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Nachhaltiges und ethisches Investment – Teil 2: Die grundlegenden Strategien für Privatanleger

Im ersten Beitrag dieser Serie haben wir festgestellt, dass ethisches und nachhaltiges Investieren durchaus eine Menge Dinge in unserer Welt verändern kann. Genau genommen ist es sogar der einzige Weg, auf dem man als Privatanleger einen wirklich wirksamen Beitrag zum Klimaschutz und einer sozial gerechteren und ökologisch vertretbaren Welt erreichen kann. Privatanleger stellen die „Masse“ dar und haben zusammengenommen ein sehr beträchtliches Vermögen, gerade in der reichen, westlichen Welt. Damit lässt sich eine Menge bewegen. Die nächste Frage, die uns nun umtreiben muss, ist die Frage wie und mit welchen Strategien man mit seinem Privatvermögen Einfluss nehmen kann. Mit diesen grundlegenden nachhaltigen Investitionsstrategien wollen wir uns deshalb in diesem Beitrag auseinandersetzen.

Nachhaltiges Investment ist nicht neu

Die Idee, dass man grundsätzlich Abstand davon nimmt, in Unternehmungen zu investieren, deren Geschäftsgebaren oder Unternehmensgegenstand den eigenen Werten zuwiderläuft, ist nicht ganz neu. Schon im 17. Jahrhundert galt für die christlichen Quäker der Grundsatz, dass sie prinzipiell nicht in Unternehmen investierten oder gar tätig waren, die sich mit Sklavenhandel oder Waffenproduktion beschäftigten oder übermäßig davon profitierten. Das nahm man damals sehr ernst – man wollte in den Frieden und in die Gleichheit der Menschen investieren, nicht aber in Krieg und unmenschliche Unterdrückung. In der eher überschaubaren Wirtschaftswelt, wo es vor allem um Investments direkt in einzelne Unternehmen ging, war das auch noch etwas leichter als heute.

Auch gegen die berüchtigte Apartheid-Politik in Südafrika oder gegen den Vietnamkrieg wandten sich viele über ihr Investitionsverhalten, allerdings schon in deutlich geringerem Ausmaß und nur mehr bei direkt erkennbarer Beteiligung von Unternehmen und Investitionen. Solche Unternehmen wurden in bestimmten Fonds dann komplett ausgeschlossen, was den Menschen eine Möglichkeit gab, durch ihr Investment direkt zu verhindern, dass solche Unternehmen Geld erhielten. Die Auswirkungen waren durchaus spürbar, auch wenn sich nur ein Teil der Menschen an solchen ausschließenden Investmentfonds beteiligte.

Damit sind wir auch direkt bei der ersten – und wichtigsten – Strategie für nachhaltiges Investieren angelangt: der Desinvestition.

Geldstopp für alles, was nicht nachhaltig ist

Es erklärt sich eigentlich bereits von selbst, dass ein Verweigern der Mittelbereitstellung die klarste und wirksamste Strategie ist, um seine Werte durchzusetzen. Jeder Anleger hat die Möglichkeit, bestimmte Investments einmal grundsätzlich für sich auszuschließen. Da das eigene Geld dann aber dennoch in andere Investitionsmöglichkeiten fließt, die als nachhaltig oder sozial verträglich und ökologisch akzeptabel angesehen werden, kommt es selbst bei nur mittelmäßiger Beteiligung von Privatinvestoren schnell zu einer deutlichen Kapitalumschichtung hin zu den Unternehmen, die einen positiven Beitrag zur ökologischen Gesundheit der Welt und hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit leisten.

Dabei darf man einen Effekt nicht übersehen (den es bei einem bloßen Konsumverzicht nicht in diesem Ausmaß geben würde): Indem immer mehr Menschen in Aktien von sozial verträglichen Unternehmen investieren, steigt der Wert der Aktien dieser Unternehmen schnell an. Das zieht natürlich auf lange Sicht bei steigenden Aktienkursen auch mehr von den rein gewinnorientierten Anlegern eher hin zu solchen Anlagen. Bei Aktien, aus denen eine beträchtliche Zahl von Menschen ihr Geld abziehen, wird der Aktienwert mittelfristig recht deutlich fallen – und damit verlassen noch mehr Menschen ein solches sinkendes Investment-Schiff. Die reine Funktionalität der Börse verstärkt und fördert also diese „Kapitalumschichtung“ durch ihre gewöhnlichen Mechanismen sogar noch. Mit der Folge, dass ein vergleichsweise kleiner Anfangs-Impuls am Ende durchaus eine sehr große Welle mit beträchtlichen Auswirkungen schlagen kann.

Unternehmen erkennen und verwerten diese Börsensignale dann durchaus auch – und beginnen in vielen Fällen, ihre Unternehmenspolitik entsprechend anzupassen, um wieder mehr Investoren anzuziehen. Auf diese Weise bewegt sich ein ganzer Markt langsam immer mehr in die von den Investoren gewünschte Richtung.

Natürlich darf man dabei keine Ergebnisse über Nacht erwarten. Selbst bei einer vergleichsweise geringen Zahl von Investoren können aber durch die Börsenmechanismen, die dann greifen, oft überraschend deutliche Kursänderungen auf einem Markt erreicht werden. Wenn Investoren anfangen, etwas zu tun. Konsumverzicht und der Verzicht auf eine bestimmte Art von Produkten kann dann zusätzlich benutzt werden, um Unternehmen wirtschaftlich unter noch stärkeren Druck zu setzen – wichtiger ist aber das gezielte Zudrehen des Investitions-Geldhahns durch möglichst viele Investoren.

Gezielte Investition zur Verstärkung

Was den Effekt der Desinvestition natürlich noch verstärkt, ist eine zusätzliche gezielte Investition in Unternehmen, die man als vorbildlich in Bezug auf die Nachhaltigkeit betrachtet oder deren Unternehmenskurs und Unternehmenspolitik man unterstützt. Dadurch wird der Mittelzufluss zu bestimmten Unternehmen oder Marktsegmenten noch deutlicher gestärkt und der Aktienkurs erhöht sich mit der zunehmenden Höhe des Investitionsvolumens noch deutlicher – was wiederum zusätzlich noch mehr rein gewinnorientierte und weniger werte-orientierte Anleger anzieht.

Der Macht des Geldes kann sich dabei kein Unternehmen langfristig wirklich entziehen – und auch rein gewinnorientierte Anleger orientieren sich am Ende eben nur an steigenden Kursen. Niemand versucht, absichtlich in Unternehmen zu investieren, die ihr Geschäft auf ausbeuterische Geschäftspraktiken in Billiglohnländern gründet – investiert wird dort ganz einfach, weil die Aktienkurse persönliche hohe Gewinne erwarten lassen. Fällt das weg, sind auch die rein gewinnorientierten Investoren schnell weg.

Gezieltes Engagement und Impact Investments

Manche Unternehmen haben oder hätten durchaus ein wichtiges, für ökologischen Fortschritt nutzbares Potenzial – nutzen es aber nicht. Der Energieversorger, der trotz massiven Widerstands in der Bevölkerung darauf beharrt, Braunkohle abzubauen und zu verstromen, weil das angeblich notwendig sei, und dabei sehr leistungsfähige, bereits vorhandene Gaskraftwerke im Standby-Betrieb laufen lässt, weil sie nicht benötigt werden, tut das, weil er damit ganz einfach durchkommt. Und weil seine Investoren ihm das durchgehen lassen.

Jeder Investor hat dabei allerdings ein Stimmrecht und durchaus die Möglichkeit, einen gewissen Einfluss geltend zu machen. Wenn man zur Unternehmenspolitik eines Unternehmens, in das man investiert ist, eine klare Meinung hat, sollte man die als Investor auch unbedingt kundtun. Gegebenenfalls sind auch bereits das fundierte Drohen mit zukünftigen Desinvestitionen und das Ausüben seines Stimmrechts bei der Entlastung des Unternehmensvorstandes sehr nachhaltige Wirkungen auf die Unternehmenspolitik haben. So etwas passiert nicht häufig. Als das zuletzt beim Bayer Konzern allerdings der Fall war, wo die Aktionäre die Entlastung einfach verweigerten, ging ein Schock durch die gesamte Finanzwelt. Damit hatte niemand ernsthaft gerechnet, üblich sind eher Werte von über 90 % Zustimmung. Der Unternehmensführung von Bayer, besonders in Verbindung mit dem Kauf des umstrittenen Monsanto-Konzerns, konnten dann viele aber wirklich nicht mehr zustimmen.

Natürlich müssen solchen klaren Bekenntnissen dann auch Taten folgen – oder zumindest ein Ultimatum. Jedes börsennotierte Unternehmen versteht die Börsenprozesse – und weiß damit auch, was es für den eigenen Aktienkurs bedeutet, wenn plötzlich sehr schnell sehr viele Anleger ihre Aktien komplett auf den Markt werfen. Wichtig ist natürlich, dass sich Anleger dafür auch organisieren – bei berechtigter Kritik steht hier sehr häufig auch die DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz) mit zur Seite, die die Stimmrechte vieler Kleinanleger bei solchen Veranstaltungen wahrnimmt.

Neben einem solchen gezielten Engagement, wenn es um die Unternehmenspolitik eines einzelnen Unternehmens geht, kann man natürlich auch auf der anderen, positiven Seite entsprechende deutliche Signale setzen. Neben der gezielten Investition zur Verstärkung kann man, gewissermaßen als „Gegensignal“, auch ganz bewusst möglichst viel Geld in Anlagemöglichkeiten stecken, die auf einer ganz anderen Seite des Marktspektrums beheimatet sind. Im Falle des Energiekonzerns etwa in Unternehmen der Solartechnik, die sich einem massiven Ausbau der Technologie und einer weiter verbreiteten Nutzung verschrieben haben. Oder im Falle von Batterieproduzenten, die ja alles andere als ökologisch und ressourcenschonend arbeiten, bei Unternehmen im Bereich der Wasserstofftechnologie. Wenn bei einem solchen Investment mehr der soziale oder ökologische Einfluss im Vordergrund steht anstatt die eigenen Gewinne, nennt man das Impact Investment. Man investiert dabei hauptsächlich, um einen entsprechenden „Impact“, also einen deutlich hörbaren Paukenschlag auf dem Markt erklingen zu lassen . Nicht selten werden durch den Impact und die nachfolgenden Veränderungen später aus den Investments auch durchaus lohnende und profitable Investments, weil das zuvor eher benachteiligte Marktsegment plötzlich eine Menge Aufmerksamkeit erfährt – und sich mit einem Mal massiv im Aufwind befindet.

Andere Strategien

Desinvestition, gezielte Investition in nachhaltige Marktteilnehmer und gezielte Wahrnehmung der eigenen Stimm- und Einflussrechte sowie die Möglichkeit zum Impact-Investment stellen die grundlegenden Strategien dar, die man als Privatanleger nutzen kann, um seine Werte zu unterstreichen und einen wirksamen Beitrag zu leisten.

Nicht vergessen sollte man dabei auch, nach Anlageformen Ausschau zu halten, die einen sehr direkten Impuls auf die Wirtschaft haben. Die Regierung möchte die Kosten für den CO2-Ausstoß über die Anhebung des Preises für Zertifikate schrittweise erst bis 2050 auf ein eigentlich angebrachtes Niveau von 180 EUR heben. Als Privatanleger kann man zwar prinzipiell keine Zertifikate erwerben, um das verfügbare Volumen zu verknappen, die Zertifikate für Unternehmen zu verteuern und sie unter einen hohen Druck zu setzen, sehr schnell möglichst den CO2-Ausstoß zu senken und klimaneutral zu produzieren. Investmentmöglichkeiten gibt es aber dennoch, wie wir bereits erklärt haben. Und ganz folgenlos werden sie auf die CO2-Zertifikatspolitik wohl nicht bleiben, wenn sie plötzlich intensiv genutzt werden.

Andere Strategien können auch sein, besonders mit Unternehmen oder Initiativen zusammenzuarbeiten, die deutlich bessere Wege haben, Anlagemöglichkeiten zu durchleuchten und zu sortieren als ein einzelner Privatanleger. Man sollte zwar nicht immer unbesehen und vertrauensselig alles glauben, was einem erzählt wird und auch seinen eigenen Werte-Kodex nicht zugunsten der Bewertung anderer einfach außer Kraft setzen. Aber solche Unternehmen und Initiativen sind für das eigene Investment und für eigene Überlegungen zu gezieltem, nachhaltigem Investment oft ein sehr guter Startpunkt.

Welche Unternehmen und Initiativen einen Blick wert sind, besprechen wir im dritten Teil unseres Beitrags. Bleiben Sie also dran.

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