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Technische Analyse: Die Formationslehre

Nachdem wir uns schon ein wenig mit den Grundlagen der technischen Analyse auseinandergesetzt haben und wie nützlich sie auch für weniger professionell arbeitende Anleger sein kann, wollen wir nun in diesem Beitrag einmal auf die Grundlagen der Formationslehre eingehen, um Ihnen noch etwas praktisch verwertbares Wissen für den Alltag mit Kurstabellen und Charts mitzugeben.

Bedeutung und Aussagekraft von Formationen

Bei der Formationslehre geht es, wie wir schon im ersten Beitrag zum Thema erläutert haben, darum, bestimmte Muster zu erkennen (oder besser: wiederzuerkennen), die immer wieder auftreten. Die grundlegende (immer wieder bestätigte) Annahme ist dabei, dass bestimmte Konstellationen und Gegebenheiten bei den meisten Marktteilnehmer eine ähnliche und immer wieder vorhersagbare Reaktion auslösen.

Wenn man ein bestimmtes Muster erkennt, stehen die Chancen also gut, dass man die nachfolgende Reaktion der Marktteilnehmer – und damit auch deren Auswirkungen und die weitere Kursbewegung – recht verlässlich einschätzen kann. Das gilt zumindest innerhalb bestimmter Grenzen, je mehr Erfahrung man mitbringt, desto verlässlicher wird die Einschätzung klarerweise.

Trendbestätigende und trendumkehrende Muster

Was für die meisten Anleger natürlich am interessantesten ist, ist herauszufinden, ob ein bestimmtes Muster einen vorhandenen Trend noch verstärkt (also bestätigt) oder eher darauf hindeutet, dass der Trend sich nun in die andere Richtung bewegt (also umkehrt). Dementsprechend unterscheidet man bei den bestimmten Mustern der Formationslehre sogenannte Bestätigungsformationen (die also den Trend bestätigen) und sogenannte Umkehrformationen (die darauf hindeuten, dass sich der Kurs in der anderen Richtung fortbewegt).

Interessant zu wissen ist dabei natürlich immer, innerhalb welcher Zeitspanne sich ein Kurs in die andere Richtung verändern wird. Das kann kurzfristig und plötzlich sein, in vielen Fällen erfolgt die Umkehrung des Kurses in einem eher längeren Zeitraum. Das hat markttechnische Gründe – die Verhältnisse, die am Markt herrschen, ändern sich vielfach nicht so schnell. Damit man Umkehrformationen richtig interpretieren kann, muss man natürlich immer nach kurzfristigen und mittelfristigen Kurswende-Formationen richtig unterscheiden können.

Die wichtigsten Formationen in der Übersicht

Auf eine mittelfristige Kursumkehr deuten vor allem folgende Formationen hin: der Doppel- oder Dreifachboden (oder umgekehrt das Doppel- oder Dreifachtop), die sogenannte Schulter-Kopf-Schulter-Formation, Diamanten, Dreiecke und sogenannte Untertassen.

Kurzfristige Kursumkehr kann man bei einigen besonderen Formationen annehmen, etwa bei sogenannten Erschöpfungslücken oder bei Insellücken.
Als bestätigende Kursformationen gelten dagegen vor allem Rechtecke, Flaggen und Wimpelformationen. Hier kann man ein mehr oder weniger deutliches Signal annehmen, dass der Kurs sich in der gleichen Richtung weiter fortbewegen wird.

Interessant sind für die meisten Trader allerdings vor allem die Kurswechselsignale, da ein Kurswechsel immer mehr Potenzial für Gewinne bietet, als ein gleichbleibender Kurs.

Formationen und Muster in Bewegung

Ganz grundsätzlich muss man bei der Formationslehre immer festhalten, dass es dabei nur um Wahrscheinlichkeiten geht. Ein Kurs wird sich WAHRSCHEINLICH umkehren, wenn ein bestimmtes Muster in einer bestimmten Form auftritt. Da Muster aber nie völlig gleich sind, muss man sich immer wieder auf Definitionen verlassen können. Man muss ein Muster also erst einmal erkennen – und anhand einer bestimmten Definition festmachen können, dass es sich tatsächlich um dieses Muster handelt. Auf diesen Aspekt möchten wir hier noch einmal in aller Deutlichkeit hinweisen. Das ist auch der Grund, warum nicht einfach Computerprogramme nach Mustern suchen können und dementsprechend den Kursverlauf prognostizieren. Versuche dazu gibt es zwar, allerdings sind Computer mit ihrer rechnerischen Exaktheit dem erkennenden menschlichen Auge weit unterlegen – und viele Versuche sind deshalb am Ende nur recht wenig erfolgreich.

Wichtig für Sie in der Praxis sind also immer die Definitionen eines Musters. Welche Linien müssen welche Höhe erreichen, wie weit müssen einzelne Bewegungen gehen? Wie weit dürfen sie maximal reichen? In welchem Verhältnis müssen die Bewegungen zueinander stehen und in welchem Zeitrahmen (auch ganz wichtig!) müssen die Bewegungen aufeinander folgen?

Erklärung anhand eines Beispiels: Der Doppelboden

Da Anleger praktischerweise vor allem an Umkehrfomationen interessiert sind, die eine mittelfristige Kurswende und Trendumkehr andeuten, wollen wir uns das anhand eines typischen Beispiels, nämlich des Doppelbodens, einmal ansehen.

Optisch erinnert das Muster eines Doppelbodens an den Buchstaben „W“. Der Kurs sackt zunächst einmal ab, erholt sich in der Folge nur kurz, und sackt dann erneut ab. Das nachfolgende kontinuierliche Steigen des Kurses komplettiert dann die W-Form des Kursmusters.

Wichtig sind hier vor allem die Definitionen – nicht alles, was auf den ersten Blick aussieht wie ein Doppelboden, ist auch tatsächlich einer. Grundlegende Voraussetzung sind auf jeden Fall die beiden unteren Teile des W – der Kurs muss also immer nach einer kurzen Erholung wieder absacken, um die Definition zu erfüllen.

Die Kurshöhe nach der Erholung muss dabei deutlich unter dem Kursstand liegen, der vor dem ersten Absacken angezeigt war. Für die Höhe dieser Linie gibt es verschiedene Definitionen, sie kann sehr unterschiedlich hoch ausfallen, ohne dass das Muster dadurch beeinträchtigt würde. Auch die „Abstürze“ des Kurses sind selten gleich tief. Das ist eher ein sehr seltener Idealfall, den man in der Praxis kaum antrifft. Das W-Muster kann also durchaus verschoben sein und damit manchmal schwer zu erkennen.

Zeitfenster und Kursprognose

Die Zuverlässigkeit der Vorhersage ändert sich in diesem Fall deutlich mit dem Zeitfenster: Grundsätzlich kann man beim Doppelboden davon ausgehen, dass sich die Aussagekraft verringert, je länger das Zeitfenster dieser Formation wird. Doppelböden spielen vor allem im Daytrading eine Rolle – bei einer über Tagesfrist hinausgehenden Entwicklung kann man nur mehr eine deutlich weniger zuverlässige Vorhersage aufgrund eines Doppelbodens treffen.

In der Praxis kommt es häufig aber auch vor, dass man – außerhalb des Daytrading – sogar explizit eine Monatsfrist ansetzt, bis ein Doppelboden fertiggestellt ist und man ihn immer erst dann als Signal wertet. Da die Formation allerdings geometrisch relativ simpel ist, ist die Trefferquote gerade bei langfristiger Entwicklung nur sehr eingeschränkt. Bei der langfristigen Betrachtung gehen viele Experten davon aus, dass zwischen den beiden „Hochs“ in der Mitte der W-Formation mindestens zwei Wochen liegen müssen, damit die Formation als solche eine entsprechende Interpretation zulässt und nach ihrer Vollendung tatsächlich ein Signal für einen steigenden Kurs darstellt.

Fachlich gesehen lässt der Doppelboden auch eine Kursprognose zu – jedenfalls theoretisch. Man geht davon aus, dass der Kurs mindestens doppelt so hoch steigen wird, wie er nach der Erholung gefallen war. Das bedeutet: Wenn Sie das zweite Bein des W abmessen, können Sie theoretisch davon ausgehen, dass der Kurs danach die Bewegung wieder doppelt gut macht. War das zweite Bein unserer W-Formation also ein Absacken von 15 Punkten, können Sie davon ausgehen, dass das Kursziel bei rund 30 Punkten über der Sohle liegen wird. So lautet zumindest die Theorie – in der Praxis bewahrheitet sich das leider nicht immer so, im Allgemeinen sind nur rund 20 % aller Formationen in der Lage, die theoretischen Prognosewerte auch tatsächlich zu erreichen.

Was man immer berücksichtigen muss, wenn man Doppelböden betrachtet, ist, dass sie immer nur dann vollständig sind, wenn der wieder aufsteigende Kurs zumindest den Punkt der kurzen Erholung in der Mitte überwindet. Mit Überschreiten dieses Punktes ist die Formation vollständig und eine entsprechende Aussagekraft gegeben. Achten muss man – gerade beim Doppelboden – aber auch immer darauf, dass die wieder aufsteigende Kursbewegung auch tatsächlich ausreichend Kraft und Schwung hat, der erkennbar sein muss, ansonsten fällt er oft nach dem Ansteigen wieder zurück.

Dieses Beispiel sollte Ihnen zunächst einmal veranschaulichen, wie das Arbeiten mit Formationen grundsätzlich geht – und auf wie viele Dinge man dabei achten muss. Daneben sollte man sich natürlich auch immer fragen, ob es eine plausible Erklärung für die Kursbewegung geben könnte, und ob sich diese Erklärung mit der Ausbildung eines Doppelbodens auch tatsächlich deckt. Manchmal lassen bestimmte Nachrichten oder Gegebenheiten eher etwas anderes vermuten. Auch das muss nicht immer stimmen, aber in der Regel sollten vorhandene Auslöser und Reaktions-Muster schon immer zueinander passen.

Dreifachböden

Sieht man in der Analyse einen Dreifachboden, kann man davon ausgehen, dass die Aussagekraft höher ist, als beim Doppelboden. Dreifachböden treten in der Praxis aber äußerst selten auf, und sind lediglich eine Ausnahmeerscheinung. Die umgekehrte Variante, das sogenannte Dreifachtop (das dann nicht wie ein „W“ sondern wie ein „M“ aussieht) ist in der Praxis sogar noch seltener.

Orders setzen beim Doppelboden

Wie sollte man nun seine Orders setzen? Ein weiser Rat von Experten ist, immer erst zu warten, bis man sieht, dass eine Formation tatsächlich vollständig ist. Muster ähneln sich oft noch, während sie sich ausbilden – und man kann anfangs kaum sagen, ob es das eine oder das andere Muster wird. Wer dann seine Positionen voreilig setzt (in der Fachsprache heißt das „eine Position antizipieren“) der kann damit ganz schön Schiffbruch erleiden. Optimal wäre auch, das Kursziel, das prognostiziert wird, möglichst vorsichtig zu betrachten und nicht auf die höchste prognostizierte Position zu setzen, sondern immer etwas darunter zu bleiben. Das Setzen auf Kursziele ist schon fast ein Glücksspiel, angesichts der mageren 20 % aller Formationen, die diese Ziele in der Praxis überhaupt erreichen. Das ist beinahe nur noch ein Spiel mit dem Zufall.

Was man in der Praxis tatsächlich tut, hängt natürlich immer davon ab, womit man tradet und mit welchem Ziel man tradet. Daytrader und Trader mit sehr kurzfristigem Anlagehorizont werden völlig andere Maßnahmen setzen, als jemand, der ein langfristiges Anlageziel verfolgt und einfach nur seinen Gewinn optimieren möchte. In der Praxis hängt es also immer vom eigenen Trading-Ziel ab, wie man Informationen aus den Charts für sich nutzt – und ob überhaupt. Eine der zahlreichen Experten-Empfehlungen bei Aktien ist, zu kaufen, wenn die sogenannte „Nackenlinie“ (eine waagrechte Linie durch den Tiefpunkt) um 3 – 5 % überschritten wird und zu verkaufen, wenn die Nackenlinie um 3 – 5 % unterschritten wird. Diese Angabe ist allerdings so allgemein und vage, dass man dabei immer kritisch sein sollte. „Patent-Rezepte“ und Handlungsanleitungen, die für alle gelten sollen, sind bei der technischen Analyse eher recht problematisch.

In den nächsten Beiträgen werden wir uns dann noch etwas eingehender mit einigen anderen wichtigen Formationen wie Schulter-Kopf-Schulter und Flaggen und Wimpeln beschäftigen. Damit sollten Sie später in der Lage sein, die wichtigsten Formationen in Charts zu erkennen.

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