In Sachen Flüchtlinge sind die Deutschen mindestens ebenso gespalten wie ihre Nachbarn: Während die einen eine Willkommenskultur zelebrieren, begegnen die anderen den vielen tausend Flüchtenden und Migranten mit Argwohn. Die große Zahl der Flüchtenden, die in Deutschland nur schwer ein Girokonto einrichten können, hat die Bundespolitik nun bewogen, das Bürgerkonto auf den Weg zu bringen. Was ist das nun aber genau? Welche Vorteile bringt das neue Konto, welche Nachteile? Und was bedeutet das für deutsche Bankkunden?
Das sogenannte Bürgerkonto soll vor allem den Menschen helfen, die bisher große Schwierigkeiten bei der Eröffnung eines Girokontos überwinden mussten und ist explizit auch im Hinblick auf die große Zahl der Flüchtenden auf den Weg gebracht worden. Es knüpft an die Idee des Jedermann-Kontos an und soll zum 1. Januar 2016 ohne Einschränkungen für alle Menschen verfügbar sein. Die Kontoinhaber sollen in der Lage sein, Überweisungen, Kartenzahlungen sowie Ein- und Auszahlungen zu tätigen ohne sich dabei zu überschulden. Aus diesem Grund wird das neue Konto als Basisdienstleistung auf Guthabenbasis angeboten werden. Zeitgleich verlangt das Gesetz zum Jedermann-Konto von den Geldinstituten mehr Transparenz in Sachen Gebührengestaltung bei allen ihren Offerten. Girokonto-Angebote, aber auch Offerten für Spar- und Anlagekonten könnten so in Zukunft noch einfacher und schneller vergleichbar sein.
Selbstverpflichtung unwirksam
Was viele Bankkunden nicht wissen: Bereits seit 1995 besteht bereits ein Grundrecht auf ein Guthabenkonto bei Banken und Sparkassen. Der Haken: Dieses Recht ist bislang als freiwillige Selbstverpflichtung aufgefasst worden, der sich nur wenige Geldinstitute wie z.B. die Sparkassen verpflichtet gefühlt haben. Trotz dieser Selbstverpflichtung wurden immer wieder Interessenten, die ein Konto eröffnen wollten, von Geldinstituten abgewiesen, etwa aufgrund negativer Schufa-Einträge. Das neue Gesetz ist demnach lediglich eine längst überfällige Verbesserung der alten Regelung, die auf Fair Play und Selbstregulierung im Bankensektor setzte.
Umsetzung eines EU-Beschlusses
So ganz auf eigenem Mist gewachsen ist der neue Gesetzesvorstoß übrigens nicht. Bereits im April 2014 beschloss das Europäische Parlament, dass alle EU-Bürger einen gesetzlichen Anspruch auf ein Basis-Girokonto haben sollen, um am wirtschaftlichen und sozialen Leben teilnehmen zu können. Als EU-Bürger wurden auch explizit diejenigen ohne festen Wohnsitz genannt. Das deutsche Gesetz inkludiert neben den Wohnungslosen nun lediglich auch die Heimatlosen, also die Flüchtenden und Migranten in Deutschland. Den EU-Mitgliedsstaaten bleibt noch bis zum April 2016 Zeit ein entsprechendes nationales Gesetz auf den Weg zu bringen.
Bürgerkonto: Vor- und Nachteile
Für hunderttausende Menschen allein in Deutschland bedeutet das neue Konto Teilhabe und Inklusion im Alltag. Das Bürgerkonto bietet Basisleistungen – nicht mehr und nicht weniger. Das bedeutet zum Beispiel, dass nun jeder, der möchte, eine Bankkarte nutzen und damit bargeldlos zahlen kann. Andererseits ist es mit dem neuen Konto nicht möglich, einen Dispositionskredit zu nutzen oder das Konto (geduldet) zu überziehen, da es ausschließlich auf Guthabenbasis geführt werden kann. Zu beachten ist auch, dass das Bürgerkonto nicht kostenlos verfügbar sein wird: Die Geldinstitute dürfen dafür marktübliche Gebühren fordern, allerdings keine Sondergebühren oder Risikoaufschläge. Das könnte dazu führen, dass einige Banken ihre Gebühren für alle Kunden geringfügig anheben, um ggf. anfallende Kosten und Mehraufwand nicht allein tragen zu müssen. Ebenfalls zu beachten ist, dass das Bürgerkonto kein P-Konto ist und demzufolge jederzeit gepfändet werden kann. Es ist allerdings möglich, das Bürgerkonto jederzeit in ein P-Konto umzuwandeln (sofern man dazu bereit ist, die damit einhergehenden Gebühren zu tragen).
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