Immer wieder geistert das Thema durch die Medien: Kleine Anleger, die durch die Pleite eines Unternehmens oder durch eine schlecht entwickelnde Anlage ihre gesamten Ersparnisse – oder wenigstens einen großen Teil davon verlieren. Ältere Menschen, die vertrauensvoll Bankprodukte kaufen, nur um dann festzustellen, dass sie damit schon in kurzer Zeit viel Geld verlieren. Das Thema „Risiko“ geistert durch die gesamte Kleinanleger-Welt – wird in der Praxis aber häufig einfach verdrängt oder ignoriert. Das ist durchaus menschlich – aber nicht besonders klug, gerade dann nicht, wenn es um unser Erspartes geht. Wir wollen uns deshalb in diesem Beitrag einmal ausführlich dem Thema Risiko widmen, und auch ein wenig der „Risiko-Psychologie“.
Risiko und Anlagen
Grundsätzlich sollten bei jeder Anlage – und unabhängig davon, ob man Kleinanleger ist oder nicht – Anlagenrisiko und Renditemöglichkeiten in einem sinnvollen Verhältnis zueinander stehen. Investments sind dann „gut“, wenn Risiko und Rendite in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen.
Hier wird es aber bereits kompliziert, vor allem für den Kleinanleger. Eine satte Rendite kann natürlich jeder brauchen – ein hohes Risiko kann aber nicht jeder verkraften. Welches Risiko man persönlich eingehen kann, ist vor allem eine Sache der persönlichen finanziellen Situation – das wird allzu oft übersehen. Selbst das geringe Risiko einzelner Anleihen kann in bestimmten Situationen bereits zu hoch sein, weil man es nicht tragen kann.
Bei der Auswahl einer Anlage oder einer Anlageform spielt also vor allem die folgende Frage eine Rolle: Welchen VERLUST kann ich mir überhaupt leisten?
Diese Denkweise kommt uns nun nicht gerade entgegen – als Menschen hoffen wir immer auf das Positive, und spielen das Risiko dabei gerne in unseren Gedanken herunter. Das macht im Fall einer Anlage ja auch Sinn: Kein Mensch möchte sein Geld, das er schon hat, einfach so einem Risiko aussetzen – da wäre es ja viel sicher, es einfach zu behalten und unter der Matratze vor allem Übel sorgsam zu beschützen. Also schauen wir vor allem darauf, wie viel Geld wir ZUSÄTZLICH GEWINNEN können – da dies ja den einzig „vernünftigen“ Grund für eine Anlage überhaupt darstellt. Wir sehen also vor allem auf die mögliche Rendite.
Tatsächlich sollte aber das leistbare Risiko die Form der Anlage, das Anlagevolumen bestimmen, und nicht die (mögliche) Gewinnerwartung. Nur wer seine persönlichen Risiko-Limits immer sauber einhält, kann sich vor Schaden auch ausreichend schützen. Als vernünftiger Anleger sollte man sich diese Denkweise immer zu eigen machen.
Werden Anleger „ins Risiko getrieben“?
Die Wirtschaft in den letzten Jahren war nicht überall glänzend, und auf den Märkten herrschte in den letzten Jahren viel Bewegung. Die Turbulenz der Märkte hatte dazu geführt, dass das Bedürfnis nach festverzinslichen und garantierten Anlagen immer größer wurde. Getreu dem Gesetz von Angebot und Nachfrage sanken dann auch die Zinsen von festverzinslichen Anlagen sogar noch weiter – übergroße Nachfrage verschlechtert einfach die Bedingungen. Viele gefragte Anleihen, denen man hohe Sicherheit zuschreibt, rutschten in den Bereich zwischen kaum mehr Zinsen bis zu sogar negativen Zinsen: Wer sein Geld sicher aufbewahrt wissen will, muss vielfach dafür sogar noch zahlen.
Das wird oft als Argument für die These genommen, dass die derzeitige Lage Anleger, vor allem kleinere und finanzschwache Anleger „ins Risiko zwingt“. Das mag auf den ersten Blick stimmen – so ganz können wir es aber trotzdem nicht unterschreiben. Es spricht nämlich dem einzelnen Anleger die Eigenverantwortung für sein Risikomanagement ab – und wer vernünftig und eigenverantwortlich handelt, kann sein persönliches Risiko durchaus wirksam begrenzen.
Hier gilt der selbe Grundsatz wie für jedes Unternehmen auch: Jede Firma hat das Risiko, dass niemand das Produkt haben will, dass ein Akku explodiert und Kunden verletzt und den Firmennamen schwer schädigt, dass das Betriebsgebäude abbrennt oder dass Kunden nicht zahlen. Es ist Sache des Unternehmens, sich gegen diese Risiken ausreichend abzusichern. Nicht „der Markt“ treibt das Unternehmen ins Risiko – es ist Sache des Unternehmens, sich gegen vorhandene und erkannte Risiken abzusichern.
Das gleiche Prinzip gilt auch für uns Kleinanleger – nur dass Risikoabsicherung eben im Falle des Kleinanlegers eben etwas anders aussieht, als für ein Unternehmen.
Anlagen mit Geld, das Sie „nicht brauchen“ – eine Risikostrategie
Können Sie sich noch erinnern? Vor ein paar Jahren geisterte dieser Spruch noch als Binsenweisheit durch die gesamte Anlegerwelt. Man sollte nur Geld anlegen, das man „nicht braucht“. Heute führt eine solche Weisheit, würde man sie öffentlich verkünden, wahrscheinlich zu einer Menge Stirnrunzeln. So ganz unwahr ist sie deshalb aber noch immer nicht geworden.
Was bedeutet eigentlich „Geld, das wir nicht brauchen“? Jeder, der ein durchschnittliches Gehalt verdient, wird wahrscheinlich kaum über Geld verfügen, das er nicht braucht. Recht vielen Menschen in Deutschland, die einkommensmäßig und finanziell nicht so gut gestellt sind, würden sogar eher noch mehr Geld brauchen, als sie eigentlich Monat für Monat bekommen. Von Überfluss also keine Spur.
Genau hier kommt aber Risikomanagement ins Spiel. Wer seine gesamte Altersvorsorge in „tolle Windkraftwerke“ steckt, und nach der Bauchlandung des Unternehmens dann nach 10 Jahren mit nichts dasteht, hat etwas falsch gemacht. Hinter solchen Geschichten steckt ein völlig falsch verstandenes Risikomanagement. Es herrscht der Glaube: „Ich muss all mein Geld in eine sichere Anlage stecken, dann ist alles gut“. Nein ist es nicht – wie man in vielen traurigen Fällen dann sehen kann.
Finanzmanagement ist eine viel komplexere Sache – auch für den Kleinanleger. Verluste sind immer schmerzhaft, aber man muss unter allen Umständen vermeiden, dass sie einem das Leben ruinieren. Das sind erhoffte Gewinnerwartungen nämlich nicht wert. Niemals.
Stufenweise „Geld frei machen“
Das schon etwas antiquiert wirkende mehrstufige Anlagesystem, wie es früher oft empfohlen wurde, ist eine gute Möglichkeit, sein persönliches Risiko zu minimieren. Es teilt das persönliche Anlagvermögen grundsätzlich in einen kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Anlageteil.
Das bedeutet:
1. Eine kurzfristige Reserve für Notfälle und zum kurzfristigen „Finanzausgleich“
2. Eine Reserve für mittelfristige Härtefälle
3. Eine langfristige Anlage (Vermögensaufbau, Altersvorsorge)
Die drei Säulen der Anlage werden dabei von 1 bis 3 gleichmäßig bedient – und zwar in dieser Reihenfolge. Zunächst gilt es die kurzfristige Reserve aufzubauen. Wie hoch sie ist, hängt von ihrer persönlichen Situation und ihren verfügbaren Geldmitteln ab, in der Regel sollten Sie aber von rund 1 – 2 Monatsgehältern ausgehen. Dieser Betrag wird zunächst angespart, und bleibt dann immer konstant. Abgeschöpft wird immer nur der ÜBERSCHUSS.
Für die zweite Säule sollte ein Überschuss von rund 6 Monatsgehältern aufgebaut werden. Naturgemäß kann das aber gerade in diesem Bereich stark schwanken, da die persönliche Situation oft unterschiedlich ist. Bis zu einem Jahresgehalt in Reserve zu haben kann durchaus sinnvoll sein. Auch hier wird der nur Überschuss abgeschöpft und in eine langfristige Anlage transferiert. Die mittelfristige Anlage bleibt konstant.
Bei den ersten beiden Säulen spielen Zinsen nur eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist hier vor allem, dass Sie das Geld VERFÜGBAR haben. Mit diesen beiden Säulen können Sie nahezu jede auftretende Krise finanziell gut meistern und schlittern nicht in irgendwelche Katastrophen.
Erst alles, was darüber hinausgeht, kommt in eine langfristige Anlage. Sie können natürlich auch alle drei Säulen gleichzeitig aufbauen (das wird häufig empfohlen) – das heißt, ein Drittel ihres Sparvermögens geht in die kurzfristige, die langfristige und die mittelfristige Anlageform. Für die eigene Sicherheit kann man die einzelnen Anlagen aber auch nacheinander aufbauen. Abgeschöpft wird immer nur bis zur jeweils festgelegten Grenze, entnommenes wird immer wieder aufgefüllt (von oben nach unten, das heißt die mittelfristige Anlage füllt unter Umständen die kurzfristige wieder auf, wenn nötig, nicht umgekehrt).
Jede Anlagesäule wird immer in einem anderen Produkt angelegt, eine Aufteilung jeder Säule auf mehrere Produkte ist meist sinnvoll. Gerade für die langfristige Anlage sollte man dann aber noch etwas weiter denken.
Zugegeben: die Strategie wirkt etwas antiquiert und langatmig, da es hier um teilweise sehr lange Zeiträume geht, in denen man etwas aufbaut, und um eine Menge „ungenutztes“ Kapital in der mittleren und kurzfristigen Anlage. Genau das ist aber der Sinn der Sache – langfristige Konstanz und Sicherheit aufzubauen, egal was gerade passiert. Je weniger Geld Sie zur Verfügung haben, desto länger wird der Aufbau dauern – das ist unabdingbar – aber desto wichtiger ist das Säulenmodell auch für Sie.
Die Vertrauens-Krise
Viele unseriöse Anleger beschäftigen sich hauptberuflich vor allem mit einer Tätigkeit: ein Risiko wegzureden. Den heldenhafte und ausdauernde Versuch allein, alle möglichen real existierenden Risiken kleinzureden könnte allein schon als Hinweis auf eine eher zweifelhafte Anlagemöglichkeit gelten – in der Praxis ist das meist aber deutlich komplexer. Natürlich ist auch jedem Anbieter von Kapitalanlagen bewusst, dass er Anlegern vor allem ein Gefühl geben muss, dass sie ihr Geld keinem Risiko aussetzen und es sich um eine sichere Anlage handelt. In manchen Fällen wird dieser Punkt dann oft überstrapaziert, und es entsteht (oft auch unbewusst) eine etwas schiefe Optik.
Grundsätzlich muss man bei Anlagen aber immer mit möglichen hohen Verlusten (bis hin zum Totalverlust) rechnen – egal was einem erzählt wird. Ein Risiko besteht immer. Besonders schmerzhaft ist das natürlich bei Anlagen, die der Altersversorgung dienen. Sie werden oft über lange Zeit aufgebaut, und wenn sie verloren gehen, fängt man wieder von vorne an. Passiert das, wenn man schon 40 ist, hat man tatsächlich viel verloren und kann das oft kaum mehr wirklich gutmachen.
Sicherheit bietet hier nur Streuung auf verschiedene Produkte, und möglichst eine Absicherung durch eine besonders breite Anlage. Der Aktienmarkt bietet hier eine durchaus recht gute Möglichkeit zur breiten Streuung – sein Portfolio kann man sich sehr gut aus mehreren Aktien zusammenstellen. Das sollte man auch, denn selbst das beste Unternehmen ist nicht dagegen gefeit, Schaden zu erleiden und massive Verluste hinzulegen – siehe die „Volksaktie“ Volkswagen.
Grundsätzlich sollten Sie aber wirklich nur in wirklich vertrauenswürdige Anlagen investieren und ihr Risiko immer SELBST begrenzen. Glauben Sie weniger dem, was man Ihnen erzählt, und schauen Sie unbedingt darauf, dass Sie auch im Worst Case (Totalverlust) noch Optionen haben.
Value-at-Risk
Gerade bei Aktien ist ein Wert eine recht gute Hilfe für die Auswahl: der Value-at-Risk (VaR), im Deutschen auch als Wert im Risiko bezeichnet. Er gibt an, welches Verlustrisiko bis zu welcher Höhe in einem Zeitraum wahrscheinlich ist.
Ein absolut gültiges Maß aller Dinge ist der Wert zwar nicht, und bei längeren Haltedauern wird er zunehmend ungenau, er gibt aber eine recht brauchbare Einschätzung, vor allem wenn für die Berechnung auf eine recht breite Datenbasis zurückgegriffen wird (etwa bei Aktien, die schon lange auf dem Markt sind).
Ein Value-at-Risk kann beispielsweise lauten: Ein Verlust von mehr als 1.000 Euro im Verlauf eines Monats wird mit 98%iger Wahrscheinlichkeit nicht eintreten. Das sind viele Zahlen, und natürlich müssen Sie das Risiko über längere Zeiträume addieren, aber immerhin gibt das bereits einen ersten Anhaltspunkt. Ausgegangen wird beim VaR allerdings immer nur von „normalen“ Umständen – Unvorhergesehenes wird dabei nur bedingt berücksichtigt. Das Risiko von höheren Verlusten besteht mit einigen wenigen Prozentbruchteilen dennoch immer.
Zumindest können Sie so Ihr Risiko immer ein wenig beziffern und notfalls Maßnahmen für den Ausgleich von Verlusten planen.
RISIKO: Ein Thema, das Kleinanleger oft zu wenig beachten,Anzeige
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