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Das neue Finanzmarktnovellierungsgesetz und sein Schutz für Kleinanleger

Die Zahl von unglücklichen Kleinanlegern und Privatanlegern ist in den letzten Jahren stark gestiegen; viele mussten erleben, wie ihr sauer Verdientes und Erspartes bei Anlagepleiten häufig komplett vernichtet wurde. Schuld waren nicht nur betrügerische oder höchst fragwürdige Anlagen, sondern auch provisionsgierige, völlig daneben zielende “Beratungen” und Fehlinformationen.

Daneben haben sich auf dem Markt auch viele Praktiken breit gemacht, deren Existenz mehr als fragwürdig ist. Über eine sehr große Bedrohung für alle kleinen Anleger, nämlich die großen Hochfrequenzhändler haben wir schon berichtet. Das ist aber noch längst nicht alles, was auf den Märkten so schief läuft. Das alles hat die deutsche Bundesregierung zum Anlass genommen, sich nun doch endlich etwas vehementer um den Schutz der Anleger, vor allem der kleinen Anleger, zu bemühen. Auf dem Weg befindet sich aktuell das Finanzmarktnovellierungsgesetz, das wir schon 2015 mit Spannung erwartet haben.

Was nun tatsächlich gesetzestechnisch auf dem Weg ist und was das für Anleger konkret bedeutet, wollen wir nun nach dem vergangenen Zeitraum einmal bewerten, was sich tatsächlich gesetzlich bisher getan hat.

Ein “neuer Finanzmarkt” oder tatsächlich nur unbedeutend?

Die – recht hochtrabende – Bezeichnung “Finanzmarktnovellierungsgesetz” lässt einen ja ganz plötzlich auf einen völlig neuen Finanzmarkt hoffen. Auf etwas, das sich sauber, neu und makellos aus dem alten, schmutzigen Sumpf erhebt und einmal strahlend fehlerlos ist. Solche Hoffnungen sind indes natürlich unrealistisch. Wie wir schon im Beitrag zum Hochfrequenzhandel und seiner Bedrohung für Kleinanleger zeigten, ist die Macht der Marktregulierung sehr beschränkt. Es ist kaum möglich, schmutzige Praktiken überhaupt aufzudecken, weil dafür eine unglaubliche Menge an Daten ausgewertet werden müsste – und zwar permanent – und eine Verfolgung von Finanzmarktsündern, insbesondere den Großen, gestaltet sich noch um ein Vielfaches schwieriger. Insofern sollte man von einer “Finanzmarktnovelle” also einmal grundsätzlich nichts allzu Großartiges erwarten. Der Markt ist schwer überschaubar und noch schwerer kontrollierbar und im internationalen Bereich sind nun einmal Strafverfolgungen oder überhaupt schon Androhungen recht schwierig zu bewerkstelligen, wenn nicht gar unmöglich.

Was wurde nun von all dem Angedachten tatsächlich umgesetzt? Die EU-Vorgaben sehen ja immerhin einen “besseren Anlegerschutz” vor, der sukzessive auch in nationales Recht umgesetzt werden soll.

Immerhin gab es schon im Vorfeld so einiges an Tauziehen und viele gegensätzliche Interessen beim ersten Teil, die teilweise hart aufeinander prallten. Dabei ging es um Streitpunkte, die nicht unbedingt im Bereich der wirklich grundlegenden Dinge liegen. So stritt sich beispielsweise das Finanzministerium mit vielen anderen Stellen um die Pflicht für Informationsblätter für Anleger. Die EU sieht solche verpflichtenden Informationsblätter nur für “verpackte Anlageprodukte” vor, etwa bei Lebensversicherungen. Das Finanzministerium beharrte aber darauf, auch einfache Finanzprodukte bei Banken mit einer solchen Informationsblätterverpflichtung zu belegen. Der Nutzen eines Informationsblattes für eine einfache DAX-Aktie ist indes tatsächlich diskutierbar – vor allem hinsichtlich des echten Werts einer solchen Information für den Anleger. Den Finanzmarkt wird das jedenfalls nicht revolutionieren.

Interessanter sind hingegen nach der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie 2004 die Umsetzung der Marktmissbrauchsverordnung der EU in deutsches Recht. Der Missbrauch des Markthandels wie etwa beim Insiderhandel soll dadurch stärker verfolgt und auch höher bestraft werden. Außerdem sollen Marktmanipulationen, Market Sounding und ähnliche unlautere Praktiken mit neuen Sanktionen belegt werden. Der Strafrahmen für Marktmanipulationen beträgt nun beispielsweise für natürliche Personen bis zu 5 Mio. Euro, für juristische Personen, also Unternehmen und Körperschaften bis zu 15 Mio Euro oder 15 % des jährlichen Konzernumsatzes. Drakonische Strafen also.

Die gibt es übrigens auch für Verstöße gegen Veröffentlichungspflichten, auch das kann natürlichen Personen bis zu 1 Mio Euro Strafe kosten, Konzerne können mit bis zu 2,5 Mio Euro bestraft werden (alternativ auch mit bis zu 2 % des jährlichen Umsatzes).

Mit dem “naming and shaming” sollen auch verwaltungsrechtliche Strafmaßnahmen künftig veröffentlicht werden und die Identitäten der verantwortlichen Personen publik gemacht werden.

Ein großer Fokus liegt dabei auf dem Insiderhandel, der besonders streng überwacht wird und auf den sogenannten Director’s Dealings, womit vermieden werden soll, dass bestimmte interne Informationen ausgenutzt werden, um große Gewinne zu machen. Im Bereich der Verbreitung von anlagerelevanten Fakten oder Anlageempfehlungen in der Absicht, Gewinne zu erzielen oder Märkte irrezuführen, gibt es rechtlich aber immer noch ein paar offene Fragen, die am Ende dann wohl Auslegungssache sein werden.

Zumindest die Liste der regulierten Finanzprodukte wurde um einige Derivate erweitert, so dass nun insgesamt eine größere Zahl von Produkten der finanzmarktlichen Aufsicht unterliegt. Viel Bedeutung wird das für die meisten kleinen Anleger aber ohnehin kaum haben, da sich wahrscheinlich nur eine verschwindend geringe Zahl tatsächlich mit dem außerbörslichen Handel beschäftigt – und wenn dann auch zumindest über so viel Kenntnis über Produkte und Produktgestaltungen verfügt, um nicht ausgerechnet mit solchen Produkten unversehens ungeplanten Schaden zu erleiden.

Auch die Zentralverwahrer-Regelung (CSD-VO), die nun in nationales Recht umgesetzt wird, wird für den kleinen Anleger keine allzu spürbare Wirkung haben. Es ist eher eine Infrastrukturmaßnahme, die helfen soll, Wertpapier-Lieferungen und Abrechnungen innerhalb der EU zu verbessern und das Wertpapierrecht zu harmonisieren. Das bringt sicherlich im Ganzen gesehen einige Erleichterungen, aber für Anleger wohl keine spürbaren.

Immerhin sind mittlerweile der Aufwand gerade der kleinen Banken und auch die Dokumentationspflichten für Wertpapierberater so derartig gestiegen, dass sich viele aus diesem Geschäftszweig langsam frustriert zurückziehen. Das gilt vor allem für Wertpapierberatungen. Wenn die Hälfte des gesamten Arbeitsaufwandes bereits die Dokumentation einer Beratung ausmacht, ist das für viele ein nicht mehr haltbarer Zustand.

Die MiFID II kommt erst später

Beschlossen wurde nun einmal der erste Teil des Finanzmarktnovellierungsgesetzes – auf die Umsetzung der MiFID II, der Marketing Financial Instruments Directive der EU – in nationales Recht hat man vorerst einmal verzichtet, das soll zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Gerade die MFID II ist aber der wirklich interessante Teil für Anleger – da es genau in dieser EU-Richtlinie um verschärfte Regeln beim Vertrieb von Finanzprodukten und auch im Fondsvertrieb gehen soll. Die Debatte über die Umsetzung dieses Bereichs soll in Deutschland aber erst wieder Mitte 2016 – nach derzeitigen Angaben – auf der Tagesordnung stehen. Auf eine in Deutschland gültige, nationale Umsetzung dieser EU-Richtlinie werden wir also noch ein wenig warten müssen.

Eigentlich schade, denn genau eine strenge Regelung, wie Produkte vertrieben und empfohlen oder angeraten werden dürfen, wäre eigentlich ein sehr wichtiger Schutz für Anleger – vor allem für solche, die nun einfach über weniger Wissen verfügen und auch weder Zeit noch Lust haben, sich intensives Finanzmarktfachwissen anzueignen, nur weil sie eine Lebensversicherung abschließen oder Fondsanteile zeichnen wollen.

Eine Zwischenbetrachtung

Sieht man sich all das Vorgehen einmal mit den Augen eines (politischen) Laien an, erscheint der unheimliche Aufwand und die Komplexizität für die Umsetzung der Richtlinie irgendwie ein am Ende recht mageres Ergebnis zu bringen. Wohl kaum ein Kleinanleger wird sich nach den Änderungen des Finanzmarknovellierungsgesetzes Teil I jetzt einmal besser geschützt fühlen. Es scheint fast so, dass dieser “Anlegerschutz” zunächst einmal am Schutz der kleinen Anleger irgendwie vorbei geht. Aber das mag auch nur unser Eindruck sein.

Was man tatsächlich tun kann, um sich zu schützen

Es bleibt wieder einmal bei unserer alten Empfehlung: Information, Information, Information! Alles, was man sicher weiß, kann einem niemand andersherum erzählen. Und natürlich sollte man immer genau schauen, wen man bei Beratungen tatsächlich vertrauen möchte. Am besten sich selbst – und dabei ruhige und konservative Entscheidungen treffen. Immerhin zeigt eine Untersuchung über das Anlegerverhalten von Kleinanlegern, dass diejenigen, die sich nicht beirren lassen und konsequent ihre eigenen Entscheidungen auf dem Aktienmarkt treffen, sogar erfolgreichere Entscheidungen treffen als viele Fondsmanager und sehr gekonnt agieren. Es sind Menschen, die ihr Vermögen selbst in die Hand genommen haben, die sich ihre Meinung selbst bilden – und die keine unnötigen Risiken einsetzen, sondern vor allem auf langfristige Anlagehorizonte setzen.

Und wie die Untersuchung deutlich zeigt, funktioniert das. Sich darauf zu verlassen, dass einem wegen einer gesetzlichen Verpflichtung nur noch hochwertige und erfolgreiche Produkte angeboten werden, ist fast so, wie zu glauben, dass in Fertiggerichten nur gute Lebensmittel und natürliche Zutaten drin sind. Natürlich nicht. Und einen blütenweißen Finanzmarkt, bei dem alle ehrlich sind und allein im Interesse der Anleger handeln, wird es auch nie geben. Das ist ein schöner Traum. Die Welt da draußen ist hart, gierig und nicht immer ganz sauber – und wer zu wenig weiß oder wissen will, hat eben das Nachsehen. So läuft das nun einmal. Aller Gesetze zum Trotz.

Und wer blind etwas unterzeichnet, ohne sich zuvor Gedanken zu machen – egal ob es der Handyvertrag oder eine Lebensversicherung ist – der läuft einfach Gefahr, Schaden zu erleiden, und auf die Nase zu fallen. Es geht also weiterhin – und wie schon immer – um die eigene Selbstverantwortung. Trau, schau, wem. Als lehrreiches Beispiel mag einem da auch schon wieder die Petromove-Geschichte dienen. Ein Schweizer Unternehmen hat sich einen neuen Namen verpasst und ist vom Brennstoffhandel zum beabsichtigten “Bau und Betrieb von Tankstellennetzen” übergegangen. Das ging recht schleppend voran, bis man auf die Idee kam, Werbeanzeigen zu schalten und für Investoren zu werben – mit dem Versprechen von “10 % Rendite ohne Risiko und sofortiger Wertentwicklung”. Die ganze Aufmachung war gut, bunt und – genau genommen – sehr dünn, wenn es um harte Infos ging. Das Ganze war mehr eine emotionale Geschichte – auf die auch genug Deutsche hereinfielen. Die Ungereimtheiten wurden recht großzügig übersehen, selbst dass das Foto einer Tankstelle nur eine Grafik und kein Echtbild war. Internet-Anzeigen verraten ja grundsätzlich immer die Wahrheit und nichts als diese und das in reinster Form. Ein Lümmel, wer da auch noch blöd nachfragt. Das Ende war dann abzusehen, vor allem für die Anleger.

Wir finden, ein wirklicher Anlegerschutz beginnt erst dort, wo Menschen VON SELBST darauf kommen, auf so etwas nicht hereinzufallen. Nicht einfach irgendwelchen Versprechungen und Plänen zu glauben, nur weil sie schön und bunt illustriert sind, wenn es ums eigene Geld geht. Und sich darüber im Klaren zu sein, dass man 10% Rendite mitten in der Wirtschaftskrise, als diese Geschichte passierte, nicht einfach so vor die Nase gesetzt bekommt, frei Haus, quasi. Erst wenn das jeder weiß, haben wir so etwas wie einen grundlegenden Anlegerschutz. So sehen wir das wenigstens.

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