Den einen oder anderen wird es vielleicht wie ein Schlag getroffen haben: Das Traditionsunternehmen Knorr, dem schon unsere Großmütter – nein, eigentlich unsere Ur-Urgroßmütter vertraut haben, wird es ab Januar 2020 nicht mehr geben. Daneben türmen sich beinahe täglich die weiteren Hiobsbotschaften. Bei gleich mehreren Autozulieferern werden Stellen bereits in Tausender-Paketen abgebaut, andere Maßnahmen zur Bewältigung einer offensichtlichen Krise werden gar nicht erst in Erwägung gezogen. In Bayern schwächelt die Autoproduktion vor sich hin, und bei all den Hiobsbotschaften geht es immer wieder um Namen, die uns allesamt von Kindesbeinen an bekannt und vertraut sind und die für geschätzte und „solide“ Werte stehen. Was ist da los? Was für eine Art von Krise ist das, in der wir gerade stecken? Und wo läuft das alles am Ende hin? Wir haben ein paar Überlegungen angestellt.
Die Dinge entzaubern
Zunächst einmal: Nicht überall steckt auch das drin, wonach es auf den ersten Blick aussieht. Wir lassen uns dabei gerne immer von dem blenden, was wir zu wissen glauben – oder was die „Imagepolitik“ von Unternehmen und Konzernen gerne hergibt. Das soll uns zum Kaufen animieren, die Kundenbindung stärken, das hehre Markenfeeling hochhalten. Leider sieht die Realität dahinter oft deutlich anders aus als man gerne glauben möchte. Genauso wie Kühe eben nicht lila sind und auf der Alm – ähm – Schokolade – produzieren.
Viele halten Knorr immer noch für ein eigenes Unternehmen – was natürlich nicht stimmt. Knorr ist – schon seit nahezu 20 Jahren – nur noch eine Marke, die der Unilever-Konzern verwendet. Das Unternehmen selbst hat schon längst der Konzern geschluckt. Aus den ehemals 1.800 Mitarbeitern wurden bis 2016 bereits nur noch 550, die Entwicklungsabteilung hat man damals schon geschlossen. Nunmehr sind auch diese Kosten zu hoch, das Werk in Heilbronn, noch 1969 die modernste, vollautomatische Tütensuppenfabrik Deutschlands, soll jetzt im Januar 2020 endgültig geschlossen werden. Schon längst steht hier also keiner mehr vor dem Topf und rührt liebevoll die spätere Tütensuppe um – das hat auch nie jemand getan.
Für Unilever geht es natürlich ums Geld. Nach dem ein über 140 Milliarden Euro schweres Übernahmeangebot von Kraft Heinz abgewehrt werden konnte, geht es jetzt darum, stärker zu werden und die Profite zu erhöhen. Der Riese Unilever will ganz einfach seine Gewinnmarge von derzeit knapp 16,5 % auf 20 % vom Umsatz steigern, davon sollen auch die Aktionäre profitieren. Nicht genug Gewinn abwerfende Unternehmensteile, wie Knorr, die schon seit Jahren große Kostenprobleme haben, stören da natürlich.
Von vielen Seiten wird argumentiert, all das passiere nur, weil „die Aktionäre den Hals nicht voll genug bekommen können“. So undifferenziert kann man das allerdings nicht stehen lassen. Es geht schlicht und einfach ums „Big Business“ der ganz Großen – ‚Business as Usual‘ nahezu. Mit Knorr selbst, für die beiden Riesen ein völlig unwichtiger Zwerg, hat das überhaupt nur wenig zu tun. Und nur weil viele Deutsche ihre „Urgroßmutter-Marke“ behalten wollen und ihr Bild von einer heilen Tütensuppen-Welt in Oma-Qualität, rührt hier natürlich keiner einen Finger. Das wäre es nämlich auch gar nicht wert.
Bosch, Continental – Stellenabbau im Tausenderpaket
Auch andere Traditionsunternehmen haben zu kämpfen – die lautesten Nachrichten gab es dabei von Bosch und Continental, die beide tausendfach Stellen abbauen wollen. Autozulieferer stehen vor einer enormen Krise, auch die Autobauer kämpfen. Die Auto-Absätze schrumpfen und das schlägt am Ende bis zu den untersten Gliedern der Kette durch. Und das sind eben die Zulieferer. Gleichzeitig hat die ganze Branche überhaupt keine Chance, sich neu zu orientieren – weil es bis heute nicht klar ist, wo die Zukunft liegt. Elektro-Auto, Wasserstoff-Auto, ganz woanders? Der Weg in die Zukunft der Mobilität ist noch völlig offen, Lade- oder Tankinfrastrukturen hat man noch nicht einmal begonnen zu planen – und keines der Probleme, die man auf dem Weg lösen müsste auch überhaupt ernsthaft bedacht.
Irgendwie ist schon klar, dass gerade Deutschland in diesen Jahren vor einer echten Zäsur steht: irgendwas wird sich ändern in den nächsten Jahren. Die Zeit, in der Deutschland mit dem Verbrennungsmotor eine profitable, immer sprudelnde Einnahmequelle in nahezu allen Staaten der Welt hatte, sind sicher vorbei. Was in diesem Bereich als nächstes kommt, ist aber noch nicht einmal im Entferntesten klar. Das lähmt natürlich auch die Wirtschaft und die Unternehmen, die nur die Möglichkeit sehen, sich radikal durch Verkleinerung anzupassen und erst einmal abzuwarten.
Zahlreiche Probleme – und keine Lösungen in Sicht
Zwar versucht man immer, die Stimmung positiv zu halten, zu erzählen, dass die „Kauflaune der Verbraucher“ ungebremst hoch sei (dabei ist sie auf dem niedrigsten Stand der ganzen letzten Jahre), dass es aufwärts gehen wird, dass die Konjunktur gar nicht so flau ist (doch, ist sie, den Zahlen zufolge) und dass die Exporte doch Deutschlands große Stärke seien.
Niemand beachtet indes, dass wir die Zinsen bereits auf 0 % heruntergefahren haben (und das, nach jüngsten Entscheidungen auch so beibehalten werden). Dass trotz sinkender Konjunktur die Steuereinnahmen 2019 sogar noch höher ausfallen als erwartet, obwohl man die Wachstumsquoten permanent nach unten kalkuliert und die Auswirkungen von Gesetzen und Verordnungen für die Wirtschaft so teuer geworden sind wie nie zu vor. Die Bürokratie drückt buchstäblich der Wirtschaft die Luft ab. So viel Geld hat die Regulierungswut der Regierung noch nie zuvor gekostet, vor allem der Wirtschaft. Und die Parallelen zur wirtschaftlichen Entwicklung und Situation des Katastrophenjahres 1929 sind so palpabel wie nie zuvor. Die Weltwirtschaft leidet unter enorm hohen Zöllen, die Konjunktur hat sich fühlbar abgekühlt – und die Kurse steigen trotzdem munter weiter. Das war auch vor 90 Jahren genau so. Die Notenbanken haben ihre Maßnahmen schon in der letzten Finanzkrise schon längst ausgeschöpft – und heute würde, im Gegensatz zu 1929 – noch viel mehr gleich die gesamte Welt zusammen in die Krise rutschen, konzertiert und gleichzeitig.
Deutschland – und nicht nur Deutschland – steht also tatsächlich vor einer Art Zäsur: die Energiewende ist quasi Makulatur und praktisch im Stehen eingeschlafen, der Klimawandel drängt, wir haben keinen klaren Plan für die Zukunft der Mobilität, die Zukunft der Energiegewinnung, die Zukunft des Wirtschaftens. Abgesehen von einigen feuchten Träumen von einer „Industrie 4.0“, die aber schon allein scheitern muss, weil alle ganz offensichtlich bereits mit der Digitalisierung auf einfachsten Ebenen heillos überfordert sind.
Die Staaten der Welt sind so zerstritten wie nie, eine politische Krise jagt die nächste, die Zerwürfnisse selbst zwischen Partnern sind so tief und unüberwindbar wie nie, die meisten westeuropäischen Staaten sind auch im Inneren tief gespalten zwischen solchen, die alles anders und besser machen wollen und denen, die am liebsten ins Jahr 1950 zurückspringen wollen, mit dem Plan, alles zu „bewahren“ was es schon seit Jahrzehnten so nicht mehr gibt. Das ist vielleicht eine Krise – vielleicht ist es auch noch mehr. Denn für eine Krise dauert das alles schon reichlich lange. Vielleicht ist es tatsächlich eine radikale Veränderung, die uns bevorsteht – in diesem Fall gilt für Anleger allerdings wieder einmal die alte Anweisung:
„Investiere in DIE Zukunft, die du haben möchtest“. Nur das wird wieder für Bewegung sorgen und das Ganze voranbringen – und uns vielleicht auch aus dieser Dauer-Krise herausführen – wenn wir uns endlich wieder darüber klar werden, wohin wir letzten Endes eigentlich wollen.
Und die Wirtschaft, die Konzerne und Unternehmen sind nicht fragil. Sie bekommen nur den Wind der bevorstehenden Veränderung zu spüren, der an ihnen zerrt – der aber eben nicht weiß, in welche Richtung er eigentlich stürmen soll. Und während er sich wütend auf der Stelle im Kreis dreht, reißt er eben so einiges nieder, was schon zu schwach ist, um noch zu widerstehen. Oder das, was seit langer Zeit ohnehin nur noch Illusion war.