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Ölpreis – Signal und Wirtschaftsfaktor

In keinem Börsenjournal wird jemals versäumt, den aktuellen Stand des Ölpreises zu vermelden. Gerade als privaten Anlegern ist vielen nur sehr unklar, welche Bedeutung der Ölpreis für die Wirtschaft hat. Dabei ist er eine sehr wichtige grundlegende Kennzahl. Daneben spielt der Stand des Ölpreises umgekehrt auch eine wichtige Rolle für die Wirtschaft. Was es mit dem Ölpreis tatsächlich auf sich hat und welche wichtige Rolle er für das Wirtschaftsgeschehen hat, soll deshalb in unserem Beitrag einmal grundsätzlich erklärt werden.

Der Ölpreis

Hier beginnt es bereits, kompliziert zu werden. „Den“ Ölpreis gibt es nämlich gar nicht. Da es auf dem Markt eine Vielzahl von Ölsorten gibt, die alle eine unterschiedliche Zusammensetzung und eine unterschiedliche Qualität haben, gibt es demnach auch viele verschiedene Ölpreise. Ein Großteil der Ölsorten wird noch dazu nicht über die Börse gehandelt, sondern direkt zwischen zwei Vertragsparteien. Die Preise orientieren sich dabei aber immer relativ genau an den Ölbörsen NYMEX (New York) und ICE Futures (London). Andere wichtige Rohöl-Börsen sind die ARA (Rotterdam), die SHFE (Shanghai) und die SGX (Singapur).

Um welche Ölsorte geht es dabei?

Beim Ölpreis aus den Nachrichten geht es im Wesentlichen um die Preise für nur zwei bestimmte Rohölsorten: Brent (für den europäischen Raum) und die Sorte WTI für Nordamerika. Brent wird in der Nordsee gewonnen, das West Texas Intermediate kommt, wie der Name schon vermuten lässt, aus Texas. Beide Sorten haben eine ähnliche Charakteristik. Diese beiden Sorten bestimmen also „den Ölpreis“ auf den beiden Kontinenten.

Wie wird der Ölpreis ermittelt?

Wie auch viele andere Preise wird der Preis für die jeweilige Ölsorte ganz einfach nach dem Angebot-und-Nachfrage-Prinzip bestimmt. Das heißt, je knapper das gerade verfügbare Angebot und je höher die Nachfrage, desto höher auch der Preis. Umgekehrt ist bei einem Überangebot und geringer Nachfrage der Preis natürlich besonders niedrig.

Soweit wäre das noch ganz einleuchtend – und auch relativ unbedeutend, wenn Öl nicht ein ganz besonderer Stoff wäre. Poetisch könnte man sagen, Erdöl ist beinahe die Hauptzutat, aus der unsere Wirtschaft gemacht ist. So kann man beispielsweise erkennen, dass bei steigenden Realeinkommen auch deutlich die Nachfrage nach Öl steigt und damit auch der Ölpreis, da mit steigendem Realeinkommen auch höhere Ölpreise akzeptiert werden können. Bei sinkenden Realeinkommen werden vor allem andere Güter weniger konsumiert, wenn der Ölpreis hoch ist. Dahinter stehen komplexe, aber klar beweisbare Zusammenhänge – Erdöl ist, auch wenn man das auf den ersten Blick nicht sieht, tatsächlich ein wichtiger Teil der Grundversorgung für Menschen in zivilisierten Ländern. Immerhin verbrauchen wir auch pro Tag (!) rund 14 Milliarden Liter des kostbaren fossilen Rohstoffs. Damit hat der Ölpreis eine relativ wichtige Bedeutung für unser gesamtes Wirtschaftsleben. Und er ist auch ein wichtiges Signal für wirtschaftliche Entwicklungen und die wirtschaftliche Situation.
Wichtig dabei zu wissen: der Ölpreis ist unter den Rohstoffen einer der Rohstoffe mit der geringsten Preiselastizität. In der Praxis bedeutet das: Der Ölpreis reagiert sehr sensibel auf die kleinsten Änderungen bei Angebot und Nachfrage. Darum ist er ein so brauchbares (weil empfindliches und exakt reagierendes) Barometer.

Angebot und Nachfrage

Sowohl die Angebotslage als vor allem auch die Nachfragelage werden von sehr vielen Faktoren bestimmt. Vor allem die Nachfrage nach Öl wird von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt, die wiederum in direktem Zusammenhang mit der Wirtschaft (vor allem der Industriestaaten, aber auch in den größeren Schwellenländern wie China oder Brasilien) stehen.

Das Wirtschaftswachstum der westlichen Industrienationen bestimmt weitgehend die Nachfrage für Rohöl. Dieser direkte Zusammenhang ist noch einleuchtend. Der Einfluss steigender oder sinkender Realeinkommen auf den Ölpreis ist schon etwas komplizierter zu fassen. Das sind aber nur zwei der Faktoren, die die Nachfrage beeinflussen. Eine Menge anderer Faktoren haben aber ebenfalls einen Einfluss auf den Ölpreis: So beeinflussen Wechselkurse und Zinsen den Ölpreis auch sehr dezitiert, die Zusammenhänge sind in diesen Fällen allerdings etwas komplizierter.

Auch die Angebotsseite hat natürlich einen wesentlichen Einfluss auf die Höhe des Ölpreises. Einerseits ändert sich die Aussage über verfügbare Reserven ständig (und verändert damit natürlich das Preisniveau), andererseits besteht auch umgekehrt wiederum ein Zusammenhang zwischen Ölpreis und Förderung: Je höher der Ölpreis, desto eher lohnen sich auch kostenaufwändigere Förderungen, die bei niedrigerem Ölpreis nicht lohnenswert zu fördern wären. Hier besteht also ein permanentes gegenseitiges Beeinflussen zwischen der Menge der (ökonomisch sinnvoll) verfügbaren Reserven und dem Ölpreis.

Ein wichtiger Faktor für die Angebotsseite sind aber klarerweise auch die von den OPEC-Staaten festgelegten Fördermengen. Dadurch dass all die fördernden Staaten in Bezug auf die Festlegung der Fördermengen kooperieren, kommt es auch zu einer messbaren Preisverzerrung durch die Ölpolitik der OPEC-Länder. Je nachdem welche Entscheidungen sie treffen, kann das den Ölpreis deutlich in die eine oder andere Richtung beeinflussen. Umgekehrt können auch einzelne Marktteilnehmer bis zu einem gewissen Grad den Ölpreis manipulieren (Verbreitung von Nachrichten und Absichten, Aufkauf, „falsche Nachfragesignale durch Forward-Kontrakte, etc.). Auch Kriege oder politische Instabilitäten in wichtigen Förderländern darf man natürlich auch nicht ganz außer Acht lassen, obwohl sie auf die Angebotssituation heute nur noch einen vergleichsweise geringen Einfluss ausüben.

Was den Ölpreis so interessant macht

Gerade 2016, so verkünden viele Experten, sollen Anleger den Ölpreis besonders im Auge behalten. Viele andere sagen, das sei nicht nur 2016 wichtig, sondern generell. Was das Ganze aber eindeutig recht schwierig macht, ist, dass man sich von Expertenseite über die Aussagen des Ölpreises als Signal insgesamt recht uneins ist.
Während die einen den Ölpreis als Indikator für die Weltwirtschaft im Allgemeinen und die Weltkonjunktur im Besonderen sehen und bei einem niedrigen Ölpreis schlicht darauf schließen, dass es der Wirtschaft schlecht geht, sehen andere die Zusammenhänge wiederum genau andersherum.

Demnach müsste der niedrige Ölpreis ja die Herstellungspreise reduzieren und damit Produkte verbilligen, die aus Öl hergestellt werden. Das wiederum sollte eigentlich die Wirtschaft ankurbeln und damit auch die Aktienkurse steigen lassen, so die gegenteilige Interpretation.

Stellt man beide gegensätzliche Interpretationen einander gegenüber, macht das im ersten Moment – gerade als Anleger – natürlich überhaupt keinen Sinn, wenn man den Ölpreis als Signal interpretieren will. Die Lösung dieses Dilemmas besteht darin, dass man den Ölpreis nicht als alleiniges Signal zu interpretieren versucht, sondern immer in Verbindung mit anderen möglichen Signalen betrachtet und sich der Zusammenhänge bewusst ist, insbesondere der Verbindung mit Wirtschaftswachstum und den Realeinkommen in Privathaushalten. Dadurch wird der Ölpreis häufig zu einem sehr aussagekräftigen Zusatzfaktor für andere Signale. Lediglich für den US-Markt kann man bei schubhaften Ölpreisanstiegen recht einfach davon ausgehen, dass in der Mehrzahl der Fälle eine Rezession nachfolgt und in sehr vielen Fällen auch eine Zinsanhebung durch die Notenbank. Für die europäische Wirtschaft gibt es allerdings keine so einfachen (und so oft zutreffenden) Regeln.

Unser Fazit:

Es lohnt also tatsächlich immer, den Ölpreis ein wenig im Auge zu behalten. Allerdings niemals als allein zu bewertendes Signal, sondern einfach als einen zusätzlichen Hinweisfaktor für wirtschaftliche Entwicklungen. Um sich auf dem Ölmarkt und bei seinen Mechanismen ein wenig auszukennen, schadet als Anleger grundsätzlich nichts. Manches wird dadurch etwas klarer, was zuvor allzu kompliziert schien.

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