Nun: angesichts der vielen Krisen im Land, und angesichts der nicht gerade positiven Meinung über das Land wird wohl gerade niemand zuallererst ausgerechnet auf Russland als bevorzugtes Investitionsland setzen. Allerdings waren schwarz-weiß-Sichten noch nie vollständig zutreffend, und vor allem nicht dauerhaft gültig. Wir leben in einer Welt, die sich ständig verändert, und in der man nichts als „zementiert“ ansehen kann. Wir haben deshalb einmal einen genaueren Blick auf die russische Wirtschaft geworfen, und versuchen uns ein Bild zu machen.
Der Blick ins Land
Über Russland kursieren ja, vor allem bei uns im Westen, eine ganze Menge Mythen und Halbwahrheiten. Das „böse“ Russland ist aber, neben aller Meinungsmache, ganz einfach auch ein Land, das mit seinen Problemen zu kämpfen hat, wie eben anderswo auch. Wirtschaftlich gehört Russland ganz sicher nicht zu den Ländern mit den höchsten Standards – aber das gilt immerhin für die meisten Schwellenländer auch. Wichtig ist, dass man nicht aus dem Blick verliert, dass Russland vor allem ein großes Land ist, und ein riesiger Markt. Und mit rund 150 Millionen Einwohnern und einem geschätzten Bruttoinlandsprodukt von rund 2 Billionen USD (in etwa so viel wie Großbritannien) zu seinen guten Zeiten stellt es auch einen durchaus mächtigen Markt im Osten Europas dar.
Die Situation
Über die politischen Entscheidungen Russlands mag man erst einmal denken, was man will , Diskussionen zwischen „Russlandverstehern“ und erklärten Gegnern des Moskauer Riesenreichs gibt es an anderer Stelle ohnehin schon genug. Viele meinen, mit seinem Verhalten in den letzten Jahren gegenüber dem Westen hat sich Russland selbst keinen Gefallen getan- die wahren Probleme wirtschaftlicher Natur rühren aber nicht daher. Insgesamt geht es in Russland vor allem um drei große, vor allem strukturelle Probleme, mit denen das Land zu kämpfen hat. Die Sanktionen des Westens haben dabei vergleichsweise geringen Schaden angerichtet.
Zurückgehender Konsum
Wenn das Konsumverhalten stark zurückgeht, ist das für keine Wirtschaft leicht zu verkraften. In Russland sind die Rückgänge beim privaten Konsum allerdings in den letzten Jahren auf einem ungekannt hohen Niveau – beinahe 10 % Konsumrückgang sind ein enormer Wert. Zumal Russland selbst zu den Zeiten schwerster Krisen in den letzten zwanzig Jahren gerade einmal Rückgänge von höchstens 5 % oder sogar weniger verkraften musste.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand – sinken die Einkommen, wie es derzeit der Fall ist, wird natürlich auch weniger konsumiert. In Russland werden derzeit nur die Unternehmen reich – vielfach, indem sie ganz einfach die Löhne kürzen und Zuwächse beim Einkommen verhindern, und das Geld lieber in die eigene Tasche stecken. Immerhin führt das aber dazu, dass die Unternehmen sehr solide Gewinne einfahren – immerhin verzeichnet man in den letzten Jahren teilweise bis zu 50 % Anstiege bei den Unternehmensgewinnen (jährlich!). Die russische Bevölkerung hat dagegen kaum etwas von dem Anstieg – und konsumiert daher auch nicht mehr.
Änderungen in der Geldpolitik
Eine sehr folgenschwere Entscheidung war, den Kurs des russischen Rubels ab 2014 vom freien Markt bestimmen zu lassen, und nicht mehr über die russische Zentralbank zu steuern.
Der freie Markt war nicht besonders gnädig mit dem Rubel umgegangen, nach der Freigabe verlor er gleich einmal 60 % seines Wertes. Das hatte natürlich Auswirkungen für die Menschen im Land – wenn das eigene Geld innerhalb kürzester Zeit weniger als die Hälfte wert ist, ist das bitter.
Viele Anschaffungen sind nicht mehr möglich, viele Menschen können sich ihre Eigentumswohnungen nicht mehr leisten. Der Markt lässt den Rubel weitestgehend dem Ölpreis folgen (Öl und Gas sind ja einer der wichtigsten Zweige der russischen Wirtschaft) – und der Ölpreis hat ja bekanntlich seine Berg- und Talfahrten und befindet sich nicht gerade auf sehr hohem Niveau.
Diese Turbulenzen haben natürlich auch weitere Folgen: Wegen des starken Rückgangs des Währungswertes stieg natürlich die Inflation stark an, zuletzt bis über 15 %, diese Teuerung macht den russischen Einwohnern noch weiter das Leben schwer. Auch die Banken schrauben dann natürlich die Zinsen hoch, teilweise deutlich über dem Inflationsniveau, bis zu 20 Prozent Kreditzinsen sind üblich.
Kredite zu bekommen ist so kaum leistbar – nicht nur für die Bürger, sondern auch für die Unternehmen. Ein Mangel an Investitionen aber könnte langfristig eher nachteilig sein. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass sich nur mit kontinuierlichen Investitionen die Produktion modernisieren und international wettbewerbsfähig halten lässt. Mit Öl und Gas allein wird es nicht zu schaffen sein.
Ausbleibende Investitionen
Die Chinesen haben sich nobel wieder zurückgezogen, und wollen anscheinend lieber nicht mehr in Russland investieren. Das ist noch nicht aller Dinge Ende, aber immerhin ein doch recht schwer wiegender Rückschlag für die Russen. Die Chinesen sind aber selbstverständlich nicht die einzigen, die als mögliche Partner für Investitionen in Frage kommen.
Der Ausblick
Betrachtet man die ganze Situation einmal mit etwas Abstand, wird folgendes klar: Niemand möchte derzeit (und wahrscheinlich auch längerfristig nicht) ein Arbeitnehmer in Russland sein. Für die Unternehmen aber sieht die Situation gar nicht so düster aus, wie es auf den ersten Blick scheint.
Immerhin sind die Unternehmensgewinne satt, was zumindest bei den wirtschaftlich starken Unternehmen durchaus noch einige Investitionen möglich macht.
Der Rubel wird wahrscheinlich so schnell nicht steigen, wie auch der Ölpreis nicht. Wenn aber der Ölpreis wieder anzieht, geht es automatisch mit dem Rubel bergauf und Russland verdient auch wieder ordentlich Geld. Und immerhin ist das Bruttoinlandsprodukt nicht so stark zurückgegangen, wie man vermuten möchten – noch nicht einmal um vier Prozent.
Die Inflation wird teilweise ein Problem bleiben, auch für Unternehmen, und die teuren Kredite wohl auch, das alles ist aber nicht unveränderbar und in Stein gemeißelt. Und die derzeit nicht so rosige Situation in Europa, die viele Anleger nach potenziell guten Anlagen Ausschau halten lässt, kann für Russland eine gute Chance sein, frisches Geld ins Land zu bekommen.
Immerhin ist man gerade dabei, derartige Anlagemöglichkeiten im Ausland zu schaffen. Das könnte durchaus einen positiven Effekt haben und Russland Kapital bringen, was wiederum den Unternehmen im Land zugute kommt.
Investieren in Russland
Auch für Russland stehen für die, die in die russische Wirtschaft investieren wollen, mehrere ETFs zur Verfügung. In 3 wichtige Indices für das Land kann man gut mit ETFs investieren:
- in den DAXglobal Russia
- in den Dow Jones Russia GDR und
- in einige Varianten des MSCI Russia (capped, capped 25 % und 30 %)
Daneben können möglicherweise auch die von Russland angekündigten neuen Anlagemöglichkeiten eine Option sein, wenn sie denn kommen. Und die russischen Anleihen stellen immerhin auch noch eine Möglichkeit dar. Sie waren zwar in der letzten Zeit etwas mit schwankender Performance zu sehen, die Kurse klettern zwischendurch aber immer wieder hoch, wie man beispielsweise an der Russischen Föderation Anleihe sieht (ISIN XS0089375249).
Angesichts der hohen Gewinnzuwächse bei den russischen Unternehmen (wie vorhin schon erwähnt, bis zu 49 Prozent) ist für viele sicherlich auch ein direktes Investment in russische Unternehmen möglicherweise interessant. Das müssen nicht notwendigerweise Ölgesellschaften sein. Die russischen Ölaktien haben aber traditionellerweise einen recht guten Ruf und werden von vielen Anlegern und Experten immerhin auch geschätzt, und immerhin gehen viele Analysten davon aus, dass der Ölpreis bis 2020 zwangsläufig wieder kräftig steigen müsste, wenn auch nicht alle Analysten sich über Preissteigerungen und Zeitrahmen einig sind.
Es gibt also durchaus zahlreiche Möglichkeiten für Anleger, und auch die Aussichten sind nicht nur schwarz für Investments in Russland, das zeigt die eingehende Betrachtung.
Wie immer beim Investieren: Auch auf die eigenen Kosten achten, und unseren Broker-Vergleichsrechner nutzen! So können Sie für Ihre Anlage Kosten sparen und ihren Gewinn erhöhen. Bei manchen Anbietern können Sie sogar vergünstigt in ETFs investieren, oder einen Sparplan auf einen ETF sogar völlig ohne jegliche Kosten und Gebühren einrichten – OnVista ist zum Beispiel so ein Anbieter!