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Ein kurzer Blick zurück: Was hat der Klimawandel verändert? Und was für uns Anleger?

Im Moment halten uns wohl gerade andere Dinge beschäftigt. Zwischendurch ist es aber immer sinnvoll, einmal innezuhalten und einen Blick auf eigene Anlagestrategie zu werfen. Dabei sollte man nicht nur nach Chancen und Möglichkeiten Ausschau halten, aber auch ein bisschen über den Gang der Welt nachdenken. Es gibt zwar gerade kein offizielles Jubiläum oder etwas Ähnliches, aber der Klimawandel, die Proteste und die – zugegeben halbherzigen – Maßnahmen dagegen begleiten uns nun schon eine ganze Weile. Wir werfen einen Blick auf die Wirtschaftslandschaft und sehen uns an, welche Veränderungen die praktisch ständige Präsenz des Themas in den letzten beiden Jahren gehabt hat.

Die Wirtschaft passt sich (langsam) an

Nicht immer sind die Zahlen eindeutig, weil oft von vielen Seiten und Ansätzen aus gerechnet wird. Einer Studie des “Carbon Disclosure Projects” zufolge beginnt sich ein durchaus beträchtlicher Anteil der börsennotierten europaweit tätigen Unternehmen zumindest etwas ernsthafter mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Dabei kann man zwei Richtungen für diese Aktivität feststellen. Zum einen im Bereich der Produktgestaltung und Produktentwicklung. Hier sieht die klare Mehrzahl der Unternehmen (86 %) Absatzchancen für Produkte, die erst im klaren Hinblick auf den Klimawandel für Konsumenten interessant werden. Die andere Richtung, in die es geht, ist die Beschäftigung mit sich selbst als Unternehmen in Bezug auf den Klimawandel und auf mögliche Risiken. Wer nun hofft, dass alle Unternehmen wie die EU nun beschlossen haben, in den nächsten Jahrzehnten klimaneutral zu werden, der wird leider enttäuscht. Das setzen sich nur rund 10 % der Unternehmen tatsächlich zum Ziel. Etwas weniger als die Hälfte setzt seinem Management allerdings zumindest bestimmte Klimaziele, deren Erreichung die Unternehmen mit einer entsprechenden höheren Vergütung des Managements zu fördern versucht. Die überwiegende Mehrzahl der Unternehmen, nämlich rund 80 %, macht sich immerhin gezielt Sorgen. Nämlich darum, dass der Klimawandel Risiken für ihr Geschäft birgt – und die Unternehmen identifizieren auch bereits sorgfältig, welche genau das sein könnten.

Keine Frage, hier ist noch gewaltig Luft nach oben – aber immerhin gibt es Veränderungen (auch zum Positiven, das kann man nicht bestreiten). Zumindest ist das Thema angekommen. Die komplette (sehr umfassend durchgeführte) Studie findet sich zum Nachlesen übrigens hier.

Institutionelle Investoren achten verstärkt auf Nachhaltigkeit

Zugenommen hat auch das Interesse von Investorenseite, auch bei institutionellen Anlegern. Auch hier wird zunehmend auf die sogenannten ESG-Kriterien (die wir bereits in einem eigenen Beitrag ausführlich analysiert haben) geachtet. Individuelle Ausschlüsse nach bestimmten Kriterien kommen bei vielen institutionellen Anlegern an erster Stelle. Gleich danach folgen bei der Auswahl von Titeln die Positiv-Kriterien, zu denen unter anderem auch die CO2-Bilanz von Unternehmen (oder auch von Staaten) und die Anstrengungen beim Klimaschutz gehören. Einzelne Fonds versuchen auch, gezielt Unternehmen dahingehend zu beeinflussen, ihr ESG-Rating zu verbessern. Bislang ist das aber eher eine einzelne Randerscheinung. Vermutlich würde das noch intensiver geschehen, wenn bei der Wertpapierberatung von potenziellen Anlegern verpflichtend auch auf den Punkt ESG-Bilanz hingewiesen werden müsste. Das wird aber wohl noch lange dauern. Erst am Ende der Liste erfolgt die Auswahl der einzelnen Titel für einen Fonds nach der erwarteten Rendite.

Wenn zunehmend mehr institutionelle Anleger bereits diesen Weg gehen und den ökologischen Aspekten bei der Titelauswahl hohen Stellenwert einräumen, liegt es nahe, dass wir als Privatanleger es ihnen gleichtun und ebenso vorgehen. Es wird klar, dass das Thema durchaus weithin Bedeutung hat. Dem sollte man als Privatanleger ebenfalls folgen. Dabei kommt auch zum Tragen, dass das gesammelte Privatanleger-Vermögen eine gewaltige Menge an Geld ist, das auch einen entsprechenden “Impact” auf dem Markt in die richtige Richtung erzeugt – und Unternehmen zunehmend zum Handeln zwingt (über die beträchtliche Marktmacht von Kleinanlegern in diesem Bereich haben wir bereits in einem eigenen Beitrag berichtet).

Ist gerade der Zeitpunkt für Veränderungen?

Auch wenn beide Ereignisse praktisch nichts miteinander zu tun haben (selbst wenn einige das wohl als: “Die Natur schlägt zurück” interpretieren), hat uns die Corona-Krise doch einige Erkenntnisse beschert. Zu den Zeiten, als die Corona-Krise auf ihrem ersten Höhepunkt war, in vielen Ländern Ausgangsbeschränkungen herrschten und das öffentliche Leben, wie man das gerne zu bezeichnen pflegt “heruntergefahren” war, war auch der CO2-Ausstoß auf einem unglaublich niedrigen Stand. In China sank er bereits in den ersten Monaten des Jahres um 25 %, in Deutschland stehen die Chancen gut, dass man das angestrebte Klimaziel für 2020, das schon als weit verfehlt galt, vielleicht doch noch erreicht. Immerhin ist bei nur 3 Monaten Krisendauer allein hierzulande ein Rückgang von bis zu 135 Millionen Tonnen erreichbar. Das hat man in der Berliner Denkfabrik Agora ausgerechnet. Der Grund dafür sind allein der geringere Verkehr auf den öffentlichen Straßen (nur der Personen- und Reiseverkehr, der Güterverkehr lief ja aus Versorgungsgründen weiter) und die gedrosselte Industrieproduktion. Die Auswirkungen des internationalen Luftverkehrs, da ja die weitaus meisten Flugzeuge am Boden bleiben, ist da noch gar nicht mit eingerechnet, da es sich um eine internationale Größe handelt. Der Luftverkehr trägt weltweit rund 8 – 9 % zum CO2-Ausstoß bei. In China hat sich zudem schon Anfang des Jahres auch der Stickstoff-Ausstoß massiv verringert. In Rom hat sich der Smog komplett verflüchtigt. Dass auch in Venedig nun plötzlich das Wasser in den Kanälen wieder völlig klar ist und wieder Fische in die Lagune zurückkehren, kann man als kleine Randeffekte der umwelttechnischen Erholung sehen. Ganz ähnliche Effekte, allerdings in geringerem Ausmaß, konnte man auch schon während der Wirtschaftskrise 2009 sehen. Geringer deshalb, weil das öffentliche Leben der Menschen nicht so stark zurückgefahren war.

Über all diese Zahlen wird man sprechen müssen, wenn die Corona-Krise endgültig bewältigt ist. Sie zeigen nämlich eines deutlich: Der öffentliche Verkehr und die Industrieproduktion allein haben das Potenzial, bereits für gewaltige Veränderungen beim Ausstoß von CO2 (und auch bei anderen Schadstoffen wie NO2, also Stickstoff) zu sorgen – das ist unübersehbar. Nach dem Ende der Krise wird die Wirtschaft wieder anlaufen müssen und auch das öffentliche Leben wird wieder hochgefahren werden. Es liegt aber an den Verantwortlichen in der Regierung, dafür zu sorgen, dass der Neustart der Wirtschaft und das Wiedererwachen des öffentlichen Lebens zu umweltschonenderen Bedingungen stattfinden kann. Das muss angemahnt und notfalls auch erzwungen werden. Menschen sind weithin bereit, in der Krise Anweisungen zu folgen und Einschränkungen hinzunehmen – das hat Corona klar gezeigt. Wenn denn nun endlich auch jemand erkennen würde, dass uns schon lange eine weitere Krise begleitet und wir auf eine noch viel größere Krise sehenden Auges zusteuern. Ein etwas zurückhaltenderer Lebensstil wird uns nicht umbringen. Langfristig aber einiges an positiven Veränderungen bewirken können. In den Zeiten der Krise und des immer noch eingeschränkten Lebens ist zumindest Zeit, nachzudenken, zu bewerten – und für eine bessere Zukunft vorauszuplanen.

Wenn man endlich, wie während des Ausbruchs der Corona-Krise, einmal bereit ist, Geld in die Hand zu nehmen und dem Bürger einmal klar sagen würde, was er tun soll, ließe sich in Sachen Klimaschutz durchaus einiges erreichen. Auch wenn es einen als über 60-jährigen Politiker nicht mehr selbst betrifft und das Interesse daher anscheinend weithin gering ist.

Jetzt ist auch die Zeit, über das Einführen von Veränderungen vor dem Neustart blindlings unter Volllast nachzudenken. Neue Technologien, neue Verordnungen und ein klarer Plan können für einen ökologisch sanfteren “Neustart” der Wirtschaft sorgen. Jetzt ist die Zeit für Veränderungen, wo alles noch teilweise ruht. Und es ist auch die Zeit, solche Veränderungen anzuschieben un zu finanzieren. Wenn das in Angriff genommen wird, anstatt lauthals nach “Solidarität mit den Älteren” zu krähen, dabei aber die Solidarität mit den Jüngeren, die auf einem völlig zerstörten Planeten alt werden müssen völlig außer Acht gelassen wird, wenn es gelingt, die geforderte Solidarität mit allen zu leben und endlich wirksame Maßnahmen zu planen, dann besteht auch hier ein riesiger Investitionsbedarf. Davon könnte man natürlich auch als Anleger entsprechend profitieren. In diesem Bereich sollte man also zwei Dinge tun: Die Hoffnung hoch und die Augen offen halten.

Fazit

Der Klimawandel ist also als Thema “angekommen” – auch in der Wirtschaft. Wer schon vor zwei Jahren auf das Thema gesetzt hat, lag damals ziemlich richtig. Nun geht es für uns als Anleger darum, diesem Entschluss auch weiterhin treu zu bleiben. Und gerade in der jetzigen Situation darauf zu drängen, dass der erforderliche Neustart der Wirtschaft nach der Bewältigung der Corona-Krise zu einem ökologisch sanfteren Anlaufen und zu einer positiven Veränderung wird . Und gegebenenfalls unser Investment-Volumen und unsere Stimme so einzusetzen, dass in diesem Bereich so viel wie möglich Druck entsteht, auch tatsächlich etwas positiv zu verändern. Wir kennen die Doppelbedeutung des (passenderweise chinesischen) Schriftzeichens ?: es ist sowohl Bestandteil des chinesischen Worts für “Krise” als auch des Worts für Chance. Und auch im griechischen Wort “krisis” ist die Doppelbedeutung bereits angelegt – es bedeutet nicht nur “Höhepunkt der Gefahr”, sondern gleichzeitig auch “Wendepunkt zum Besseren”. In dieser Bedeutung wird es auch von Medizinern verwendet. Wir haben es also in der Hand. Denken wir daran – auch als Anleger.

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