Die Sache mit dem Konsum…

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Die Sache mit dem Konsum…

Die persönliche Lebenssituation von vielen ist gerade entweder ziemlich angeschlagen – oder von düsteren Zukunftsaussichten massiv bedroht. In einigen Branchen hat die Hälfte der Unternehmen bereits jetzt schon angekündigt, Stellen abbauen zu wollen. Und viele, die gezwungenermaßen noch immer in Kurzarbeit sind, stellen fest, dass ihnen das, was sie dafür bekommen, nicht zum Leben reicht und dass sie ihren Lebensstandard kaum mehr halten können. Käme nachfolgend auch noch eine Arbeitslosigkeit dazu, wäre das eine mittlere Katastrophe. In diesen Zeiten, in denen viele ernsthafte Sorgen haben, wie es weitergehen soll, hat die Bundesregierung vollmundig verkündet, nach dem endgültigen Ende der Krise den „Konsum anfachen zu wollen“. Da stellt sich natürlich die Frage, wie das gehen soll.

Konsum als Wachstumstreiber

Schon vor einigen Jahren hatte Kanzlerin Merkel in einer Rede deutlich gemacht, wie wichtig der private Konsum in Deutschland als „Wachstumstreiber“ für die Wirtschaft ist. Nur wenn Unternehmen Umsätze machen – und zwar im Inland, mit deutschen Kunden, läuft die Wirtschaft auch richtig rund und es entsteht Wachstum. „Exportweltmeister“ hin oder her – das, was innerhalb der eigenen Grenzen an Konsum passiert, ist mindestens genauso wichtig für die Wirtschaft. Ernsthaft bestritten wird das im Grunde von niemandem.

Nur – nach eben genau diesem überbordenden Konsum sieht es gerade nicht aus. Studien zeigen, dass viele Deutsche immer noch sehr zurückhaltend sind mit Ausgaben. Sehr viele haben erst vor Kurzem im Rahmen einer Umfrage noch klar gemacht, dass sie bei Anschaffungen über 250 Euro sehr gründlich nachdenken würden. Oder diese erst einmal weit nach hinten verschieben würden.

Das geht auch gut konform mit vielen anderen Zahlen. Einer Hochrechnung der DZ-Bank zufolge wird die Sparquote in diesem Jahr wohl deutlich steigen, prognostiziert wird ein Anstieg von 10,9 % 2019 auf bis zu 12,5 % oder sogar noch mehr. Was in Prozentzahlen noch nicht so eindrucksvoll aussieht, ist angesichts des Vermögens der deutschen Sparer aber eine unglaubliche Menge Geld, die nun zusätzlich auf die hohe Kante gelegt werden wird. Tritt das so ein, wäre das mit Abstand die höchste Sparquote seit 1992. Durchaus beträchtlich also.

Dieses Geld fehlt der Wirtschaft schon einmal direkt. Vor allem langlebige und große Anschaffungen – wie etwa Autos – werden höchstwahrscheinlich von vielen tatsächlich stark nach hinten geschoben, wenn die Sparquote in einem derartigen Maß ansteigt. Niemand weiß genau, wie viele Jahre nach hinten. Der Konsum-Einbruch wird von den Experten dabei aber noch um ein paar Prozent höher angesetzt – aufgrund einiger anderer Faktoren, die im Krisen- und Lockdown-Geschehen auch noch zum Tragen kommen. Insgesamt prognostizieren die Experten einen Rückgang des privaten Konsums in diesem Jahr um 2,8 % – den stärksten Rückgang beim privaten Konsum, den wir seit der Wiedervereinigung erlebt haben, seit mehr als dreißig Jahren also.

Nach den Gründen dafür muss man natürlich nicht fragen. Infolge der Krise haben viele Haushalte Einbußen beim Haushaltseinkommen. Insgesamt steht den Experten zufolge im durchschnittlichen Haushalt 1,1 % weniger Einkommen zur Verfügung, das ausgegeben werden könnte. Der Wert spiegelt natürlich nur einen deutschlandweiten Durchschnitt über alle Haushalte hinweg wider. Und dieser ist nur deswegen so niedrig, weil in diesem Jahr viele Rentner deutlich mehr Geld bekommen werden. Die Einbußen für den einzelnen Haushalt – und für sehr viele Haushalte insgesamt – sind deutlich schmerzhafter, als der Rückgang des verfügbaren Einkommens um 1 %. Für viele wird es fast existenzbedrohend.

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Was einen besonders nachdenklich machen muss: Trotz sinkendem Einkommen wird massiv mehr gespart. Das ist wohl ein absolutes Krisen-Alarmsignal für die Konsumentwicklung.

Der Wille zu sparen ist da – nur fehlen die Möglichkeiten

Was man als Kleinanleger mit seinem zukünftig noch größeren Sparwillen anfangen soll, ist aber im Moment noch nicht klar. Es fehlen ganz eindeutig die Anlagemöglichkeiten. Das könnte dazu führen, dass viele eben mal wieder die „bewährten“ Produkte nutzen – Sparbuch, Bausparer, Tagesgeld. Die erhöhte Sparquote führt dann gleichzeitig nicht etwa zu einem wachsenden Vermögen – sondern häufig möglicherweise sogar zu noch größeren Verlusten. Und zwar wenn Anlageprodukte mit Negativzinsen oder inflationsbereinigt negativen Zinsen für den Spargroschen verwendet werden.

Viele Banken rechnen auch damit, dass das zusätzlich gesparte Geld vor allem in Sichteinlagen und Bargeld fließen wird. Zusätzlich werden viele einen Teil ihrer Wertpapiere verkaufen, um größere, ebenfalls krisenbedingte Verluste zu vermeiden. Auch dieses Geld wird mangels Möglichkeiten vermutlich zu einem großen Teil in Bargeld und Sichteinlagen aufbewahrt werden.

Die DZ-Bank vermutet daher einen regelrechten „Geldanlagestau“ bis zum Jahresende hin. Trotz der unglaublich hohen Sparquote wird das Vermögen der deutschen Sparer damit nur marginal anwachsen. Lediglich 2,1 % Zuwachs werden prognostiziert. Also sogar weniger, als die Sparquote zunimmt.

Natürlich ist Sparen sinnvoll und die Sorgen vieler sind verständlich, wenn weiterhin Kurzarbeit und in naher Zukunft möglicherweise ein Jobverluste drohen. Wenn Kredite bereits jetzt schon gestundet werden müssen und auch weiterhin mit finanziellen Einschnitten zu rechnen ist. Jeder ist sich selbst der Nächste. In einer Krise gilt das noch viel stärker, wo jeder auch finanziell sehen muss, wo er bleibt.

Ohne wieder zunehmenden Konsum könnte das ein Teufelskreis werden

Wenn die Wirtschaft nicht wieder hochkommt, werden die angekündigten Stellenstreichungen wahrscheinlich tatsächlich durchgeführt. Der Staat ist nicht in der Lage, über lange Zeit hinweg praktisch Millionen Gehälter zu finanzieren und Unternehmen zu stützen. Was nicht durch unternehmerischen Umsatz entsteht, wird über kurz oder lang nicht mehr vorhanden sein. Je mehr Unternehmen aber in die Pleite schlittern oder mit zum Überleben kaum ausreichenden Umsätzen kämpfen müssen, desto wahrscheinlicher wird es, dass immer mehr Stellen abgebaut werden. Damit sinkt wiederum die Kaufkraft und die Umsätze gehen am Ende weiter bergab.

Über die Möglichkeiten der Bundesregierung, den privaten Konsum „anzufachen“, sollte man sich vielleicht nicht allzu große Illusionen machen. Auch als Regierung kann man natürlich niemanden zwingen, Geld auszugeben. Sie würden sich ja selbst auch nicht dazu zwingen lassen, mehr zu kaufen, als sie wollen. Und in der derzeitigen Lage darf man durchaus bezweifeln, dass die von der Autoindustrie bei nahezu jeder Krise so vehement geforderten staatlichen Kaufprämien und Abwrack-Zuschüsse tatsächlich so viel Wirkung entfalten werden. Das würde auch nur der Auto-Industrie nutzen – wenn überhaupt.

Ganz allgemein darf dabei auch bezweifelt werden, dass einige Preisnachlässe tatsächlich dafür sorgen, dass eine Vielzahl von Menschen nun ein brandneues Auto kaufen wird – ausgerechnet mit Verbrennungsmotor. Angesichts der drohenden Klimakrise, die sich ja nicht in Luft aufgelöst hat, wäre das auch genau die falsche Botschaft.

2009 hat die Abwrackprämie auch nur vordergründig funktioniert. Nach den ausgeschütteten 5 Milliarden Steuergeld kam es zwar zu sehr vielen Käufen, danach folgte dann aber der Rutsch. In den Jahren 2010 und 2011 musste die Autoindustrie massive Verluste hinnehmen. Die gefeierte „geniale“ Strategie Deutschlands zeigt sich im Nachgang nicht nur als nicht wirkungsvoll, sondern sogar als verheerend. In einigen Ländern Westeuropas, die die „geniale“ deutsche Strategie, Steuergeld als Geschenk für Autokäufer zu verschwenden, natürlich sofort kopieren mussten, brachen die Umsätze in den darauffolgenden Jahren sogar um bis zu 25 %  ein, weil die Leute eben einfach nur ein Jahr früher gekauft hatten. In den meisten Ländern dauerte es bis 2012, bis sich der Markt wieder einigermaßen erholt hatte. Danach stellte sich zudem heraus, dass das bis dahin teuerste „Konjunkturprogramm“ der deutschen Geschichte den heimischen Autobauern überhaupt nichts gebracht hatte. Sie schrammten in dem nachfolgenden Absatzeinbruch vielfach nur knapp an der Pleite vorbei. Was sie im letzten Moment rettete, war nur staatlich geförderte Kurzarbeit und eine überraschend ansteigende Nachfrage nach deutschen Fahrzeugen auf den asiatischen Märkten. Ansonsten hätte die „geniale“ Idee wohl überaus fatal geendet.

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Das scheint die Autoindustrie irgendwie verdrängt zu haben, wenn man sich ihre aktuellen Forderungen anhört. So etwas überhaupt ein weiteres Mal in Betracht zu ziehen, ist natürlich völlig sinnfrei. Und man darf nur hoffen, dass die Regierung nicht glaubt, irgendwelche Kaufprämien für irgendetwas wären die Lösung für das „Anfachen“ des Konsums.

Lastenräder werden seit März 2018 auch bundesweit mit bis zu 2.500 Euro (30 % des Kaufpreises) gefördert. Es ist aber jetzt nicht gerade so, dass man seitdem an jeder Ecke über sie stolpert und die Lastenrad-Hersteller die Boom-Branche der Nation sind. Besser also, man verzichtet auf solche „Anfach-Förderungen“.

Konkrete Pläne hat bisher noch niemand auf den Tisch gelegt. Wir können also nur abwarten, was da so an neuen „genialen“ Ideen auf uns zukommt. Und uns dann überlegen, ob wir da mitmachen oder nicht.

Wir sollten tatsächlich etwas tun – aber was?

Nur zu sparen ist zu wenig – vor allem dann, wenn es ohnehin kaum auch nur einigermaßen sinnvolle Möglichkeiten für die Anlage gibt. Und natürlich muss jeder zuallererst und vorderst die eigene Existenz absichern – und zwar gut absichern.

Darüber hinaus muss sich aber jeder bewusst sein, dass es an uns allen liegt, wie gut wir diese wirtschaftliche Krisensituation am Ende abwettern. Und wie viele Unternehmen am Ende überhaupt übrig bleiben werden.

Eine aktuelle Umfrage, die von Accenture, einer der weltgrößten Unternehmensberatungen mit Sitz in Dublin, gerade in mehr als 15 Ländern durchgeführt wurde, brachte einige überraschende Ergebnisse:

60 % der Verbraucher achten deutlich mehr auf sich selbst, ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden, 57 % machen zuhause Sport. 64 % achten stärker darauf, Lebensmittelabfälle zu vermeiden und wollen das auch in Zukunft tun. 50 % kaufen gesundheitsbewusster ein als zuvor und wollen das auch weiter tun. Und 45 % treffen eigenen Angaben zufolge nunmehr nachhaltigere Entscheidungen beim Einkauf als zuvor – und wollen auch das beibehalten.

Überrascht hatte dabei nicht nur das schiere Ausmaß der Veränderungen, sondern auch das Tempo, in dem sie gerade stattfinden. Vieles deutet darauf hin, dass sich das Kaufverhalten auch nachhaltig verändert. Als Konsumenten und ganz persönlich sind wir also auf einem sehr guten Weg. Für die Umsätze im Handel, insbesondere im stationären Handel, bedeutet gerade das allerdings nichts Gutes. Noch viel weniger, nachdem man aus der Auswertung der Studie überdies als Veränderung des Kaufverhaltens auch einen Anstieg der Online-Käufe bei Produkten und Dienstleistungen von 32 % auf 37 % als plausibel sieht – in der nahen Zukunft.

Als Konsument ist man dabei irgendwie gerade in der Zwickmühle. Auf der einen Seite sollen, ja müssen wir unseren Konsum wieder hochfahren, damit die Wirtschaft auch wieder hochkommt. Auf der anderen Seite sollten wir unseren auf unsere Gesundheit und auf Nachhaltigkeit fokussierten Weg natürlich unbedingt beibehalten und uns auf keinen Fall wieder in irgendwelche geistlosen Konsum-Orgien treiben lassen. Daneben sollten wir auch sinnvoll mit unseren Einnahmen wirtschaften und ein bisschen Vorsorge betreiben.

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Wie wir das alles gerade unter einen Hut bringen sollen, sagt uns Konsumenten leider niemand. Irgendwie spricht auch gar niemand wirklich mit uns – als Konsumenten.

„Die Wirtschaft“ ist natürlich kein großes, graues Ungetüm draußen in der Ferne, das uns nur Böses will – oder uns Geld beschert. „Die Wirtschaft“ sind die Unternehmen, bei denen wir arbeiten, die Läden, in denen wir einkaufen. Und mit unserer Arbeitsleistung und unserem Konsum sind wir ein Teil dieser Wirtschaft, mittendrin.

Am sinnvollsten ist es höchstwahrscheinlich, unseren gerade eben erst eingeschlagenen Weg der Nachhaltigkeit und des bewussteren Konsums – und des Mehr-auf-uns-selbst-Achtens einfach weiterzugehen. Das ist das Beste, was der Welt, in der wir leben, passieren kann. Wenn es dazwischen ein Artensterben von Wirtschaftsteilen gibt, die einfach überholt, nicht mehr zeitgemäß oder nicht mehr nachhaltig genug sind, dann ist das traurig. Aber ein Aussterben gehört auch immer zur Evolution. Und in diesem Fall ist es ein positiver Evolutionsprozess, auch wenn dabei kurzfristig Nachteile entstehen. Wer sich nicht anpasst – oder anpassen kann – stirbt eben aus. Wir werden Ersatz dafür finden.

Natürlich sollten wir bei unseren Konsumentscheidungen auch ein bisschen unsere lokale Wirtschaft berücksichtigen und sie nach Möglichkeit fördern, wenn wir können. In Österreich, wo man Dinge oft schlichter, bodenständiger und direkter formuliert als im deutschen Land der Dichter und Denker, hat es der Kanzler auf den Punkt gebracht. In einem Tweet ersuchte Sebastian Kurz seine Landsleute, trotz der Krise zu konsumieren, vor allem regional und auch in den österreichischen Wirtshäusern. Was in seiner Kürze fast ein wenig hölzern wirkt, ist indes ein wirklich guter Ratschlag, der nicht nur für Österreich, sondern für jedes von der Krise betroffene Land gilt. Darüber hinaus ist es als Ratschlag auch mit der geforderten Nachhaltigkeit und den Klimaschutzforderungen sehr gut vereinbar. Es ist in seiner Kürze ein sehr kluger Ratschlag mit sehr viel Weitblick.

Wenn es um unsere Anlagen und unser Erspartes geht, sollten wir den gleichen Blick walten lassen. Wir sollten unser Geld gerade jetzt in genau die Dinge investieren, die wir auch gut finden. In Unternehmen, die wertvolle und nachhaltige Produkte oder Dienstleistungen anbieten. Die einen Fortschritt versuchen umzusetzen und die sinnvolle Technologien für eine nachhaltigere und ökologischere Zukunft entwickeln oder anbieten. Angesichts der markanten Konsumveränderungen, die man überall in Europa gerade beobachten kann, werden es die Dinge sein, nach denen gerade in der nächsten Zukunft höchstwahrscheinlich noch deutlich mehr Nachfrage besteht.

Irgendwelche Konsum-Orgien mit Kater-Garantie danach brauchen wir zur „Rettung der Wirtschaft“ nicht in Erwägung zu ziehen und sie uns erst recht nicht von irgendjemandem verordnen lassen. Wir sind auf dem richtigen Weg – wir brauchen diesen nur weiterzugehen. Und dabei ab und an vielleicht einmal einen Blick darauf zu werfen, welchen wertvollen und nachhaltigen Unternehmen wir mit unseren Konsumentscheidungen und unseren Anlageentscheidungen vielleicht noch ein wenig besser nützen können.

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