Der VW-Skandal und seine (finanzwirtschaftlichen) Folgen

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Der VW-Skandal und seine (finanzwirtschaftlichen) Folgen

Es wird kaum ruhig um dieses ehemalige Paradeunternehmen Deutschlands. Ein Skandal jagt den anderen und langsam beginnen sich die wirtschaftlichen Folgen abzuzeichnen – nicht nur für VW allein, sondern auch in vielen anderen Bereichen. Einige Dinge sollte man dabei durchaus auch als Anleger wissen und im Blick haben. In diesem Beitrag wollen wir einmal die ganzen, weitreichenden Folgen des Skandals in der Wirtschaft und an der Börse beleuchten – dazu, was Anlegerschützer in Deutschland für VW Aktionäre tun (können).

Countdown zur Krise

Interessanterweise begann der mittlerweile als „Dieselgate“ bekannte Skandal eben nicht in den USA – sondern tatsächlich in Deutschland. Die ersten Ungereimtheiten waren ausgerechnet einem Abteilungsleiter – einem nunmehr ehemaligen, muss man dazu sagen – des deutschen Umweltbundesamts aufgefallen. Harte Fakten legte dann aber erst das amerikanische ICCT auf den Tisch, das International Council of Clean Transportation. Damit konfrontiert, berief sich VW zunächst auf einen „Softwarefehler“ und rief schon Ende 2014 mehr als eine halbe Million Fahrzeuge zurück, um „eine neue Software einzuspielen“. An den viel zu hohen Abgaswerten im Straßenbetrieb änderte das aber nichts. Es dauerte danach beinahe ein Jahr (Oktober 2014 bis September 2015) bis Volkswagen den Betrug endgültig zugab.

Was danach kam, stellte an Auswirkungen so ziemlich alles in den Schatten, was wir aus der Nachkriegsgeschichte bisher kannten. Die Folgen reichen in viele Bereiche hinein – und betreffen durchaus auch viele private Anleger direkt oder indirekt. Die VW-Aktie war ja nicht zuletzt auch eine der großen „Volksaktien“ (LINK zum Beitrag über Volksaktien). Aber auch für die Wirtschaft insgesamt ist die VW Aktie in Deutschland durchaus bedeutsam, wegen der hohen Wirtschaftskraft des Unternehmens.

VW – die „Volksaktie“

Der Begriff „Volksaktie“ ist an sich kein fest definierter Begriff. Gewöhnlich versteht man darunter Aktien, die vor allem privaten Anlegern angeboten werden, und weniger institutionellen Anlegern. Das soll, so ist es zumindest geplant, die sogenannte Aktionärsquote, also die Inhaber von Aktien in der allgemeinen Bevölkerung heben. Nicht alle dieser Volksaktien haben einen guten Ruf und ein für den Privatanleger erfolgreiche Performance – man denke nur an die berüchtigte Telekom-Aktie, oder in früherer Zeit die VEBA Aktie, die beide viele Kleinanleger um ihr sauer Erspartes gebracht haben. Für die VW-Aktie, die immer einen sehr guten Ruf unter Anlegern genoss, galt das allerdings beinahe uneingeschränkt. Bis zu Dieselgate, jedenfalls.

Andererseits ist, trotz des ursprünglichen und der nachfolgenden Skandale, der Aktienwert nicht so in den Keller gefallen, wie man es erwarten hätte können. Vor dem Skandal, Anfang 2014 bewegte sich der Wert der VW-Aktie zwischen rund 180 und knapp über 200 Euro. Einen kleineren Einbruch gab es im Oktober 2014, auf einen Aktienwert von rund 150 Euro. Danach kletterte der Aktienwert aber wieder ständig und hatte bereits im Dezember wieder einen Wert von über 180 Euro erreicht. Für den Kleinanleger war hier nicht allzu viel passiert – vor allem nicht für jene die ohnehin einen langfristigen Anlagehorizont haben und ihre VW-Aktien teils schon über Jahre halten. Im April 2015 erreichte die Aktie mit Werten von über 250 Euro einen neuen Höchststand – danach ging es aber bergab. Über die Sommermonate sank der Wert wieder auf Höhen vor dem „Hype“, auf rund 170 Euro. Von dort erfolgte dann der massive Absturz ab September/Oktober 2015. Die Aktie fiel Anfang Oktober auf einen Tiefststand von 92 Euro. Ende November/Anfang Dezember erholte sich die Aktie dann aber wieder und überschritt die 100 Euro Marke wiederum. Mit einem einzelnen Absturz im Februar 2016 liegt die Aktie seitdem immer über der 100-Euro-Marke und bewegt sich zwischen 100 und 130 Euro.

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Das ist nicht so niedrig wie man meinen möchte – auch im Herbst 2011 hatte die Aktie einen vergleichbaren Wert knapp über oder unter der 100-Euro-Marke, und bewegte sich bis Ende 2012 ungefähr in diesem Rahmen. Zwischen 2005 und 2010 lag die Aktie sogar noch niedriger – hier kämpfte sie sich von ehemals 29 Euro auf einen Wert über 100 Euro. Und zwischen 2003 und 2007 lag der Aktienwert ständig zwischen 20 und rund 50 Euro. In der „großen Perspektive“ betrachtet ist der Absturz also bei weitem nicht so kapital, wie es auf den ersten Blick schien. Für Anleger, die die Aktie erst kurzfristig im Portfolio hatte, war der plötzliche Absturz von 170 Euro auf unter 100 Euro aber natürlich vernichtend. Am Tag nach dem öffentlichen Bekanntwerden des Skandals rutschte die Aktie immerhin um satte 20 % ab, am Tag darauf nochmals um rund 18 %, insgesamt sind das also rund 34 % Kursverlust in nur zwei Tagen. Das ist massiv.

Das Problem für VW: Die Kapitalmarktinformationspflicht

Den Betrug kann (und muss) man VW in technischer Hinsicht ohne Zweifel vorwerfen. Es gibt daneben allerdings noch einen anderen Punkt, der VW auf lange Sicht noch viel mehr Probleme bereiten könnte – nämlich die Verletzung der Informationspflicht, die das Unternehmen nach Meinung vieler Juristen und Finanzexperten begangen hat.

Dabei geht es um Folgendes: VW muss als börsennotiertes Unternehmen alle Informationen die voraussichtlich den Kurs stark beeinflussen werden, so früh wie möglich an seine Aktionäre weitergeben. Das nennt man in der juristischen Fachsprache die sogenannte „Ad-Hoc-Pflicht“.Dieser Pflicht kam VW allerdings erst mit erheblicher Verspätung von einigen Tagen nach. An diesem Punkt setzen nun viele Klagen an. Die Begründung ist, dass sich Aktionäre besser hätten wappnen können, und vor allem in der Lage gewesen wären, ihre Verluste zu begrenzen. Eine fehlende oder bewusst verspätet gegebene Information kann man juristisch auch als Marktmanipulation auffassen.

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Ob es sich tatsächlich um eine solche Pflichtverletzung handelt, ist Gegenstand juristischer und gerichtlicher Entscheidungen. VW jedenfalls ist sich hier keiner Schuld bewusst. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft nach einer Anzeige der BaFin läuft allerdings, und daneben besteht auch noch ein Verdacht auf Insiderhandel.

Wichtig für Anleger, die Schaden erlitten haben

Ein sogenanntes Kapitalanleger-Musterverfahren gegen VW ist im Sommer/Herbst 2016 beim Oberlandesgericht Braunschweig anhängig. Auch Privatanleger, die Verluste einstecken müssen, können sich diesem Musterverfahren anschließen und Schadenersatz geltend machen, wenn das Gericht einen Verstoß gegen die Ad-Hoc-Pflicht feststellt. Dann kann entweder eine Rückabwicklung des Aktienkaufs oder ein Ersatz des Kursdifferenzschadens erfolgen – das liegt dann beim Gericht. In jedem Fall sollte man sich als Anleger möglichst frühzeitig an das Musterverfahren anschließen und die Klage mit einem Rechtsanwalt einbringen, da hier heikle und sehr kurze Verjährungsfristen zu beachten sind, und die Klage nicht für alle Anleger möglich ist.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) versucht dagegen in Eigenregie eine Einigung mit VW im Namen von geschädigten Anlegern zu erzielen. Über die DSW haben wir schon in einem eigenen Beitrag ausführlich berichtet (LINK ZUM BEITRAG). Ziel der DSW ist es, über ein Gericht in den Niederlanden einen Vergleich mit VW zu erzielen, und über eine eigens dafür eingerichtete Stiftung einen Ersatz für den erlittenen Schaden zu erhalten. Dafür verzichten die Anleger auf eine Klage beim Musterverfahren. Nähere Auskünfte zur Vorgangsweise, den Zielen der Vereinbarung und alle weitere Informationen erhält man auf der Seite der DSW ).

Die Folgen bei einem Verstoß gegen die Ad-Hoc-Pflicht

Sollte das Gericht tatsächlich darauf erkennen, dass VW die Ad-Hoc-Pflicht verletzt hat, könnte das schmerzhafte Folgen haben. In diesem Fall würden Schadenersatzzahlungen in mehrstelliger Milliardenhöhe auf den Konzern zukommen.

Schon jetzt denken einige insitutionelle Anleger laut darüber nach, den Konzern auf Schadenersatz zu verklagen. Darunter sind einige Pensionsfonds, die sich teilweise als Kläger zusammengeschlossen haben. Welches Ausmaß solche Klagen annehmen können, und welche horrenden Schadenersatzforderungen hier auf VW zukommen können, zeigt allein die Klage des California State Teacher’s Retirement System. Dieser Pensionsfonds allein will VW auf eine Schadenersatzsumme von 700 Mio. Euro verklagen. Und das ist nur ein einzelner Fonds. Unter den Kläger befnden sich auch so illustre Fonds wie der norwegische Staatsfonds (der weltweit größte Staatsfonds mit einem Fondsvermögen von rund 850 Milliarden USD). Hier hängen also noch einige sehr, sehr schwarze Wolken drohend über dem Konzern – zusätzlich zu seinen eigentlichen Problemen und dem massiven Gewinneinbruch 2015, dem größten Verlust in der gesamten VW-Geschichte.

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Erschwerend kommt hinzu, dass einige der Klagen von sehr großen Prozessfinanzierern begleitet werden. Solche Unternehmen sind darauf spezialisiert, aussichtsreiche Prozesse vorzubereiten und zu finanzieren und werden im Gegenzug an den vor Gericht erfochtenen Geldleistungen (Schadenersatz, vertragliche Ansprüche) prozentuell beteiligt, dafür tragen sie im Verlustfall auch das Kostenrisiko für die Prozesskosten. Damit steigt der Druck auf VW natürlich erheblich, da auch die Rendite des Prozessfnanzierers hier in der Waagschale liegt – und diese Unternehmen haben kein Geld zu verschenken und kämpfen mit harten Bandagen.

Was das alles mit dem Aktienkurs in Zukunft machen wird, ist unklar. Tatsache ist, dass die Herabstufung von VW bei den meisten Ratingagenturen (teilweise sogar zu BBB+) an sich schon schmerzhaft sein wird. Dazu kommen die Umsatzverluste, weil einige Länder den Verkauf von vielen VW-Modellen nicht mehr erlauben – darunter beispielsweise Korea. Auch wenn die Nachfrage momentan noch steigt, brechen hier mittelfristig sehr wichtige Märkte für VW ganz einfach weg.

Probleme im Umfeld

Dazu kommen noch weitere Probleme, mit denen der Konzern immer wieder zu kämpfen hat – Streitereien mit Zulieferbetrieben, wie jüngst, legen dem Konzern noch weitere Lasten und Risiken auf. Daneben stehen auch viele Arbeitsplätze sowohl bei VW als auch bei zahlreichen, mit VW eng verbundenen oder auf VW angewiesenen Unternehmen auf dem Spiel. Bis hin zu stark sinkenden Übernachtungszahlen in einzelnen Bereichen des Beherbergungsgewerbes. Auch das erzeugt Druck – ganze Regionen zittern, wenn bei VW wieder einmal Kurzarbeit angesagt ist, weil eben viele andere auch von VW abhängen.

Auch Gemeinden in Niedersachsen fürchten sich – drastische Einbußen bei der Gewerbesteuer sind in vielen Gemeinden des Bundeslandes ebenfalls ein Thema. Viele Kommunen müssen plötzlich massiv sparen, und wissen kaum mehr, woher sie das Geld nehmen sollen. Das trifft umgekehrt dann natürlich wieder die Bürger in diesen Kommunen – Kita und Hundesteuer werden teurer, Parkgebühren steigen, städtische Leistungen werden massiv gekürzt.

Was tun mit VW-Aktien?

Darüber kann man mit Sicherheit keine klare Aussage treffen. Einige Experten rechnen mit einer starken Aufwärtsbewegung der Aktie, andere wiederum raten zum Verkauf. Wie so oft erhält man, wenn man drei Leute fragt, ungefähr fünf verschiedene Empfehlungen. Im Wesentlichen hängt es natürlich von der eigenen Risikobereitschaft, den eigenen Anlagezielen und nicht zuletzt auch von der eigenen Sachkenntnis der Branche ab, was man tatsächlich am besten mit seinen VW-Aktien im Portfolio macht. Bei denen, die als Fondsanleger indirekt betroffen sind oder waren regelt ja immerhin der Fondsmanager diese Frage, spürbare Verluste wird es aber wohl in vielen Fonds geben.

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