Rente auf dem Aktienmarkt – ist das wirklich so schlecht?
Es wird wieder Bundestagswahl. Damit ist klar, welches Thema nun wieder, wie auch sonst bei solchen Gelegenheiten, in schöner Regelmäßigkeit auf den Tisch kommt: die Rente. Mit allen Mitteln will die Regierung Altersarmut bekämpfen. Woran sich jüngst die Gemüter erhitzten, war die geplante Betriebsrenten-Reform, die nun helfen soll, Altersarmut zu bekämpfen. Wesentlichster Kritikpunkt – was am Ende herauskommt, bestimmen vor allem Gewinne auf dem Aktienmarkt. Teilweise war sogar von „Zocker-Rente“ die Rede. Ob man tatsächlich so schlecht von einer Rente die von Aktienmarkt abhängt denken sollte, und warum hier mit zweierlei Maß gemessen wird, beleuchtet unser Beitrag.
Das will das neue Betriebsrenten-Gesetz
Die Betriebsrente an sich ist kein neuer Einfall – die gibt es schon immer. Seit 2002 hat auch jeder Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf eine Betriebsrente – soweit sind die Voraussetzungen also schon lange gegeben. Bis heute gibt es rund 15 Millionen betriebliche Altersvorsorge-Verträge, im deutschen Rentensystem sind diese Verträge also durchaus eine beachtliche Stütze für die Rentenkasse.
Problematisch ist dabei bislang nur die Verteilung solcher Renten: In den Genuss einer betrieblichen Altersvorsorge kommen fast ausschließlich jene, die in großen Konzernen als Arbeitnehmer beschäftigt sind. Die Angestellten von Klein- oder Mittelbetrieben haben nur in den seltensten Fällen eine Betriebsrente. Das weitere, noch viel gravierendere Problem ist, dass gerade Geringverdiener kaum die Möglichkeit haben, solche betrieblichen Rentenverträge abzuschließen – weil sie für sie kaum finanzierbar sind.
Wer nicht viel verdient, und damit nicht viel in diese Rente einzahlen kann, legt sich damit sogar gleich zweimal ein Ei: Einerseits sind die Möglichkeiten eine substanzielle Rente zu erwirtschaften, gering, andererseits ist gerade bei Geringverdienern noch nachteiliger, wenn diese „Mini-Rente“ dann später auch noch auf die Grundsicherung angerechnet wird.
Das neue Modell sieht einerseits vor, dass Arbeitgeber die Betriebsrente vorab schon vom Brutto-Gehalt abführen können, und damit Sozialabgaben sparen, weil die Brutto-Gehälter um die Rente vermindert werden. Für die Arbeitnehmer soll es bei geringen Einkünften steuerliche Zuschüsse geben, damit sie sich eine Betriebsrente besser leisten können, zusätzlich müssen die Arbeitgeber auch einen Teil ihres Steuervorteils durch die Sozialabgaben mit einzahlen. Verwaltet werden soll die Rente von den Sozialpartnern (Gewerkschaften, etc.) und nicht vom Arbeitgeber. Arbeitnehmer müssen dabei in Zukunft der Betriebsrente von sich aus widersprechen – ansonsten gilt sie automatisch und die Beträge werden automatisch eingezahlt.
Soweit, so gut – das Modell scheint immerhin sinnvoll zu sein. Der wirkliche Stein des Anstoßes ist allerdings ein anderer: es soll die sogenannte Garantie-Rendite wegfallen – und damit soll mehr Geld von den angesparten Beträgen in den Aktienmarkt fließen können. An diesem Punkt legen sich derzeit andere Parteien quer und sprechen sogar von „Betrugs-Rente“. Und genau diesen Punkt wollen wir uns einmal näher ansehen, da wir finden, dass genau diese Thematik eine hohe Bedeutung für ALLE Anleger hat – unabhängig davon, ob es um die Rente geht, oder nicht.
Was ist schlecht am Aktienmarkt?
Die anderen Parteien, die sich so massiv gegen den Vorschlag von Arbeitsministerin Nahles wehren, bedienen ein schon recht altes Vorurteil: Dass der Aktienmarkt „unsicher“ ist. Sprich: wenn man Geld in den Aktienmarkt steckt, ist das, was an Rendite später herauskommt, ganz einfach Glückssache. So, als würde man das Geld ins Kasino tragen. Das ist natürlich mitnichten so.
Da bislang noch nicht einmal klar ist, WIE das von den Arbeitnehmern eingezahlte Geld überhaupt am Aktienmarkt veranlagt werden soll, ist das Vorurteil völlig pauschal und richtet sich gegen den gesamten Aktienmarkt als solchen. So kann man das aber ganz sicher nicht stehen lassen – kein Problem mit Kritik oder Vorsicht, aber ein wenig differenziert und fundiert sollte Kritik schon sein, wenn man sie anbringt.
Das Problem ergibt sich, und so weit ist das auch nachvollziehbar, vor allem aus den derzeitig niedrigen Zinsen, die praktisch bei fast allen garantierten Anlagemöglichkeiten herrschen. Darunter leiden auch fast alle Pensionsfonds und ähnliche Vorsorge-Anlageformen heute, die dadurch gezwungen sind, immer mehr ins Risiko zu gehen. Für den Moment muss man das aber eben einmal als Markt-Tatsache behandeln – und akzeptieren, dass man dafür Lösungen finden muss. Woher sollte Rendite denn sonst kommen, wenn kaum Zinsen bei Staatsanleihen und Ähnlichem zu bekommen sind?
Und alle möglichen Pläne von SPD und CDU, wie man das deutsche Rentensystem „retten“ könnte bewegen sich auch jetzt schon in Kostenhöhen, die an die Rettung Griechenlands erinnern. Und das nur, um das Rentenniveau auf heutigem (ohnehin nicht ausreichendem) Stand zu fixieren oder zumindest Arbeitnehmern 50 % des letzten Einkommens als Rente zahlen zu können.
Wo Politik und Stiftung Warentest ähnlich denken: Invest4Life und das Verbot
Auch die Versicherer haben mitgedacht – sogar schon länger als die Bundesregierung. Ergebnis des Nachdenkens waren Vorsorge-Produkte, die fachlich als „Variable Annuities Produkte“ eingestuft werden.
Bei solchen Vorsorge-Produkten – derzeit sind in Deutschland die Produkte Invest4Life (Allianz) und Twinstar (Axa) am bekanntesten – gibt es ebenfalls eine Garantie, wie bei klassischen fondsgebundenen Rentenversicherungen. Die Garantie dieser Versicherungsprodukte wird aber nicht über einen Garantiezins bestimmt, sondern über Finanzderivate. Das heißt, was am Ende herauskommt, hängt von Aktienwerten, Zinssätzen oder bestimmten Indexwerten ab.
Wegen der großen „Unsicherheit“ und der fehlenden handfesten Garantien hat man diese Produkte in Deutschland gleich einmal verboten. Erhältlich sind einige davon zwar über ausländische Töchter der großen Unternehmen, uns interessiert hier aber in erster Linie einmal das Verbot.
Als „Garantie“ scheint man hierzulande immer noch zu verstehen, dass man für eine Einzahlung von Betrag A am Ende mindestens Betrag A + xy Zinsen herausbekommt. Alles andere wird einmal vom Tisch gefegt.
Wie Variable Annuities in der Praxis funktionieren
Variable Annuities sind nicht so kompliziert konstruiert, wie das auf den ersten Blick scheint – oder wie man Bürger gern glauben möchte. Zunächst einmal werden die Beiträge gesplittet: Ein Teil ist das tatsächliche Anlage-Volumen, ein anderer (kleinerer Teil) wird dafür verwendet, Hedgings (also Absicherungen) zu kaufen.
Die Hedgings sind, wenn sie gut gewählt werden, durchaus ein Mittel, Sicherheit herzustellen. Einziges Manko: diese Sicherheiten sind endfällig, das heißt WÄHREND des Zeitraums in dem die Versicherung läuft gibt es keine Absicherung (etwa bei vorzeitigem Beenden des Vertrags, dann greifen die Sicherungsmechanismen nicht).
Sieht man sich das Modell im Detail an, dann entsteht durchaus sehr viel Transparenz, auch während der Laufzeit. Garantiekosten werden immer explizit veröffentlicht, es gibt außerdem eine Beitragsgarantie und durchaus hohe Renditechancen, wenn sich der Aktienmarkt gut entwickelt.
Ein theoretisches Risiko besteht in diesem Fall auch, wenn der Versicherer ausfällt (also insolvent wird). Dann wären die Garantien nichtig. Allerdings wird das bei großen Versicherungsunternehmen wie Axa oder Allianz oder auch anderen großen Versicherern wohl kaum zu befürchten sein.
In jedem Fall kann man nicht einfach alles, was vom Aktienmarkt abhängt (das tun ja Pensionsfonds, private Altersvorsorgen und andere gleich gelagerte Verträge auch in genau der selben Weise) als „unsicher“ vom Tisch wischen.
Jenseits der organisierten Vorsorgen
Wenn das Gesetz über Betriebsrenten kommt, ist man als Arbeitnehmer ohnehin in der Pflicht. Das Rentenergebnis wird sich dann je nach Fähigkeiten und Erfahrung der Fondsmanager entwickeln.
Wenn das Modell nicht kommt, oder man die Chance hat, der „Betriebsrente neu“ zu entkommen, sieht es für einen selbst als Anleger deutlich besser aus. Dann kann man nämlich die Vorsorge selbst in die Hand nehmen – und das ist immer noch etwas, wozu wir jedem raten würden.
Die beste Möglichkeit, auch als Geringverdiener, ist und bleibt SELBST für sein Alter vorzusorgen. Dann hat man nämlich immer die komplette Kontrolle über das, was man an Geld einzahlt, wohin man es einzahlt und darüber, ob diese Entscheidungen auch sinnvoll sind. In diesem Fall wollen wir (ein weiteres Mal) auf Indexfonds als Anlagemöglichkeit hinweisen, aber auch andere Anlageformen nicht ausklammern.
Wie viel „Zocken“ bedeutet Geld am Aktienmarkt wirklich?
Diese zentrale Frage muss man immer wieder einmal aufwerfen – denn sie steckt eigentlich grundsätzlicher hinter all dem, was hier politisch in der Waagschale liegt und entweder hochgelobt oder verteufelt wird.
Eines ist klar: Wenn Sie die Wahl haben mit einem Sparbuch mit 5 % Garantiezins und der Anlage auf dem Aktienmarkt – dann sollten Sie das Sparbuch wählen. DIESE WAHL HABEN SIE ABER NICHT. Und auch große Fondsunternehmen und Pensionsversicherer haben sie nicht. Also MÜSSEN Sie etwas anderes tun. In Zukunft dürfen wir wohl alle froh sein, wenn wir nicht noch 3 % Zinsen ZAHLEN müssen, damit wir unser Geld überhaupt irgendwo parken DÜRFEN.
Bei den verbleibenden Möglichkeiten gibt es natürlich immer ein kleines Risiko – das sich aber gerade bei überlegten und langfristigen Anlagen STARK RELATIVIERT. Je konstanter ihre Anlage ist, desto mehr schmilzt das Risiko zusammen, und kleinere Verluste können Sie über lange Zeiträume problemlos wieder aufholen.
Das wollen wir gerade einmal an einem kleinen Beispiel illustrieren – nämlich an der VW-Aktie. Trotz der katastrophalen Entwicklungen nach dem Dieselgate sieht die Entwicklung der Aktie LANGFRISTIG immer noch sehr beeindruckend aus:
1991 lag der Jahres-Schlusskurs der Aktie bei 15,08 Euro
Nach einigen Einbrüchen und Berg- und Talfahrten konnten Sie 1995 einen Jahresschlusskurs von 17,41 Euro verbuchen. Die Aktien waren in diesen Jahren also ein klein wenig gestiegen.
Im Jahr 2001 betrug der Schlusskurs nach einem Tief in den vorangegangenen Jahren immerhin 32,50 Euro – der Wert der Aktien hätte sich in den zehn Jahren Ihrer Anlage immerhin verdoppelt. Im Jahr 2011, weitere 10 Jahre später, wären Ihre Aktien 123,50 Euro wert gewesen. Der Wert Ihrer Anlage hätte sich in zwanzig Jahren also fast verzehnfacht. Nach 25 Jahren – also im Jahr 2016 – hätten die Aktien TROTZ DIESELGATE immer noch einen Wert von 131,00 Euro gehabt. (Ohne Dieselgate und die Kurseinbrüche wäre der Wert wohl höher gestiegen, 2014 lag er immerhin bereits über der 200-Euro-Marke, danach knapp darunter).
Das zeigt, dass man durch langfristige, überlegte Aktieninvestments immer noch gute Ergebnisse erzielen kann. Selbst bei Härtefällen wie VW passiert auf sehr lange Sicht häufig nicht viel Negatives. 10.000 Euro im Jahr 1991 wären nach 25 Jahren zu einem deutlich höheren Betrag geworden.
Indexfonds haben häufig noch viel positivere Entwicklungen zu verzeichnen, und sind auch als Sparpläne recht kostengünstig. Lesen Sie mehr darüber in unserem Beitrag über Indexfonds.