In vielen Ländern sind sie bereits seit langem geächtet – dennoch werden sie immer noch mancherorts hergestellt, in Verkehr gebracht und verwendet: sogenannte kontroverse Waffen. Darunter versteht man sowohl Nuklearwaffen als auch Streuminen, Anti-Personen-Minen, biologische und chemische Waffen und andere scheußliche Erfindungen pervertierten menschlichen Verstandes. Über Mainstream-Indizes finanzieren leider viele Privatanleger immer noch zahlreiche Unternehmen mit, die solche Waffen herstellen – und das trotz eines bestehenden Finanzierungsverbots in vielen Ländern Europas. Eine Initiative aus der Schweiz bringt das Thema wieder einmal nachdrücklich auf den Tisch – wir beleuchten die unerfreuliche Sachlage in unserem Beitrag.
Was sind überhaupt „kontroverse Waffen“?
Grundsätzlich handelt es sich bei kontroversen Waffen um jene Kriegsmittel, über deren Einsatz eine Kontroverse besteht (daher der Name). Viele dieser Waffen sind auch international geächtet – allerdings nicht alle. Eine Ächtung bedeutet, dass der Einsatz solcher Waffen durch verschiedene internationale Konventionen eigentlich verboten ist – eingesetzt werden sie in zahlreichen Kriegen aber trotzdem – in Einzelfällen auch von Ländern, die sich eigentlich an die Konventionen halten sollten.
Einen Grenzfall bei den kontroversen Waffen stellen dabei Nuklearwaffen dar. Sie gehören nicht per se zu den geächteten Waffen – immerhin pflegen die Supermächte ja schon seit den Fünfzigerjahren ungebrochen eine Politik der „nuklearen Abschreckung“, die gerade wieder zu neuen Höhen aufläuft. Zusätzlich mischen mehr und mehr noch weniger vertrauenswürdige Länder im großen Atom-Poker mit und nur im Ausnahmefall (wie etwa beim Iran) versucht man sie dazu zu bewegen, davon abzulassen. Eine direkte Ächtung oder ein Verbot von Atomwaffen gibt es also nicht – sehr wohl aber eine Kontroverse um diese Waffengattung. Damit kann man sie immerhin in den Bereich der kontroversen Waffen einordnen.
Geächtet sind aber in jedem Fall alle Arten von Streubomben, Landminen und Anti-Personen-Minen in jeder Form sowie biologische und chemische Waffen wie Giftgas. Bei diesen Waffen kann niemand mit Verstand behaupten, er benötige sie zur kriegsmäßigen Selbstverteidigung. Zudem verursachen solche Waffen auch eine übermäßig hohe Menge an Schaden in der Zivilbevölkerung, mehr als in „zivilisierten“ Kriegen auch nur irgendwie vertretbar wäre. Viele dieser Waffen richten auch noch Jahrzehnte nach Kriegsende grausame Verstümmelungen und Todesfälle an Unbeteiligten an, allzu oft an unbedacht spielenden Kindern.
Chemische Waffen nach der Chemiewaffenkonvention sind alle Waffen, deren toxische Eigenschaften Menschen oder Tieren Schaden zufügen – auch wenn es sich nur um zeitweiligen Schaden handelt. Zu den Chemiewaffen werden laut Konvention Brand- und Rauchstoffe gerechnet, Herbizide (wie das berüchtigte „Agent Orange“ in Vietnam) und Nesselstoffe zählen ebenfalls dazu.
Biologische Kampfstoffe bedürfen keiner näheren Erklärung – darunter fallen alle Krankheitserreger oder Giftstoffe aus natürlicher Quelle – also von lebenden Organismen. Auch sie sind nach der Biowaffenkonvention weitgehend verboten, einige Staaten, darunter Israel und Syrien, sind dieser Konvention jedoch nie beigetreten und beachten sie deshalb nicht als für sich bindend.
Das Problem bei geächteten oder kontroversen Waffen ist, dass sie durchaus in manchen bewaffneten Konflikten eingesetzt werden. Damit gibt es einen Bedarf an solchen Waffen, was bedingt, dass sie auch jemand herstellen muss. Dafür, dass sich ein Unternehmen allein mit der Herstellung solcher eigentlich geächteter Waffen beschäftigt, ist der Bedarf insgesamt zu gering – als Hersteller fungieren in der Regel Rüstungsunternehmen, die auch andere, nicht kontroverse Rüstungsgüter und Waffen herstellen. Und da beginnt das Problem.
Finanzierung trotz Verbotes
Insbesondere bei Indexfonds, die unter den großen Unternehmen einer Region oder eines Kontinents natürlich auch die großen Rüstungsunternehmen beinhalten, fällt es schwer, eine Finanzierung solcher Unternehmen, die auch kontroverse Waffen produzieren, gezielt auszuschließen.
Indexfonds sind eine beliebte Anlagemöglichkeit für Kleinanleger, wegen der vielen Vorteile, auch der Kostenvorteile, die sie als Anlagemöglichkeit haben. De facto werden also Unternehmen, die auch kontroverse Waffen herstellen, vor allem von Kleinanlegern finanziert. Das ist nicht wünschenswert und übergeht zudem zahlreiche nationale Finanzierungsverbote, wie sie etwa in Frankreich, Spanien oder den Niederlanden existieren. Dort sind sowohl direkte als auch indirekte Finanzierungen solcher Hersteller verboten. Um eine indirekte Finanzierung kommt aber kein Besitzer eines traditionellen Indexfonds, etwa dem Dow Jones, FTSE Russell, Morningstar, S&P oder Stoxx nicht herum. Das ist ein unhaltbarer Zustand.
In einem jüngst wieder einmal aufgelegten offenen Brief richten sich viele institutionelle Anleger, darunter auch die Metallrente, die Verka oder auch die DWS, die Fondsgesellschaft der deutschen Bank an die Fondsanbieter, mit der Forderung, Herstellern von kontroversen Waffen den Zugang zur Finanzierung ihrer Aktivitäten zu erschweren. Ausgegangen ist die Initiative diesmal von der Schweiz, wo die 2015 gegründete SFF (Swiss Sustainable Finance) sich für bessere Möglichkeiten zur nachhaltigen und moralisch „sauberen“ Finanzierung einsetzt. Insgesamt repräsentieren allein die institutionellen Anleger bei dieser Protestaktion ein Anlagevolumen von grob geschätzt 6 Billionen Euro.
Bei den großen Fondsanbietern stieß selbst das bislang auf taube Ohren: man scheut den Aufwand, Ausschlüsse bei den Indexfonds vorzunehmen, denn das bedeutet Aufwand und Kosten. So viel ist einem der Gesinnungszwiespalt von Anlegern, die bewusst nicht die Produktion kontroverser Waffen mit ihrer Anlage unterstützen wollen, dann doch nicht wert.
Einzig MSCI hat bislang reagiert und einen MSCI ex Controversial Weapons aufgelegt. Das ist immerhin schon etwas – allerdings ist völlig waffenfrei zu investieren immer noch fast ein Ding der Unmöglichkeit. Der Dow Jones Sustainability ex Alcohol, Tobacco, Gambling and others schließt als einer der wenigen waffenerzeugende Unternehmen konsequent aus.
Zumindest in kontroverse Waffen sollte aber wirklich niemand zwangsweise investieren müssen. Welche Unternehmen auch kontroverse Waffen produzieren, kann man übrigens auf https://www.svvk-asir.ch/dienstleistungen/ nachlesen.
Wer komplett waffenfrei investieren will, muss sich intensiv Gedanken machen und sich bewusst sein, dass viele Flugzeughersteller wie Boeing oder Lockheed auch Militärmaschinen fertigen, dass im Bereich des „Cyberwar“ auch zahlreiche Softwarefirmen mittlerweile waffenfähige Produkte herstellen und auch Unternehmen wie Siemens oder der Roboterbauer Kuka als Zulieferer für militärisches Geräte und die Rüstungsindustrie arbeiten. Hier bewahrheitet sich wohl wieder einmal die traurige Weisheit, dass „der Krieg die Mutter aller Dinge ist“. Bei den Indexfonds wird es jedenfalls schwierig, komplett waffenfrei zu investieren.
Rüstungsindustrie als krisensichere Anlage?
Schon dem ehemaligen Nazi-Reich sagte man nach, dass sein ganzer wirtschaftlicher Aufschwung auf einer massiven Forcierung der Rüstungsindustrie beruhte. So ganz entspricht das nicht den Tatsachen, auch viele willige Geldgeber wie die Schweiz hatten daran ihren Anteil, aber es steckt natürlich auch etwas Wahrheit dahinter.
Je mehr die Konflikte und die Bedrohungsszenarien zunehmen, desto mehr boomt natürlich die Rüstungsindustrie. In den letzten Jahren der schwelenden Konflikte, drohenden Kriege und der generellen Aufrüstung auf allen Seiten hat die Rüstungsindustrie natürlich übermäßig profitiert – und dementsprechend haben Rüstungsunternehmen auch hervorragende Zahlen und Gewinnsteigerungen vorzuweisen.
Ein Vergleich zwischen dem Vice Funds, einem Fonds, der vor allem „böse“ Anlagen wie Bier, Zigaretten und Glücksspiel und auch noch viele Waffenunternehmen enthält, schlug in einem Performance-Vergleich die meisten ökologisch verträglichen Fonds um Längen. Mit einer Durchschnittsrendite von 9,7 % seit Beginn seiner Existenz 2002 outperformt der „böse“ Fonds sogar den DAX.
Für die Wirtschaft zählen weitestgehend nur Zahlen – und auch Anleger halten es oft so. Wenn es gute Ergebnisse bringt, ist es egal, was es ist, dann ist es gut. Am Ende ist das natürlich immer eine Gewissensfrage. Aber bei kontroversen Waffen hört das definitiv auf, finden wir. Solche Investments sollten klar ausschließbar sein – niemand sollte als Privatanleger quasi gezwungen werden, in so etwas zu investieren.
Wie die Regierung trotz angedachter Pläne feststellen musste, kann man ökologisch und moralisch verträgliche Investments nicht verordnen – und nur rund 5 % des in Deutschland investierten Geldes landeten in einem mit dem Kriterium „nachhaltig“ gelabelten Fonds. Das ist erbärmlich wenig – also ganz offensichtlich nicht das erste aller Bedürfnisse von Anlegern.
Trotzdem sollte man sich Gedanken machen und das Thema nicht einfach beiseite schieben. Besonders bei kontroversen Waffen müssen wir uns als Anleger fragen, ob wir das wirklich mit unserem Geld unterstützen wollen. Und nach reiflicher Überlegung sollte man, finden wir, dann auch klar Stellung beziehen. Egal, wie man sonst zu nachhaltigen und sozial verträglichen Anlagen steht. Bei kontroversen Waffen hört der Spaß wirklich auf.