Es ist noch nicht lange her, dass die Abgeltungsteuer als Form der Besteuerung von Kapitalerträgen eingeführt worden ist. Am 1. Januar 2009 löste sie die frühere Zinsabschlagsteuer ab. Jetzt hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eine Abschaffung in Aussicht gestellt.
Die Abgeltungsteuer sollte ebenso ein Beitrag zur Steuervereinfachung wie zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung sein. Die pauschale Abgeltung erspart vielen Anlegern die aufwändige Deklarierung in der Steuererklärung. Gleichzeitig sorgt der automatische Abzug durch die Banken dafür, dass es schwieriger wird, Kapitalerträge am Fiskus vorbeizuleiten.
Von Anfang an umstritten
Unumstritten war die Abgeltungsteuer nie. Kritisiert wurde die einseitige Begünstigung von „Besserverdienenden“. Steuerpflichtige mit einem höheren persönlichen Steuersatz als dem 25 Prozent-Abzug der Abgeltungsteuer stellten sich mit der Regelung besser als vorher. Normalverdiener – in vielen Fällen Kleinanleger – profitierten dagegen nicht, allerdings wurden sie durch die weiterhin mögliche Besteuerung nach dem individuellen Steuersatz auch nicht benachteiligt. Der damalige Bundesfinanzminister Steinbrück rechtfertigte die Steuer mit dem eingängigen Spruch „25 Prozent von X ist mehr als 45 Prozent von X“ und bezog sich damit auf den Spitzensteuersatz.
Dennoch blieb und bleibt die Abgeltungsteuer eigentlich systemwidrig. Denn Kapitaleinkünfte werden damit steuerlich anders behandelt als andere Einkunftsarten. Dafür gibt es prinzipiell keine Rechtfertigung, außer der, dass diese Erhebungsform für den Staat die einfachste und sicherste Möglichkeit darstellt, Steuereinnahmen zu erzielen. Es sind aber keineswegs solche steuersystematischen Überlegungen, die den Bundesfinanzminister bewegen, eine Abschaffung ins Gespräch zu bringen. Der Anlass ist ein anderer.
Der gläserne Steuerbürger – auch international
Im vergangenen Jahr haben mehr als sechzig Staaten – darunter Deutschland – ein Abkommen abgeschlossen, dass künftig den internationalen Austausch von Konto- und Finanzdaten ihrer Steuerbürger ermöglicht. Zu den Unterzeichnern gehören auch früher beliebte „Steuerverstecke“ wie Luxemburg oder die Schweiz. Ab September 2017 soll der Datenaustausch beginnen, bereits im nächsten Jahr will man – zunächst bei Neukonten – mit dem Sammeln der notwendigen Informationen beginnen. Der auch international „gläserne Steuerbürger“ wird damit ein Stück weit Realität. Kürzlich hat der Bundestag die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen geschaffen, um die deutsche Umsetzung zu ermöglichen.
Dadurch wird es schwieriger und deutlich riskanter werden, Kapitalerträge im Ausland vor dem deutschen Fiskus zu verbergen. Vor diesem Hintergrund wird die bisherige Steuer-Erhebungsform zunehmend überflüssig. Mit der Rückkehr zur Besteuerung nach den individuellen Steuersätzen würde sich der Bundesfinanzminister voraussichtlich besser stellen. Für Wolfgang Schäuble wäre die Abschaffung der Abgeltungsteuer eine elegante Möglichkeit, zusätzliche Steuereinnahmen zu generieren und damit die berühmte „schwarze Null zu sichern“ ohne formal Steuererhöhungen vornehmen zu müssen.
Ledige mit Zinseinkünften am meisten belastet
Belastet würden vor allem ledige bzw. alleine veranlagte Steuerzahler mit höherem Einkommen, die bevorzugt Zinseinküfte jenseits des Sparer-Pauschbetrags erzielen. Bei zusammen veranlagten Eheleuten macht sich vielfach das Ehegattensplitting abschwächend bemerkbar. Wenn die Kapitalerträge vor allem aus Dividenden und Kursgewinnen bestehen, ist dagegen in bestimmten Konstellationen sogar eine Entlastung denkbar. Dies könnte dann der Fall sein, wenn das frühere Teileinkünfteverfahren wieder zur Anwendung kommt, bei dem Erträge aus Aktienbesitz nur teilweise der Besteuerung unterliegen.
Der Bundesfinanzminister erntete für seine Idee viel Zustimmung durch das ganze politische Spektrum. Das Ende der Abgeltungsteuer steht noch nicht fest, ist aber wahrscheinlich geworden.