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Die Niedrigzinsen – wie lange werden sie uns noch verfolgen?

Zunächst sollten sie als Medizin eingesetzt werden – jetzt sind sie eine Art Dauermedikation: die Niedrigzinsen. Besonders für Kleinanleger ist das natürlich eine bittere Pille, die langfristigen Vermögensaufbau gerade für Menschen mit geringen finanziellen Mitteln enorm erschwert. Wie lange werden uns die Niedrigzinsen noch plagen – und ist ein Ende überhaupt abzusehen? Wir haben uns Gedanken gemacht. 

Die Medizin für die Krise

Die weltweite Wirtschaftskrise 2007 und 2008 sind vielen von uns höchstwahrscheinlich noch in lebhafter Erinnerung. Wie dramatisch es damals tatsächlich war, haben viele aber gar nicht so recht mitbekommen. 

Das Mittel der Wahl war, dass im Angesicht der Krise zunächst einmal die Zentralbank die Leitzinsen senkte. Das machte nicht nur die europäische EZB, sondern auch die FED in den USA und auch die Zentralbank in Japan und Großbritannien. 

Werden die Zinsen gesenkt, kommt es zu einer sogenannten Liquiditätsausweitung: es ist kostengünstiger, an Geld zu kommen, wenn die Leitzinsen niedrig sind – Kredite sind dann günstiger. Umgekehrt sinken allerdings auch die Sparzinsen. Das ist – zumindest stark vereinfacht dargestellt – die Situation. Die Wirklichkeit ist komplexer und die Auswirkungen sind deutlich vielfältiger als günstige Kredite und niedrige Sparzinsen

Um sich das Ausmaß des – nahe Null residierenden – Zinssatzes einmal vor Augen zu führen, kann man sagen:

Früher kostete es Geld, Schulden zu machen – und sparen lohnte sich, vor allem auf lange Sicht. Heute kostet es kaum mehr Geld, sich Kredite aufzunehmen (so man sie denn bekommt) – und Sparen führt in vielen Fällen, vor allem langfristig, zu Verlusten. Mit dieser Realität muss man erst einmal klarkommen. 

Die vielfältigen Auswirkungen der Niedrigzinspolitik – Gewinner und Verlierer

Gewinner der niedrigen Zinsen sind in jedem Fall die Staaten – Verlierer in der Hauptsache ihre Bürger. Der Grund dafür ist folgender: Für Staaten, insbesondere mit hoher Verschuldung, ist es bei niedrigen Zinsen sehr viel leichter, die Haushalte zu konsolidieren. Frisches Geld kostet wenig, die für die zum Teil hohen Verschuldungsquoten aufzubringenden Zinsen sind niedrig und belasten die Budgets deutlich weniger. Eine gute Situation für die Staaten also – ganz prinzipiell. 

Leider ist es so, dass beispielsweise in Europa kaum ein Staat die Gelegenheit genutzt hat, den Haushalt zu konsolidieren, die Verschuldungsquote zu senken oder längst überfällige Strukturreformen anzugehen. In Europa pflegt man sich allenorts eher auf der günstigen Finanzlage auszuruhen, als sie tatsächlich zu nutzen. Das immerhin seit gut zehn Jahren. 

Für den Bürger bedeutet das auf staatlicher Ebene verschleppte Reformen, für die eigene Vorsorge dagegen überaus schlechte Bedingungen. Wegen der immer noch herrschenden Unsicherheit, was die Zukunft bringen mag, ist die Sparquote in vielen westlichen Industrienationen zwar sehr hoch – die Zinsgewinne, die damit erzielt werden, sind allerdings beschämend niedrig. Wenn es nun an Reformen fehlt, die die Altersarmut bei steigender Lebenserwartung besser bekämpfen und gleichzeitig die Möglichkeit wegfällt, mit den traditionellen und „sicheren“ Anlageformen nennenswerte Gewinne zu erwirtschaften, ist die Situation für den einzelnen Bürger eher prekär. 

Ein noch schlimmeres Signal ist, dass Staaten wegen der hohen Nachfrage und den schlechten Möglichkeiten für Sparer sogar noch Geld mit Schuldenmachen verdienen können: Viele akzeptieren bei den traditionell als sehr sicher geltenden Staatsanleihen sogar negative Zinsen – mit einer problematischen Folge: dafür, dass viele Anleger dem Staat das Geld quasi nachwerfen, weil sie immer mehr Staatsanleihen zeichnen, muss der Staat im Fall von Negativzinsen noch nicht einmal Geld bezahlen, sondern er verdient sogar noch welches damit. Das verleitet natürlich dazu, immer mehr Staatsanleihen aufzulegen und die Staatsverschuldung damit sogar noch zu erhöhen, anstatt die Schuldenquote zu senken und die Haushalte zu konsolidieren. Natürlich ist das nicht überall der Fall – aber an fast allen Orten. Auch in Deutschland hat man sich über die entstandenen Mehreinnahmen sehr gefreut. Dem Bürger kam davon nicht sichtbar etwas zugute.

Die Nachfrage nach sicheren Anleihen wie Staatsanleihen ist auch deshalb hoch, weil viele institutionelle Anleger (wie Rentenkassen einen Teil ihrer Investments in festverzinsliche Produkte zwingend anlegen müssen. Sie haben also vielfach also gar keine Wahl als sehr niedrige Zinsen oder gar Negativzinsen in Kauf nehmen zu müssen. Die schlechten Ergebnisse, die aus solchen Anlaen dann resultieren, treffen am Ende wieder den einfachen Bürger, den eigentlichen „Empfänger“ der Gelder aus der Rentenkasse. Analog gilt das allerdings auch für viele andere Produkte, die mit einem hohen Anteil an festverzinslichen Papieren arbeiten. Beim Selbstvorsorgen mit klassischen, „sicheren“ Produkten steht der Bürger selbst dann vor dem gleichen Problem: er bekommt lächerlich wenig für sein Geld, Negativzinsen bleiben den Kleinanleger wenigstens bislang noch erspart. 

Was nützen niedrige Zinsen eigentlich der Wirtschaft?

Im Allgemeinen gelten die Ausweitung der Geldmenge und vor allem kostengünstige Möglichkeiten, Geld für Investitionen zu erhalten, als Motor für die Wirtschaft. Auch für den einzelnen werden Kredite dann kostengünstiger, was den Konsum ankurbeln soll. 

Man muss sich allerdings klar machen, dass man sich hier im Bereich von Theorien bewegt und nicht etwa von feststehenden wirtschaftlichen Gesetzen. 

Das kann man klar daran erkennen, dass die Wirtschaft seit den Krisenjahren zwar wieder in Gang gekommen ist, aber es jedenfalls in Europa nicht etwa eine rasch anziehende Konjunktur gab, sondern immer wieder bedenkliche Aussetzer. So recht kam das Ganze nicht in Gang, trotz aller Maßnahmen der EZB, die noch weit über das reine Senken der Leitzinsen hinausgingen.

In den USA sorgen die niedrigen Zinsen zu einer mittlerweile recht plausibel erscheinenden Überhitzung der Wirtschaft. Hier ist vor allem der Präsident der „Antreiber„, der die FED gerne dazu verdonnert, die Zinsen niedrig zu halten. Eine immer weiter überhitzende Wirtschaft neigt allerdings zur Bildung von Blasen – wenn diese dann platzen, hat das fast immer recht schmerzhafte und bisweilen desaströse Folgen, sowohl für die Unternehmen als auch für die Wirtschaft an sich und natürlich für die Anleger. Hier wären höhere Zinsen gut, um die überhitzte Wirtschaft ein wenig abzukühlen – so wirklich in sicht ist das aber nicht. 

Bei den Auswirkungen auf die Wirtschaft muss man sich immer klar machen, dass niedrigere Zinsen nicht automatisch eine besser und stärker laufende Wirtschaft bedeuten. Für die Konjunktur spielen noch viele weitere Faktoren eine Rolle – die Zinssenkungen sind nur ein Faktor dafür und haben oft nur marginale Auswirkungen: vor allem dann, wenn Unternehmen keine Chancen auf Wachstum haben oder ihre Investitionen selbst aus Eigenmitteln stemmen, ändern niedrige Zinsen nicht viel. 

Wer ist jetzt eigentlich schuld an den niedrigen Zinsen?

Formell ist die Frage recht einfach zu beantworten – in der Realität schiebt hier einer dem anderen den schwarzen Peter zu. Formell beschließt natürlich die Zentralbank die Höhe der Leitzinsen – in der Praxis macht aber gerade die vielenorts, etwa in Europa, einzelne Länder oder die wirtschaftliche Gegebenheiten für die niedrigen Zinsen verantwortlich. 

Wer nun tatsächlich „schuld“ daran ist, dass unsere Zinsen so niedrig sind und offenbar auch noch länger bleiben, kann man also gar nicht so sicher sagen. Auch unter Experten gibt es hier geteilte Meinungen. 

Der EZB-Präsident macht dafür gerne die deutsche Handelsbilanz, insbesondere den Exportüberschuss verantwortlich, daneben die hohe Sparquote. In letzter Konsequenz wäre dann die längere Lebenserwartung der Menschen schuld an den niedrigen Zinsen, denn da jeder umfassender für sein Alter vorsorgen und daher mehr sparen muss, steigt natürlich die Sparquote allgemein an. Nach Ansicht von EZB-Präsident Draghi ist die hohe Sparquote aber ein ganz wesentlicher Faktor für die niedrigen Zinsen. 

Natürlich darf man daneben auch herrschende politische Überlegungen nicht außer Acht lassen, wenn es um die Festsetzung der Zinsen geht: wirtschaftlich stabile Länder mit einer gut laufenden Wirtschaft und einer vergleichsweise niedrigen Verschuldungsquote würden höhere Zinsen wohl gut verkraften, vielleicht sogar benötigen, damit die Wirtschaft nicht überhitzt. 

Für ärmere, hoch verschuldete und strukturschwache Länder mit einer sehr schlecht laufenden Wirtschaft wie viele Länder Südeuropas wären höhere Zinsen dagegen eine Katastrophe: Die Haushalte würden durch die Zinszahlungen für die vorhandenen Schulden deutlich stärker belastet, das Geld würde schnell an vielen Orten fehlen. Eine sich langsam wieder erholende Konjunktur und eine langsam stattfindende Verbesserung der Situation würden durch eine Erhöhung der Leitzinsen dagegen sehr schnell abgewürgt – mit dem Ergebnis, dass alles noch viel schlimmer aussieht als vorher, mit noch weniger Hoffung auf Verbesserung. 

Gerade in der Eurozone gilt es also, bei der Festsetzung der Leitzinsen auch immer auf die Schwächsten zu schauen. Solange höhere Zinsen das Risiko bergen, einzelne Länder nahezu in den Ruin zu treiben, werden die Zinsen nicht steigen (können). Die Pleite eines Landes hätte am Ende ja immer Auswirkungen auf die gesamte EU – im Fall von Italien etwa, das ja die drittgrößte Volkswirtschaft in Europa darstellt, wäre ein Pleite dann eine prekäre europäische Katastrophe, deren Folgen man kaum mehr abwenden könnte. 

Auch hier liegen Gründe, warum die Zinsen in absehbarer Zeit wohl nicht so rasant ansteigen werden, wie man sie zuvor gesenkt hat. Oder vielleicht für sehr lange Zeit überhaupt nicht ansteigen werden. 

Kein Ende der Niedrigzinsen in Sicht

Aus den genannten Gründen werden wir wohl noch sehr lange mit sehr niedrigen Zinsen leben müssen – umso mehr, als jeder dem anderen die Verantwortung dafür zuschiebt. Solange viele Länder bei ihrer Wirtschaftsleistung immer noch auf dem Niveau von 1995 oder noch früher herumdümpeln, anstatt wenigstens auf Vor-Krisen-Niveau, scheint es wenig wahrscheinlich, dass jemand das Risiko eingehen wird, das Zinsniveau kräftig anzuheben und die mancherorts anziehende Konjunktur gleich wieder brutal abzuwürgen. 

Auf der anderen Seite könnten die betreffenden Stellen zu dem Schluss kommen, dass die Niedrigzinsen ohnehin die falsche Medizin für den kranken Patienten ist, die nicht wirklich hilft, dafür aber eine Menge Nebenwirkungen mit sich bringt. Wenn man ein wirksame Medizin für den kränkelnden Patienten findet und anwendet, könnte man die unwirksame Medizin dann absetzen. Sehr wahrscheinlich ist das aber nicht. 

Die Folgen für Kleinanleger – und was man tun kann

Als Kleinanleger wird man also sicherlich noch eine ganze Weile mit der prekären und wenig erfreulichen Zinssituation leben müssen. Das scheint mehr als nur wahrscheinlich. 

Umso wichtiger ist es, dass wir uns frühzeitig umorientieren, unsere gewachsene und vorurteilsbehaftete Scheu vor dem Aktienmarkt überwinden und lernen, mit einem gewissen Risiko zu leben und umzugehen. Das ist bislang nur in sehr geringem Maß passiert – die Mehrzahl der Kleinanleger sind imer noch viel zu zurückhaltend, wenn es um den Aktienmarkt geht – am Ende zu ihrem eigenen Schaden. 

Wichtig ist, dass wir beginnen, eine sinnvolle und vor allem lukrative Strategie für unsere Anlagen zu suchen und dabei ein wenig mehr Risiko in Kauf zu nehmen. Daneben müssen wir auch lernen, in Bezug auf unsere Anlagen rationeller und wirtschaftlicher zu denken – das fängt schon bei den Kosten für unser Depot an. In unserem kostenlosen Brokervergleich, den Sie auch individuell für Ihr eigenes Depot durchführen können, wird ersichtlich, wie viel Geld man Jahr für Jahr allein durch Sorglosigkeit verschleudern kann. Mit Zinseszinsen gerechnet verursacht das über die Jahre hinweg einen beträchtlichen Verlust bei Anlagen. 

Wenn wir mit den niedrigen Zinsen leben müssen, kann uns am Ende immerhin niemand verwehren, zumindest das Bestmögliche daraus zu machen. Man kann auch trotz niedriger Zinsen erfolgreich und lukrativ anlegen – nur eben anders. Das müssen wir lernen. Auf eine Normalisierung des Zinsniveaus auf die Werte früherer Zeiten zu hoffen, wird uns nicht weiterbringen – die wird es höchstwahrscheinlich nicht so bald geben.

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