Wie wir schon im vorangehenden Teil besprochen haben, sind Investitionen in als „nachhaltig“ gekennzeichnete Investmentfonds häufig problematisch – wohl noch mehr für alle jene, die mit ihrem Investment und ihrem Anlageverhalten wirklich etwas verändern wollen. Man muss gerade bei Investmentfonds sehr genau hinsehen, welche Ansätze bei der Auswahl der Titel verfolgt werden und welche Kriterien in welcher Strenge zur Anwendung kommen. In nicht wenigen Fällen ist das Endergebnis, das Anlage-Portfolio, in seiner Gesamtheit dann im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Ethik dann oft schon als sehr mangelhaft anzusehen. Aus diesem Grund wollen wir uns in diesem Beitrag einmal einer anderen Möglichkeit zuwenden: direkten Investments in einzelne, nachhaltige Unternehmen und Initiativen.
Transparenz versus Intransparenz
Eine der großen Schwierigkeiten bei der persönlichen Bewertung von Investmentfonds im Hinblick auf persönlich festgesetzte Kriterien stellt die relativ hohe Intransparenz bei Unternehmen dar, mit der man gerade als Privatanleger häufig konfrontiert ist: Je größer ein Unternehmen ist, desto schwieriger wird es, von außen her alle Kapitalströme, Warenflüsse und Produktionsbedingungen nachzuvollziehen. Bei den zum Teil wirklich riesigen DAX-Konzernen wird es dann, selbst für Experten, häufig zum Ding der Unmöglichkeit, alles lückenlos aufzudecken und zu bewerten. Wer kann noch überblicken, womit sich der SIEMENS-Konzern im Einzelnen tatsächlich beschäftigt, was alles wo produziert wird und welche Dinge am Ende wo eingesetzt werden? Auch für die Rüstungsindustrie stellt der Riesen-Konzern, der in Deutschland durchaus noch einiges an Ansehen genießt, gar nicht wenig her. Wie ökologisch orientiert und fortschrittlich-nachhaltig das gesamte Wirtschaften von SIEMENS heute insgesamt ist, ist in Summe sehr schwer zu beurteilen. Das ist im Übrigen nur ein einzelnes Beispiel für einen großen Konzern – es gibt noch deutlich größere und um ein Vielfaches komplexere Konzerne mit noch mehr Verflechtungen in nationalen und internationalen Bereichen, die wir möglicherweise nicht gut heißen würden – wenn wir überhaupt davon wüssten.
Wenn wir uns mit den Möglichkeiten von Einzel-Investments beschäftigen, spielt Transparenz also auf jeden Fall eine große Rolle. Wir wollen bei unserer Auswahl von einzelnen Unternehmen ja keine Lücken in der Bewertung offen lassen. Wir wollen ein Unternehmen wählen, das wir als Ganzes in seinem Wirtschaften und seinen Nachhaltigkeits-Anstrengungen gut heißen können. Dafür müssen wir es aber zunächst einmal auch komplett überschauen können.
Vorurteile zählen nicht
Gerade in Deutschland scheinen Dinge wie der Home-Bias (was deutsch ist, ist schon mal deutlich besser) und Bekanntheit und ein bestimmtes, weithin verbreitetes Vorurteil gegenüber bestimmten Unternehmen („VW baut einfach die besten Autos“) sehr weithin die Anlageentscheidungen von vielen Menschen zu bestimmen. Einige dieser Vorurteile oder Anschauungen haben wir zum Teil sogar schon von unseren Vätern übernommen. Realwirtschaftliche Aspekte oder tatsächliche Unternehmensführung scheinen bei den „großen“ Namen dann kaum eine Rolle zu spielen – es entscheidet die vorurteilshafte Vorliebe oder Abneigung. Leider tendieren wir auch immer dazu, alles was wir intuitiv „gut“ finden, dann auch als zukunftsweisend, nachhaltig und in jeder Hinsicht als „gut“ zu sehen. Manchmal reicht dafür allein aus, dass es das Unternehmen bereits seit 50 Jahren gibt und uns der Name vertraut ist.
Davon sollte man auf jeden Fall Abstand nehmen, besonders wenn es um Nachhaltigkeit geht. Nur weil VW nun auch „Marktführer bei Elektroautos“ werden will, und das schon Anfang der 2020er-Jahre (na, ob das wohl gut geht), bedeutet das nicht, dass das großartige Unternehmen jetzt auch plötzlich ein großartiges, nachhaltiges Unternehmen geworden wäre. In der Vergangenheit hat man sich ja geradezu angestrengt, die Umwelt möglichst massiv zu verschmutzen, Gesetze einfach zu umgehen und seine eigenen treuen Kunden einfach über den Tisch zu ziehen.
Nachhaltigkeit als bloße Unternehmenstaktik
Eine sehr aufschlussreiche Befragung im Bereich der DAX-Unternehmen hat ergeben, dass 87 % der befragten DAX-Unternehmen vor allem deshalb einen Ruf in Bezug auf Nachhaltigkeit erwerben wollen, weil ihre Reputation dann vermeintlich besser wird. Dahinter steht also kein bisschen Ethik, sondern lediglich knallhartes Kalkül. „Wenn wir es schaffen, dass man uns die ‚Nachhaltigkeit‘ abnimmt, haben wir ein besseres Image“.
Das darf man durchaus bei einigen Unternehmen als Motivation annehmen, dass es eher um den eigenen Ruf (und damit die eigenen Geschäfte) geht, als tatsächlich um ernsthaftes Bemühen wegen einer erkannten Notwendigkeit. Wenn das Image stimmt und alle das glauben, kann man dann schon wieder fast machen, was man will. Wir wollen hier niemanden der dreisten Lüge bezichtigen oder der Vorspiegelung falscher Tatsachen – wir können das jetzt einfach einmal beschönigend als „WERBUNG“ bezeichnen. Und wie wir wissen, erzählt Werbung halt eben nicht immer die (ganze) Wahrheit.
Zurück zur Transparenz: Aus all den vorgenannten Gründen und wegen all dieser Fallstricke ist gerade bei Einzelinvestments eine hohe Transparenz so unverzichtbar. Von außen kann man kaum mehr unterscheiden, was Werbung ist und was Tatsache, in welchen (schmutzigen) Bereichen Unternehmen sonst noch aktiv werden und von welcher (wenig ökologischen) Seite sie möglicherweise noch gefördert werden.
Der Bioladen um die Ecke, bei dem wir wissen, von welchen fünf Bauern er seine Produkte erhält und wie diese Bauern wirtschaften, bietet zwar immer noch ein klein wenig Täuschungspotenzial – allerdings so wenig, dass wir uns mit einigen gezielten Nachfragen und Recherchen am Ende schon sehr sicher sein können. So würde – im Gegensatz zu allem anderen – Transparenz aussehen.
NAI als Gegenentwurf zum DAX
Die 30 international nachhaltigsten Unternehmen, die man als Öko-Vorreiter bezeichnen könnte, finden sich zunächst einmal im NAI. Über diesen recht komplexen und ziemlich gut beleumundeten Index, den es seit 1997 gibt, werden wir in einem separaten Beitrag ausführlicher berichten. Für die Auswahl von börsennotierten Einzeltiteln bietet er aber einmal die erste Anlaufstelle.
Im gleichen Atemzug kann man auch noch den nx-25 erwähnen, einen Index, der vor allem größere und kapitalstarke Unternehmen umfasst, bei dem man aber bereits ein wenig genauer hinsehen muss.
Das Problem mangelnder Transparenz beim einzelnen Unternehmen stellt sich auch hier wieder – man kann aber zumindest einmal bei der gegebenen Vorauswahl der Index-Titel starten und ein wenig seine eigenen Recherchen durchführen.
Welche Anlage-Strategie man am Ende wählt, hängt nicht zuletzt vom ausgesuchten Titel ab. Gerade für Kleinanleger empfiehlt sich nach einer sorgfältigen Auswahl häufig der Buy-and-Hold-Ansatz mit einem eher langfristigen Anlage-Horizont. Man kann solche Anlagen auch nach dem Prinzip des Value-Investing durchführen, der wichtigste „Value“ ist dabei das Maß an Nachhaltigkeit, das das Unternehmen bereits in seinem Wirtschaften zeigt und das Maß an positiver Veränderung für die Zukunft („Impact“) den das Wirtschaften und Wachsen des Unternehmens voraussichtlich verursacht. Beide Ansätze – das Value-Investing und das nachhaltige Investieren – vertragen sich im Grunde sehr gut miteinander, da sie auf ähnlichen Prinzipien basieren.
Nicht börsennotierte Unternehmen und Initiativen
Neben den börsengehandelten Unternehmen und Initiativen kann man durchaus auch außerbörsliche Initiativen ins Auge fassen. Dabei gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten:
- Kommandit-Beteiligungen etwa bei Erneuerbare-Energie-Projekten in kleinerem Rahmen (kommunal, regional, etc.) oder bei Unternehmen, die regionale Lösungen anbieten
- Förderung von zukunftsweisenden Startups über Crowdinvestments
- gezielte Förderung von Unternehmen durch andere Formen der direkten Unternehmensbeteiligung (stiller Teilhaber, Unternehmensbeteiligung als Gesellschafter, etc.)
- Förderung von ökologischen und besonders nachhaltigen und zukunftsweisenden Ideen und Projekten durch gezielte Kreditvergabe an ausgewählte Projekte auf bestimmten Finanzierungsplattformen (z. B. Peer2Peer-Kredite auf Aux-Money)
Solche Investments sollte man nicht gleich direkt von der Hand weisen, auch als Privatanleger. Wichtig ist natürlich, dass man sich, anders als bei börsengehandelten Anlagen noch deutlich intensiver mit den möglichen Risiken auseinandersetzt (etwa die Risiken, die durch die Nachrangdarlehen bei Crowdinvestments entstehen können) und für sich persönlich noch genauer abwägt. Dafür ist oft auch die Ertragssituation deutlich besser als bei vielen anderen Investments.
Einzelinvestments in nicht börsennotierte Unternehmen kann man also durchaus als Teil der eigenen Investmentstrategie und als einen Teil seiner Anlage-Strategie ins Auge fassen. Sie sollten nicht die gesamte Geldanlage ausmachen, können in Teilen aber durchaus sinnvoll sein, umso mehr, wenn man mit seinem Anlageverhalten einen deutlichen „Impact“ erzeugen möchte.
Natürlich erfordern Investments dieser Art deutlich höheres Eigen-Engagement im Vergleich zum einfachen Zeichnen eines nachhaltigen Investment-Fonds. Dafür ist die Wirkung solcher Investments aber auch deutlich umfassender und direkter. Bereits einige wenige Investoren können ein Projekt weit voranbringen und möglich machen, dass eine zukunftsweisende Idee sich schnell verbreitet und noch mehr Investoren überzeugt. Als Investor in solche Projekte kann man nicht selten zum echten „Fortschrittsmotor“ werden.
Gegebenenfalls kann man gezielte Einzelinvestments auch durch das eigene Banking anderen überlassen. Mit diesem Aspekt beschäftigen wir uns dann im nächsten Teil. Lesen Sie weiter.
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