Interview mit Bank Austria CEO Willibald Cernko zum Thema Regulierung, Europa, Steuerreform und Aktienkultur

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©Pepo Schuster, austrofocus.at

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Wie war 2014 für die Bank Austria und war bzw. wie wird 2015 sein?

Cernko: (lacht) achja 2014, das ist ja schon sehr lange her.  Aber im Ernst – 2014 war für uns ein gutes Jahr. Das positive Ergebnis von 1,4 Milliarden ist auf ein solides Kundengeschäft, extreme Kostendisziplin und eine gute Entwicklung bezüglich unserer Risikokosten zurückzuführen. Die Risikokosten haben sich deshalb positiv entwickelt, da unser Geschäftsmodell mit Fokus auf Kredit- und Einlagengeschäft als sehr solide angesehen wird.

2015 ist trotz schwieriger Rahmenbedingungen sehr gut angelaufen. Das bestärkt uns, auch weiterhin unserem Geschäftsmodell mit starker Kundenfokussierung treu zu bleiben, das Serviceangebot – Stichwort Multikanalbank, in der der Kunde entscheidet, Wann, Wo und Wie er mit seiner Bank in Kontakt tritt – weiter auszubauen und gleichzeitig die Kostenstrukturen zu optimieren. Darüber hinaus wollen wir auch den osteuropäischen Markt weiter nutzen und dort organisch wachsen, um ein langfristiger Partner für unsere Kunden und ein verlässlicher Investor in Osteuropa zu sein, auch wenn wir uns in der Vergangenheit mit einem blauen Auge aus Kasachstan zurückgezogen haben und wir zudem versuchen den ukrainischen Markt zu verlassen. Ebenso haben wir im Baltikum unser Angebot auf reine Leasing-Aktivitäten reduziert.

Warum haben Sie Ihre Geschäftsaktivitäten im Baltikum reduziert?

Unsere Strategie ist es in den Märkten, in denen wir aktiv sind, zu den großen Marktteilnehmern zu gehören. Das haben wir im Baltikum mit gerade einmal 6 Niederlassungen nicht geschafft, da die skandinavischen Mitspieler dort zu stark vertreten sind.

Gerade wenn man die regulatorischen Anforderungen betrachtet, ist eine gewisse Größe im Markt sehr wichtig. Für nur wenige Kunden muss man einen ähnlich hohen Verwaltungsaufwand betreiben als wenn man Marktführer wäre.

Was ist im Allgemeinen Ihre Meinung zur neuen regulatorischen Situation?

Ein stabiler Finanzsektor ist sicherlich für alle von Vorteil. Einheitliche Regeln und eine einheitliche Aufsicht helfen unserer Industrie, aber ebenso auch der Realwirtschaft. Aber natürlich ist das Ganze auch mit Kosten verbunden – there is no such thing as a free lunch.

Weiters positiv sehe ich den sog. Resolution-Fonds. Damit Finanzunternehmen auch geordnet scheitern können und nicht der Steuerzahler zur Kasse geben wird.
Wenn man nun das Beispiel Hypo-Alpe-Adria betrachtet, ist es leicht zu sagen „Die Hypo hätte man doch einfach in Konkurs gehen lassen müssen“. Fakt ist allerdings, dass es damals keinen rechtlichen Rahmen für so einen Konkurs gegeben hat. Das ändert sich mit der europäischen Bankenunion, die auf den drei Säulen – europäische Bankenaufsicht, dem Abwicklungsfonds und der Einlagensicherung – fußt. In Zukunft wird der Steuerzahler erst zur Kasse gebeten werden, wenn alle drei Schutzwälle – Aufsicht, Abwicklungsfonds und Einlagensicherung – durchbrochen werden. Das alles kostet aber natürlich auch Geld und das muss erst einmal verdient werden. In Zeiten von niedrigen Zinsen und schwindenden Margen ist das nicht so einfach.

Aber grundsätzlich sehen Sie den Weg hin zu stärkerer Regulierung und einheitlichen Regeln als positiv an, auch wenn es jetzt erstmal Verwaltungsaufwand und höhere Kosten bedeutet?

Ich sehe das grundsätzlich positiv, solange die neuen Regeln auch einen Steuerungseffekt haben und so zu einem stabileren Finanzsektor führen. Obwohl ich auch die Gefahr sehe, dass eventuell zu viele Regeln auf den Bankensektor zukommen.

Wie sehen Sie die aktuelle Situation?

Nun ja, zurzeit haben wir schon einen gewissen Drang alles bis ins letzte Detail zu regeln und bei Verfehlungen am besten auch auf strafrechtlicher Ebene zu verfolgen. Das ist politisch und auch in gewissem Maße populistisch verständlich, könnte aber zu einem Klima des Misstrauens führen. Und gerade für das Bankgeschäft ist Vertrauen essentiell.

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Klar haben einige Banken dieses Vertrauen mit Füßen getreten, leider werden jetzt alle Banken dafür zur Rechenschaft gezogen, auch jene, die sich nichts zu Schulden kommen haben lassen. Faktum ist, dass in Summe der ganze Bankensektor darunter gelitten hat. Es wird lange dauern um dieses Vertrauen wieder zu erlangen – wobei einheitliche Regeln dabei durchaus helfen können.

Leider sehe ich aber auch die Entwicklung, dass Anlageberater immer weniger auf die persönlichen Bedürfnisse des Kunden eingehen können, da die Berater vielmehr checklistenartig nur mehr eine überbordende Zahl an Vorschriften abarbeiten müssen. Viele fachlich sehr gute Berater scheuen sich zunehmend davor zu viel eigene Meinung miteinzubringen, da Ihnen das später vorgehalten werden könnte. Und das kann nun auch wieder nicht im Interesse der Kunden sein.

Die Bank Austria hat im Zuge der Finanzkrise 2008 keine Staatshilfe in Anspruch genommen, muss aber trotzdem die sog. Bankensteuer zahlen – alleine im Jahr 2014 waren das 162 Millionen Euro – finden Sie das unfair, wenn Sie ebenso wie andere Institute, die Staatshilfe bekommen und teilweise noch nicht zurückbezahlt haben, zur Kasse gebeten werden?

Man muss zuerst einmal betrachten, woher das Ganze kam. Da ist die Hypo-Alpe-Adria zu nennen, die mal per se nichts mit uns zu tun hat und vor allem von den Managern und politisch Verantwortlichen verursacht wurde.

Andererseits haben die Staatshilfen in der Krise für mehr Stabilität gesorgt, die dem ganzen Bankensektor und somit auch uns zu Gute kam. Von diesem Standpunkt aus ist ein gewisser Beitrag – ich rede hier jetzt gar nicht über die konkrete Höhe – durchaus angebracht. Bei der Einführung der Bankensteuer wurde damals allerdings versprochen, dass diese, sobald es eine europäische Aufsicht gibt, wieder abgeschafft wird. Dass sich die Politiker heute daran nicht erinnern, liegt natürlich auch daran, dass es Wechsel im Finanzministerium gegeben hat, bleibt aber für uns natürlich ärgerlich, da das Privatkundengeschäft der Banken in Österreich auch ohne Bankensteuer schon kaum profitabel war. Und die Bankenabgabe führt natürlich zusätzlich zu Wettbewerbsnachteilen gegenüber dem internationalen Mitbewerb.
Nehmen wir zum Beispiel ein größeres Immobilienprojekt in Wien. Da haben wir bei der Finanzierung starke Nachteile gegenüber einem Wettbewerber aus Deutschland, der im Vergleich zu einer österreichischen Bank nur einen Bruchteil an Bankensteuer abführen muss. Im Verhältnis zur Größe der beiden Länder ist die Kostenbelastung hierzulande 10 Mal höher! Von daher kommt es immer öfter vor, dass ausländische Firmen hier den heimischen Banken das Geschäft wegnehmen.

Wir befinden uns in Gesprächen, um dieses Problem zu lösen. Sollte es da zu keiner Lösung beim Thema Bankensteuer kommen, wäre das eine mittlere Katastrophe für uns, hätte aber auch deutlich negative Folgen für die Wirtschaft und Arbeitsplätze in unserem Land. Im Gegenzug wären wir bereit die Bundesregierung bei Maßnahmen zur Konjunkturankurbelung und konkreten Wachstumsimpulsen für die heimischen Unternehmen zu unterstützen. Wachstum ist für Österreich essentiell – und die Banken können dazu auch Ihren Teil beitragen, sofern man uns bei der Bankensteuer entgegenkommt.

Trauen Sie der aktuellen Politik zu für die notwendigen Reformen und für Wachstum zu sorgen?

Grundsätzlich bin ich ein positiver Mensch, habe aber mittlerweile Zweifel daran, ob dieser Optimismus wirklich angebracht ist…

Wie abhängig ist die Bank Austria vom Mutterkonzern, der UniCredit, in Mailand?

Unmittelbar nach der Fusion 2005 wurden alle Länder sehr eng geführt, was ja nur verständlich ist. Mittlerweile liegt aber die umfassende Marktverantwortung ganz klar im jeweiligen Land. Leider sind wir allerdings noch sehr weit vom einheitlichen europäischen Markt entfernt. Von daher können wir oft gar nicht so grenzübergreifend zusammenarbeiten, wie wir das gerne tun würden.

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Haben Sie Hoffnung, dass dieser einheitliche Markt mit den einheitlichen Regeln bald realisiert wird?

Dazu werden Politiker mit Visionen und nicht einfach nur Verwalter benötigt. Die Kommission sollte sich nachdrücklicher für eine stärkere Integration einsetzen. Nur eine gemeinsame Währung ist nicht genug – man braucht auch ein gemeinsames Europa, welches unsere sozialen und gesellschaftlichen Bedürfnisse berücksichtigt und auch mit dem Nord-Süd-Gefälle umgehen kann.

Haben Sie eine Langfristvision für Europa – sagen wir bis 2050? Gibt es da die Vereinigten Staaten von Europa?

Ich sehe keine Notwendigkeit dazu. Wir brauchen zwar schon eine gemeinsame Gesellschafts- und Sozialpolitik und auch die Solidarität zwischen den Ländern gehört geregelt, aber ein Europa der Vielfalt sollte schon zugelassen werden.

Was ist Ihre Meinung zur aktuellen österreichischen Steuerreform?

Es ist zumindest zu einer temporären Entlastung gekommen – die kalte Progression wird das aber wohl in 3 Jahren wieder aufgefressen haben, außer die kürzlich vorgestellte Initiative des Finanzministers wird tatsächlich auch realisiert. Die Entlastung hat aber sicherlich auch einen stimulierenden Effekt.

Leider gibt es an dieser Reform trotzdem einiges zu kritisieren. Zuallererst fehlt mir der Mut der Verantwortlichen zu weitreichenden Reformen in den Bereichen Bildung, Verwaltung, Pensionen und Gesundheit. Von daher ist das für mich weniger eine umfassende Steuerreform, sondern vielmehr eine simple Tarifreform. Gerade dass beim Thema Bildung nichts weitergeht, finde ich wirklich empörend, weil hier geht es um die Zukunftschancen der nächsten und übernächsten Generation.

Außerdem kritisiere ich den Umgang mit der Wirtschaft. Es wird der Wirtschaft auf breiter Front Steuerunehrlichkeit unterstellt. Von den 5,2 Milliarden veranschlagten Mitteln zur Gegenfinanzierung kommen fast 1,9 Milliarden aus gesteigerten Steuereinnahmen – ob dieser Betrag wirklich zu erreichen ist, darf bezweifelt werden. Unsere Berechnungen legen zudem ein potentielles Steuerloch von 1,5 Milliarden Euro nahe – die Gegenfinanzierung scheint noch nicht ganz ausgegoren zu sein.

Was sagen Sie zur Erhöhung der Kapitalertragssteuer (KESt) auf alles außer Sparbücher von 25 % auf 27,5 %

Das ist meiner Meinung nach im Kontext der Vermögenssteuer zu sehen. Meine Meinung dazu war immer, dass die Substanz nicht zu besteuern ist, aber der Vermögenszuwachs sehr wohl. Von daher habe ich kein Problem damit.

Aber was sagen Sie dazu, dass es jetzt unterschiedliche Steuersätze gibt – 25 % auf Sparguthaben und 27,5 % auf Kursgewinne und Dividenden.

Da finde ich sollte kein Unterschied gemacht werden, viel wichtiger ist es aber, dass wenn Vermögenszuwächse besteuert werden, auf der anderen Seite auch schrumpfendes Vermögen steuerlich absetzbar sein sollte. Wenn in einem Jahr die Kapitalmärkte hohe Renditen zulassen, werden diese besteuert. Wenn im nächsten Jahr Verluste eingefahren werden, werden diese aber nicht steuerlich berücksichtigt.

Österreicher und auch Deutsche sind generell ziemliche Aktienmuffel – laut Brokerjet haben nur 4 % der Österreicher Aktien. Glauben Sie, dass die KESt Erhöhung da hilfreich ist?

Aktien = Spekulation. So wird das in der Öffentlichkeit und auch von politischer Seite her propagiert.

Wir bräuchten eine Förderung, um den Kapitalmarkt als Finanzierungsquelle für mittelständische Unternehmen attraktiver zu machen. Ebenso ist es wichtig, dass auch Privatanleger an den Kapitalmärkten aktiv werden, ohne als Spekulanten verunglimpft zu werden. Man muss hier wohl das Gesamtklima ändern.

So ist zum Beispiel auch eines der Ziele von Basel III, dass Unternehmen weniger Bankkredite und mehr Eigenkapital – also Aktien – als Finanzierungsquelle nutzen sollen.
In US-Amerika beträgt die gesamte Unternehmensaußenfinanzierungs-Notwendigkeit durch die Banken nur ca. 4 %. In Europa sind es 44 % und in Österreich sogar 55 % im Schnitt und bei den KMU’s sogar 70 – 80 %. Von daher ist in Europa die Realwirtschaft weit stärker vom Bankensektor abhängig. Die Intention, die Banken in ihrer Bedeutung für Unternehmensfinanzierung zurückzunehmen, macht sicherlich Sinn, da müsste allerdings der Kapitalmarkt – also Eigenkapital und Aktien auch politisch attraktiver gemacht werden.
Aber komischerweise passiert gerade das nicht. Obwohl die Aktie ja vom Grundkonzept her kein Zockerpapier, sondern ein langfristiges Miteigentum, also ein Anteil am Unternehmen, ist. Von daher müsste man auch meinen, dass ein Sozialdemokrat für mehr Aktienbesitz in der breiten Bevölkerung eintreten müsste. Und auch für Privantanleger würde es Sinn machen, Aktien von wichtigen Unternehmen zu besitzen. Damit könnte auch die breite Bevölkerung von steigenden Unternehmensgewinnen profitieren.

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Auf der anderen Seite muss man aber auch anerkennen, dass Österreicher auch historisch gesehen nie wirklich viel mit Aktien zu tun gehabt haben. Da ist das Mindset in den USA sicherlich ein anderes.

In Österreich ist aber auch viel Erde verbrannt worden – Stichwort Immofinanz, Meinl, AWD usw. Kann man nach diesen Skandalen die Österreicher jemals wieder von Aktien überzeugen?

Ja, das glaube ich schon. Grundsätzlich sind aber Einzeltitel immer problematisch. Mit ausreichender Diversifikation wären auch die Folgen der von Ihnen genannten Skandale nicht so weitreichend gewesen.

Weiters ist Transaparenz sehr wichtig. Der Anleger muss die Möglichkeit haben, den Kapitalmarkt zu verstehen um sich so selbsbestimmt dort bewegen zu können. Nur so kann man ein positives Klima für langfristige Investitionen schaffen.

Was braucht es dazu?

Finanzbildung. Gesetze und Regulation werden nicht mehr weiterhelfen. Ausbildung und finanzielles Grundlagenwissen – Stichwort Financial Literacy – sind hier am wichtigsten.

Klar spielt der Bankberater eine entscheide Rolle im Anlageprozess, aber der Kunde sollte sich bei so weitreichenden Entscheidungen nicht auf eine einzige Meinung verlassen und sich auch selbst etwas damit beschäftigen.

Wen sehen Sie bei der Finanzbildung in der Verantwortung: Schulen, Banken, jeden selbst?

Wir tun da viel. Auch ich bin ein paar Mal im Jahr an Schulen, um dort Vorträge zu halten. Auch Infopackages und Ähnliches werden von unserer Seite zur Verfügung gestellt und verteilt. Aber auch andere Banken und der Bankenverband leisten hier gute Arbeit.

Es wäre allerdings trotzdem wünschenswert, wenn auch in der Schule selbst – jetzt nicht nur in Schulen mit Wirtschaftsschwerpunkt, sondern generell in allen Schulen – eine gewisse Finanzbildung zu den Basics gehören würde. Die großen Unternehmen sind hier auch gefordert ihre Mitarbeiter zu bilden. Bildung ist bei diesem Thema weit effektiver als ein zusätzliches Gesetz.

Letzte Frage: Ein Kleinanleger hat zurzeit 25.000 € zur Verfügung – wie würden Sie das jetzt langfristig anlegen?

Ich unterstelle, dass bereits ein Konto, ausreichend Kapital für Notfälle und ev. eine Lebensversicherung vorhanden sind und somit das Kapital nicht kurzfristig gebraucht wird, denn im Grunde halte ich von der klassischen Anlagepyramide sehr viel. Nachdem also die Grundvoraussetzungen bereits erfüllt sind, kann man die 25.000 € langfristig etwas risikoreicher anlegen. Trotzdem würde ich auch mit 25.000 € noch nicht in Einzelaktien gehen, sondern auch hier auf einen Fonds (Finanzwissen-Folge: Alles zum Thema Investmentfonds) setzen. Als nächstes schaue ich mir die Geographie genauer an. Zurzeit würde ich die Finger von Europa lassen und auch die USA sehe ich differenziert. Somit würde ich meinen Fokus stärker auf Asien legen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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