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Ein paar Worte über Negativzinsen

In den letzten Jahren hängt es immer wieder einmal im Raum, das Schreckgespenst der Negativzinsen. Was aber lange Zeit lediglich als „größer anzunehmender Alptraum jeden Sparers“ schien, ist heute näher an der Realität denn je. Dabei sollte man nicht übersehen, dass Negativzinsen noch eine ganze Reihe weiterer und tiefer greifender Auswirkungen haben – direkte und indirekte. Und diese Auswirkungen treffen – oft auf Umwegen – dann erst recht wieder die Anleger, in der einen oder anderen Form. Wobei das nicht in jedem Fall negativ sein muss. Wir sind dem Phänomen der Negativzinsen mal gefolgt und haben uns das alles einmal genauer angesehen. Was dabei herausgekommen ist, lesen Sie in diesem Beitrag.

Vor Jahren war’s noch undenkbar – oder doch nicht?

Amerikanische Ökonomen in den Siebzigern fanden negative Zinsen noch „outlandish“ – das deutsche Pendant dafür reicht irgendwo von „außerirdisch“ über „idiotisch“ bis zu „völlig undenkbar“. In jedem Fall konnte man sich das an denWirtschaftsunis damals noch nicht einmal vorstellen – und lehnte es daher auch rundheraus ab, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Leider war man damals in den USA nicht ganz auf der Höhe der Zeit – denn die Schweizer machten dieses „außerirdische“ Konzept schon in den 70ern zur Realität. Zwar taufte man das Ganze damals noch „Kommission“ (Gebühr), und die Maßnahme blieb nur in einem beschränkten Zeitraum, nämlich von 1972 bis 1979 wirksam – aber die 2 % „Strafzinsen“ pro Quartal blieben eine Realität.

In den Jahren nach der globalen Wirtschaftkrise 2008 wurden Negativzinsen dann endgültig zur Realität in der Finanzwelt – Bundesanleihen in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden wiesen bereits teilweise negative Zinssätze auf, auch die aus dem Rettungsfonds (EFSF) ausgegebenen Anleihen hatten nicht immer positive Zinssätze. Mit dem Konzept der Negativzinsen in manchen Bereichen müssen wir uns als Anleger also langsam anfangen, anzufreunden. Nun ja – oder eher: abzufinden.

Die jüngsten und wichtigsten Negativzins-Papiere

Eine im August 2015 ausgegebene Staatsanleihe in Deutschland hat einen Nominalzinssatz von – 0,25 %. Aktuell bekommt man für Schweizer Staatsanleihen Nominalzinssätze von weniger als – 1 %, dänische und deutsche zweijährige Staatsanleihen sind ebenfalls weiterhin im negativen Bereich, mit rund –0,7 % in Dänemark und mit –0,29 % in Deutschland. Es handelt sich – zunächst also vorwiegend um Staatsanleihen – allerdings nicht nur.

Negativzinsen auch für Privatanleger und Sparkunden?

Auch einige Banken haben in einigen Bereichen bereits Negativzinsen in naher Zukunft angekündigt. So wie eine Raiffeisenbank in Bayern, die „große“ Sparguthaben (ab 100.000 Euro) nur noch gegen Entgelt „verwahren“ will – von einer „Anlage“ wagt man hier schon nicht mehr zu sprechen. Bislang sind die meisten Banken aber weitestgehend eher zurückhaltend, wenn es um Privatanleger und Sparkunden geht, und wollen, dass das auch so bleibt. Ob das auch in Zukunft so bleiben wird, muss man allerdings eher abwarten. Die vereinzelten Aktionen könnten durchaus Schule machen und plötzlich zum generellen Phänomen werden – das wäre in der Finanzwelt nicht so ganz neu. Aktuell haben Kleinanleger aber noch gute Chancen den Negativzinsen zu entgehen, so ist es z.B. weiterhin bei einigen Instituten möglich um die 1% p.a. auf Tagesgeld zu bekommen.

Detail am Rande: Sind Negativzinsen für Sparer überhaupt zulässig?

Interessante Sache: Einige Verbraucherverbände haben schon in der Vergangenheit angekündigt, bei Negativzinsen auf bestehende Sparkonten rechtlich dagegen vorgehen zu wollen. Auch einige Fachanwälte sind der Meinung, dass Negativzinsen für Sparer eigentlich rechtlich unzulässig sind – die Bank muss dem Kunden als Entschädigung für seine Geldüberlassung positive Zinsen zahlen. Inwieweit das rechtlich dann tatsächlich hält, und inwieweit Gerichte das genauso beurteilen, wird man erst sehen, wenn die ersten Klagen abgeschlossen und die ersten Urteile ergangen sind. Interessant könnte das aber durchaus werden.

Negativzinsen genau betrachtet

Man muss sich das Thema Negativzinsen auch noch einmal genauer ansehen, nämlich von der technischen Seite. Wie bei den positiven Zinsen gibt es nämlich auch hier einen „Nominalzinssatz“ (der der öffentlich bekanntgegeben wird) und einen Effektivzinssatz. Der Effektivzins gibt dann erst an, was tatsächlich am Ende zu zahlen ist (ähnlich wie beim Kredit). Und für die eigenen Kalkulationen im Hinblick auf schrumpfendes Sparvermögen sollte man auch möglichst den Realzins im Auge behalten. Der Realzins ist der Zinssatz, der die Vermögenswertänderung unter zusätzlicher Berücksichtigung der Inflation angibt. Sprich: wenn zu den Strafzinsen die Verluste durch die laufende Geldentwertung auch noch hinzugerechnet werden. Dann wird es ganz schön negativ.

Vielleicht ein kleiner Trost: Genau genommen ist auch bei einem sehr geringen Positivzinssatz – etwa + 0,25 % der Realzins bereits negativ, weil die Inflation mehr Kapital auffrisst, als tatsächlich durch die Zinsen gewonnen wird. Weniger wurde das Geld also genau genommen schon länger – ohne dass wir es bewusst bemerkt hatten.

Auswirkungen von Negativzinsen

Negativzinsen in verschiedenen Bereichen haben natürlich eine Vielzahl von Auswirkungen – in direkter und in indirekter Weise. Sie haben Auswirkungen für Kunden, Auswirkungen für Banken, für die Wirtschaft und für Staaten. Alle diese Auswirkungen wollen wir der Reihe nach einmal beleuchten.

Auswirkungen für Privatanleger

Keine Frage – den Privatanleger trifft es immer am härtesten. Mit Negativzinsen besetzt sind vor allem eine Vielzahl „sicherer“ Anlagen: wie etwa Staatsanleihen, bei denen der Staat die Auszahlung nebst Vergütung (in diesem Fall: „Gebühr“) garantiert. Die Nachfrage nach solchen risikoarmen bis risikolosen Papieren ist in den wirtschaftlich und börslich turbulenten Zeiten besonders groß, nicht nur bei Privatanlegern, sondern auch bei vielen Institutionen, Rentenfonds und ähnlichem. Diese gestiegene Nachfrage bedeutet, dass man sogar Gebühren für eine Anlage wie die Bundesanleihe verlangen kann – und man findet trotzdem noch immer eine riesige Menge Anleger. Der Staat kann sich also bei seinen Bürgern verschulden, und wird dafür auch noch belohnt. Aber dazu kommen wir etwas später.

Die indirekte Folge, die Kleinanleger noch zusätzlich trifft, besteht darin, dass auch Lebensversicherungen und Rentenfonds – also typische „sichere Anlagen“ ihre Geldüberschüsse irgendwo parken müssen – und das sind teilweise sehr große Geldmengen. Dafür sind Bundesanleihen, wegen ihrer Sicherheit, besonders beliebt. Gibt es hier Negativzinsen, trifft das natürlich wiederum den kleinen Anleger, für den kein Vermögenswachstung erwirtschaftet wird, sondern im Gegenteil, eine Vermögensverringerung. Auch das belastet natürlich den Ertrag insgesamt – und macht auch solche Anlagen für kleine Anleger oft nur noch wenig lukrativ. Dort, wo dann dagegen versucht wird, die Verluste mit höheren Risiken wettzumachen, steigt auch das Risiko für den Anleger in solche Fonds und Lebensversicherungen, Verluste zu erleiden.

Den Privatanleger, der mit so wenig lohnenden Angeboten bei vielen sicheren Anlagen konfrontiert ist, ist natürlich verzweifelt (man betrachte einmal den Realzins bei einer ohnehin schon negativ verzinsten Anleihe über einige Jahre und einer Inflationsrate irgendwo zwischen 0,5 und 1 %). Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als „ins Risiko zu gehen“, und sich – etwa für seine Altersvorsorge – auf die Suche nach Produkten mit höherem Risiko aber dafür positivem Gewinnergebnis zu machen. Mit negativ verzinsten Produkten kann man schließlich kein Vermögen aufbauen, sondern höchstens welches vernichten, vor allem langfristig. Und eine Altersvorsorge lebt nun einmal vom Vermögensaufbau. Allerdings – und das muss man ganz klar sagen – wird es für den einzelnen riskanter. Bei Risiko-Anleihen besteht immer die Möglichkeit von Verlusten und teilweise sogar Totalverlusten. Das Mittelstandsanleihen-Drama hat das deutlich gezeigt.

Es geht nicht nur darum, dass das Risiko auf weniger Wachstum des Vermögens besteht – es besteht in vielen Fällen auch das Risiko, dass aus der geplanten Altersvorsorge möglicherweise nichts wird. Und das setzt gerade Privatanleger unter einen sehr hohen Unsicherheitsdruck. Man muss in jedem Fall so breit streuen, dass man das Risiko stark minimiert – und man sollte sich auch als Privatanleger unbedingt so viel wie möglich an Wissen aneignen, um wirklich fundierte Anlageentscheidungen unabhängig treffen zu können. Das sagen wir zwar auch schon seit Jahren – aber in der aktuellen Lage ist das noch viel wichtiger als früher. Wer praktisch gezwungen ist, Risiken einzugehen, sollte sein Risiko so klein wie möglich halten können und es vor allem auch verstehen.

Keine Steuererleichterung bei Verlusten

Sparer haben zudem, wenn sie Negativzinsen bezahlen müssen, keine Möglichkeit diese als Verluste steuerlich geltend zu machen. Das Finanzamt sieht nämlich negative Zinserträge als Steuern und Gebühren für eine Anlage an, und die sieht man als mit dem Sparerpauschalbetrag als ohnehin hinreichend abgegolten.

Kurz gesagt also: erwirtschaften Sie mit Ihrer Kapitalanlage Gewinn, müssen Sie Steuern zahlen. Beschert Ihnen die Kapitalanlage wegen Negativzinsen einen Verlust, können Sie diesen noch nicht einmal steuerlich geltend machen. Der Staat mag natürlich nicht dafür aufkommen, dass Ihre Kapitalanlage Sie Geld kostet. Jedenfalls ist das die bestehende Sichtweise zur Zeit – möglicherweise können einige Klagen in Zukunft diese Sichtweise ein wenig verändern. Das ist aber nicht mehr als eine sehr vage Hoffnung.

Welche Auswirkungen Negativzinsen auf die Wirtschaft haben (sollen)

Hier betrachten wir nun einmal nicht ausschließlich die negativen Sparzinsen, sondern eine Stufe höher, den negativen Leitzins, der ja auch dazugehört. Sind die Leitzinsen unter Null, kommt es zu einer Abwertung der eigenen Währung und damit werden Importe teurer, Exporte aber deutlich günstiger. Dieses Prinzip ist bekannt.

In weiterer Folge steigt, wenn man das weiterdenkt, auch die Inflationsrate, und es entsteht ein Aufschwung und ein Antrieb für die Wirtschaft. Die Begründungen für diesen Zusammenhang sind nicht nur sehr theoretisch, sondern auch sehr komplex. Das ist einmal unser Modell Nummer 1.

Auf dem anderen Weg bedeutet das, dass die Banken hohe Kosten haben, wenn sie Geld bei der EZB parken. Das soll sie – jedenfalls den Modellüberlegungen zufolge – dazu bringen, mehr Geld an Nichtbanken als Kredite zu vergeben: also an Unternehmen und andere Kreditnehmer. Unternehmen, die nun leichter und günstigere Kredite erhalten, sollen Investitionen tätigen, und auch das soll wiederum die Wirtschaft ankurbeln. Das ist unser Modell Nummer 2.

Wobei gerade Modell Nummer 2 in vielen Kreisen durchaus umstritten ist, und auch praktische Erfahrungen das Modell nicht immer bestätigen. Es kommt durchaus vor, dass die Banken die Kosten lieber eben in Kauf nehmen, und sie irgendwie dann an ihre Kunden abwälzen. Das vor allem der Mittelstand in Deutschland sehr viel (möglichst günstiges) Kapital für Innovationen braucht und nur schwer bekommt, ist dagegen schon eine richtige Überlegung, darum geht es ja seit Jahren. Ob das dann tatsächlich einen richtigen Boom in der Wirtschaft durch vielfältige Innovationen und massive Expansion bei Unternehmen auslöst, muss man dagegen eher dahingestellt lassen – auf die breite Masse hinweg kann man das wohl nur schwer prognostizieren. Es handelt sich vielmehr um eine sehr theoretische Überlegung.

Immerhin versucht man von Seiten der EZB das Modell auch insoweit zu stützen, dass man Banken aktuell auch noch 0,4 % Zinsen zusätzlich gibt, wenn die Banken sich bei der EZB Geld leihen und als Kredite an Verbraucher und Unternehmen vergeben. Man versucht die Banken also wirklich mit allen Mitteln zur Kreditvergabe zu bewegen, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Die Modelle machen insgesamt wohl schon Sinn – allerdings können sich Theorie und Praxis durchaus unterscheiden. Ob in der Praxis dann tatsächlich funktioniert, was die Theorie verspricht, und ob wir dann daraufhin wirklich massives Wachstum sehen werden, möchten wir lieber erst einmal abwarten, bevor wir es glauben.

Auswirkungen für den Staat

Verluste bei den Steuereinnahmen entstehen dem Bund – wie vorher schon erwähnt – natürlich nicht. Auch in anderen Staaten ist das teilweise ähnlich. Es gibt aber – gerade für die Staaten – noch eine ganz andere, interessante Gewinnmöglichkeit: DieStaatsfinanzierung wird so günstig wie nie. Im Grunde genommen verdienen Staaten nun auch noch Geld, wenn sie Schulden machen. Zwar mussten die Anleger bei der zehnjährigen Bundesanleihe nicht sehr tief in die Tasche greifen (- 0,05 % Zinssatz) – für den deutschen Staat war das aber bereits ein guter Schnitt – er hat damit Geld gewonnen. Und es wären sogar noch 20 % mehr Käufer zur Verfügung gestanden.

Bei Anleihen mit kürzeren Laufzeiten gibt es schon längere Zeit Negativzinsen, die teilweise auch höher ausfallen können – auch hier besteht also eine Gewinnmöglichkeit für den Staat. Das klingt auf den ersten Blick nach einer hervorragenden Möglichkeit zur zinsenlosen Staatsfinanzierung – und zu einer Möglichkeit den deutschen Schuldenberg wenigstens ein bisschen kleiner zu machen (wenn man das denn tut). Immerhin liegt der ja in einer Größenordnung von 2.256.000.000.000Euro. Nebst Zinszahlungen für aufgenommene Kredite. Die Anleger, die offensichtlich ohnehin bereit sind, ein klein wenig zu zahlen,

Ganz so einfach ist es indes nicht. Zunächst einmal werden diese Anlagen nicht mehr sehr gefragt sein, wenn sich die Wirtschaft weltweit wieder erholt, und die Wirtschaftslage nicht mehr so unkalkulierbar ist. Dann ist mit dieser Finanzierungsmöglichkeit für den Staat im wahrsten Sinn des Wortes wahrscheinlich nicht mehr viel Staat zu machen. Der Staat muss dann irgendwann für die Bundesanleihen auch wieder positive Zinsen zahlen, und damit ist die staatlicheGelddruckmaschine wieder außer Funktion. Auf Dauer angelegt ist dieses Modell also jedenfalls nicht.

Und schon sehr bald werden sich Anleger einfach auf die Suche nach lukrativen Anlagen machen, die ihnen auch helfen, wieder Vermögen aufzubauen – ganz einfach weil sie müssen. Sie werden höhere Risiken in Kauf nehmen, und dafür auch Gewinne machen. Auch damit wird die Nachfrage nach so „teuren“ Anlagen (noch einmal, man berechne sich bitte den Realzins = Realverlust bei dieser Anlage) wohl einmal stark gebremst werden. Und irgendwann einmal werden Staaten auch anfangen, die langfristigen Konsequenzen ihrer Zinssenkungen einzuschätzen versuchen, und wohl zu dem Ergebnis kommen, dass das langfristig keine sehr tragfähige Situation ist. Wenn die Zinssenkungen kein Wirtschaftswachstum anstoßen, sind andere Maßnahmen notwendig – und die Zinsen können wieder steigen. Aber die paar Milliarden, die derzeit aus der negativen Zinslage für den Staat als Gewinn abfallen, wollen wir ihm immerhin gönnen – sieht man sich den Schuldenberg an, auf dem er sitzt, hat er’s ohnehin bitter nötig.

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