ihre Gewinne. Werfen Sie also am besten einmal einen Blick auf unseren Broker-Vergleichsrechner und schauen Sie, wo Sie mit Ihrem Depot am günstigsten davonkommen.
Weiterführende Links
- Vergleichsrechner für Depotanbieter
- Stock Picking
- Was Kleinanleger von Warren Buffet lernen können
- Dividendenstrategien Pro und Contra
- Direktanleger-Strategie zur Kapitalanlage