Langsam aber stetig beginnt der Klimawandel nun doch ins kollektive Bewusstsein zu dringen, so scheint es. Was vielen Menschen schon seit langer Zeit klar ist, sickert nun langsam auch in die Gedankenwelten der Übrigen ein: dass sich etwas verändern muss und dass es so nicht weitergehen kann. Zu diesen Übrigen gehören auch Politik und Wirtschaft. Solche Veränderungen und Verschiebungen hin zu anderen Dingen sind natürlich auch aus wirtschaftlicher Perspektive interessant, weil man an Veränderungen immer auch (mit-)verdienen kann. Das ist in diesem Fall auch für Kleinanleger interessant. Dies wollen wir in diesem Beitrag einmal näher beleuchten.
Verschärfte Ziele bedingen erhöhten Investitionsdruck
Wenn wir katastrophale Folgen in der nahen Zukunft aufhalten wollen, müssen wir jetzt handeln. Das sagen nicht nur die vielen jugendlichen Aktivisten, die sich gemeinsam in der Aktion „Fridays for Future“ engagieren, sondern auch Wissenschaftler. Während sich in Deutschland die Politik immer noch mit vielen inhaltsleeren Worten aus der Affäre zu ziehen sucht und mit angepeilten Zielen, die weit jenseits der derzeitigen Legislaturperiode und wohl auch der Lebenserwartung der meisten Politiker liegen, steigt der Druck, konkret zu handeln – sowohl für die Politik als auch die Wirtschaft. Immer mehr Menschen fordern lautstark ein, dass wir unseren Kindern keinen komplett verwüsteten Planeten hinterlassen dürfen – und dass wir Möglichkeiten brauchen, um die CO2-Emissionen möglichst jetzt sofort drastisch herunterzufahren. Damit entsteht Handlungsdruck und ein Druck nach sichtbaren Ergebnissen auch bei denen, die es sich bisher in einer Verweigerungs- und Ignoranzhaltung bequem gemacht hatten.
Natürlich, während anderswo bereits seit Jahren konkret gehandelt wird – etwa in Dänemark, wo schon seit langem Heizen mit fossilen Brennstoffen einfach verboten wurde – diskutiert man hierzulande noch über Sinn und Wert von Elektrofahrzeugen, will „Bürger nicht belasten“ und zerbricht sich über die klimatechnisch wichtige Frage, ob Elektroroller nun auf dem Gehweg oder auf dem Fahrradweg fahren müssen und wie viele Versicherungskennzeichen, Helme und sinnlose Vorschriften man braucht, um so viele Menschen wie möglich davon abzuhalten, neue Technologien nur ja zu nutzen.
Tatsache ist aber auch, dass wir nicht nur einen „großen Plan“ für eine CO2-arme oder sogar CO2-lose Zukunft brauchen, sondern auch Detaillösungen für viele Probleme. Dafür muss eine beträchtliche Menge Dinge entwickelt und erst erfunden werden. Diese Erfindungen brauchen wir jetzt. Das erzeugt einen hohen Investitionsdruck bei den beteiligten Akteuren in der Wirtschaft, von denen man solche Erfindungen und Lösungen erwartet.
Wo sich Chancen für Anleger auftun
Bei innovativen Unternehmen, die erkannt haben, dass eine Trendwende und ein mehr CO2-schonendes Wirtschaften und Konsumieren nötig ist, sollte man als Anleger durchaus einmal genauer hinsehen: können Unternehmen mit solchen Veränderungen zukünftig vielleicht höhere Gewinne einfahren, oder ihre Marktposition entscheidend verbessern? Könnte die Nachfrage nach ihren Produkten steigen? In diesem Fall würde es sich lohnen, die Aktien solcher Unternehmen in sein Portfolio aufzunehmen.
Das ist der Stock-Picking-Weg, vom Klimawandel zu profitieren. Dabei muss man allerdings, wie bereits erwähnt, genau hinsehen, ob Veränderungen für das Unternehmen tatsächlich Gewinnpotenziale bedeuten – oder ob sie nicht eher (vor allem anfangs) Verluste und Umsatzrückgänge produzieren.
Der andere – leichtere – Weg ist natürlich, bereits jetzt auf Öko-Anlagen zu setzen, wo das noch Wenige tun. Klimafreundliches Investieren ist bei vielen europäischen Anlegern nicht besonders beliebt, auch wenn eine ganze Menge von Fonds dafür bereits zur Verfügung steht, die vor allem auf Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit setzen. Nachhaltige Fonds und „grüne“ Anleihen und Anlageformen werden derzeit kaum frequentiert. Wenn sich das allgemeine Bewusstsein allerdings in naher Zukunft doch wandelt, könnte die Nachfrage nach solchen Anlagemöglichkeiten steigen – und damit auch die Rendite.
Ein weitaus interessanterer und vermutlich noch einträglicherer Weg, um vom Klimawandel als Anleger zu profitieren, sind CO2-Zertifikate.
Was sind CO2-Zertifikate überhaupt?
Kurz gesagt: mit der Erlaubnis, CO2 zu produzieren, wird gehandelt. Das wird bei anderen Emissionen und Schadstoffen genauso gemacht, etwa für Schwefeldioxide oder Stickoxide.
Regierungen legen dafür zunächst eine Obergrenze für den Schadstoff für ein bestimmtes Gebiet und einen bestimmten Zeitraum fest. Ausgehend von dieser Obergrenze legt man dann Zertifikate auf, die zum Ausstoß einer gewissen Menge an Schadstoffen berechtigt. Die Gesamtzahl der Zertifikate entspricht dabei genau dem Ausmaß der Schadstoffe, die nach der Obergrenze maximal im festgelegten Gebiet und Zeitraum emittiert werden dürfen. Diese Zertifikate sind frei handelbar.
Unternehmen müssen für ihre Geschäftstätigkeit entsprechende Mengen an Zertifikaten erwerben. Wird die über das Zertifikat bezahlte und damit erlaubte Menge überschritten oder werden ohne vorhandene Zertifikate Schadstoffe ausgestoßen, werden Unternehmen bestraft.
Dieses Prinzip wird auch „Cap and Trade“ genannt. Es versetzt Staaten in die Lage, die ausgestoßene Schadstoffmenge zu kontrollieren und nach Belieben beeinflussen zu können. Erfolgt die Kontrolle und Bestrafung der Unternehmen konsequent und rigoros, lassen sich schädliche Emissionen dadurch sehr gut kontrollieren.
Dazu kommt, dass eine – mehr oder weniger – „freiwillige“ Selbstverpflichtung und Selbstorganisation der Wirtschaft vermutlich die besten und die nachhaltigsten Ergebnisse bringt, jedenfalls nach Meinung einer Vielzahl von Experten. Unternehmen können Schadstoffe produzieren, sie können bei gegebenem Bedarf auch mehr Schadstoffe produzieren – wenn sie dafür bezahlen, und wenn sie die dafür notwendigen Zertifikate kaufen.
Dabei werden zwei Mechanismen in Gang gesetzt, die man verstehen muss: Einerseits haben Unternehmen die Möglichkeit, so rücksichtslos zu produzieren, wie sie wollen. Durch den nötigen Zertifikate-Kauf wirkt sich diese Rücksichtslosigkeit ab einem gewissen Punkt jedoch auf die Produktionskosten aus und wird damit uninteressant. Andererseits steigt bei rücksichtslosem Produzieren von vielen Unternehmen sehr schnell der Preis für die Zertifikate – und drängt Unternehmen damit schon sehr früh dazu, nach schadstoffarmen Lösungen für die Produktion zu suchen. Alle diese Prozesse laufen automatisch über den Preis ab, man könnte sagen „der Markt regelt das“. Da Unternehmen Marktmechanismen verstehen, deutlich besser als sie Anforderungen an das Gemeinwohl oder umwelttechnische Verantwortung verstehen, wenn es um die eigenen Gewinne geht, kann man davon ausgehen, dass sie wie gewünscht reagieren.
Die aus dem Emissionshandel mit Zertifikaten entstehenden Einnahmen können dann wiederum von den Regierungen zweckgebunden in moderne Beseitigungs- oder Neutralisierungslösungen für die Schadstoffe investiert werden oder als Förderungen für die Entwicklung emissionsärmerer Technologien eingesetzt werden.
Die EU hat für CO2 den Emissionshandel bereits 2005 für das gesamte EU-Gebiet eingeführt. Im Kyoto-Protokoll wurde ein Instrument für den Handel mit Treibhausgasen (auch andere, nicht nur CO2) zwischen den Staaten weltweit festgelegt. Ähnliche Systeme wie die EU haben auch andere Staaten, wie etwa die USA und Kanada. Dabei gibt es eine Vielzahl verschiedener Handelssysteme, die in einzelnen Gebieten existieren. Das reicht vom bloßen Versteigern der Zertifikate ohne eine festgelegte Obergrenze bis hin zum exakt kontrollierten Ausstoß. Im Kyoto-Protokoll wurde dabei von den unterzeichnenden Staaten verbindlich festgelegt, welche Obergrenze an Emissionen klimaschädlicher Gase für jedes einzelne Land zulässig ist. Diese Obergrenzen sollen von den Ländern selber eingehalten werden.
Innerhalb der EU werden die Zertifikate von den Staaten an rund 12.000 Unternehmen verteilt oder müssen von den Unternehmen erworben werden. Jedes Zertifikat berechtigt zum Ausstoß einer Tonne Kohlendioxid. Zertifikate werden dabei zwischen den Unternehmen, aber auch an der EEX in Leipzig und in London gehandelt.
Über welchen Weg kann man als Anleger von Emissionszertifikaten profitieren?
Wenn die Klimaziele nun ernsthaft und mit Nachdruck von den Regierungen angegangen werden, kann man davon ausgehen, dass der Emissionshandel mit Zertifikaten eines der wichtigsten Instrumente sein wird, die Regierungen dafür nutzen werden, die Gesamt-Emissionen zu drücken. Immerhin ist dieses Instrument ja schon einmal vorhanden.
Bislang waren innerhalb der EU viel zu viele Zertifikate im Umlauf – damit griff das System nie richtig. Der Preis für die Zertifikate blieb niedrig und der Zwang zum Kauf von Zertifikaten stellte damit für Unternehmen nie einen besonders großen Anreiz dar, ihre Emissionen wirklich ernsthaft zu reduzieren – der Zertifikate-Kauf war deutlich günstiger als die Entwicklung neuer Technologien oder Veränderungen der Produktionsmethoden.
Wenn die Regierungen nun aber die Zügel anziehen (müssen), im Bestreben, mit dem zur Verfügung stehenden Instrument die Emissionen an vielen Orten gleichzeitig zu drosseln, wird sich die Zahl der verfügbaren Zertifikate verringern – damit steigt der Preis.
Zum Teil bemerkt man den Effekt von solchen Maßnahmen bereits jetzt – der Preis steigt. Nach einem ursprünglichen Wert von 30 Euro bei der Emission der Zertifikate fielen die Preise bis 2013 auf Tiefststände von 2,50 Euro. Seit Anfang 2018 steigen die Preise allerdings massiv an – von damals 7 Euro kletterten sie im Lauf des Jahres um 15 Euro nach oben, in den ersten Monaten des Jahres 2019 stieg der Preis weiter bis auf 27 Euro. Bis 2020 könnten bereits über 50 Euro erreicht werden, einige Experten gehen kurz bis mittelfristig sogar von einem Anstieg auf über 100 Euro aus.
Grund für den Anstieg ist eine Reduktion der im Umlauf befindlichen Papiere um jeweils 24 % pro Jahr. Ab 2022 sind noch weitere Verschärfungen angekündigt. Die Preissteigerungen kommen allerdings auch von Spekulationskäufen der Unternehmen, die die derzeit noch günstigen Zertifikate in großen Zahlen erwerben – mit dem Hintergedanken, sie später mit sehr viel Gewinn weiterzuverkaufen.
Der Preis könnte nur dann wieder fallen, wenn zu einem einzelnen Zeitpunkt sehr viele Unternehmen ihre gehorteten Zertifikate auf den Markt werfen. Dann müsste mit einem kurzzeitigen Preiseinbruch gerechnet werden.
Als Anleger kann man an den steigenden Preisen über ein Indexzertifikat mit profitieren, das CO2 European Emission Allowances der Commerzbank. Abgebildet wird dabei der Basiswert ECX EUA CO2-Emission Future 12/19 ICE-Europe.
Wer den Regierungen und ihren zukünftig ernsthaften Bemühungen, den CO[sub]2[/sub]-Ausstoß zu verringern vertraut, hat hier eine Möglichkeit, von den Bekämpfungsmaßnahmen gegen den Klimawandel deutlich zu profitieren.
Noch viel interessanter wäre natürlich, wenn besorgte Bürger mit ihrem eigenen Geld selbst CO2-Zertifikate erwerben, um die in Umlauf befindliche Menge weiter zu verknappen und so die Unternehmen zu noch mehr klimaschonenden Umbauarbeiten zu zwingen. Das ist aber leider im Programm nicht vorgesehen.