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Behavioral Finance: Unter Asymmetrie funktionieren wir nicht

In unserer kleinen Serie über Behavioral Finance wollen wir einmal eine ganz grundlegende Erkenntnis etwas genauer unter die Lupe nehmen, nämlich dass wir offensichtlich unter Asymmetrie ’nicht richtig funktionieren“. Behavioral Finance ist der Wissenschaftszweig, der sich mit dem Verhalten und der Wahrnehmung von Menschen bei Entscheidungen in Finanzsituationen befasst und untersucht, warum wir uns dort so oft irrational verhalten.

Wo befinden wir uns in asymmetrischen Situationen?

Grundsätzlich ist unser Verstand so geprägt, dass wir linear in Kausalitäten denken.

Handlung A –> Ergebnis B –> Handlung C –> Ergebnis D …

In der Wirtschaftstheorie gibt es nun eine eigene Definition von „Asymmetrie“: „Wenn eine einzelne Handlung entweder einen (überproportionalen) Gewinn oder Verlust auslösen kann, handelt es sich um eine asymmetrische Situation.“ (Das ist genau genommen nur eine von vielen gültigen, da dieser Begriff in vielen Bereichen unterschiedlich verwendet wird).

Sehen wir uns das einmal anhand eines Beispiels an:

++++ Investment mit Gewinn von 250 EUR
/
50 EUR – Ausgabe von 10 EUR – Einnahme von 20 EUR – 60 EUR

\
++++ Investment mit Verlust von 40 EUR

Beim mittleren Fall handelt es sich um einen (für uns gut überschaubaren) Ablauf von kausalen Ereignissen. Wir geben erst 10 EUR aus und haben nur noch 40 EUR, dann gewinnen wir 20 EUR dazu und haben am Ende 60 EUR.

In den beiden anderen Fällen macht unser Verstand allerdings Probleme: wir denken nicht mehr ganz rationell und unsere Wahrnehmung verschiebt sich.

Asymmetrie beeinflusst immer unser Denken

Die Markteffizienzhypothese sieht den Investor als reinen „Nutzenmaximierer“ – das heißt, Menschen versuchen, ihr Vermögen grundsätzlich so weit als möglich zu vermehren und den Verlust an Vermögen zu vermeiden.

Das klingt immerhin vernünftig und scheint eine plausible Annahme zu sein. Das Problem dabei ist nur, dass die Markteffizienzhypothese davon ausgeht, dass Menschen dabei rationell handeln – genau das tun sie aber eben nicht, und das ist der Grund, warum die Markteffizienzhypothese eben in weiten Bereichen falsche Ergebnisse bringt und es zu Marktturbulenzen kommt, die es eigentlich der Theorie nach gar nicht geben dürfte.

Alle psychologischen Effekte und Fallen so wie Wahrnehmungsverzerrungen, die die Behavioral Finance beschreibt (und die wir in unseren Beiträgen jeweils einzeln eingehend beleuchtet haben) treten in den asymmetrischen Bereichen auf.

Das perfide dabei ist, dass gerade unsere Eigenschaft als „Nutzenmaximierer“ eben der Grund für unsere nicht mehr rationelle Wahrnehmung ist. Wir versuchen so viel Gewinn wie nur möglich herauszuholen, und Verluste auf jeden Fall zu vermeiden und gehen dabei nicht mehr rational vor.

Anders ausgedrückt: Wenn überproportional hohe (das heißt in keinem Verhältnis zum Aufwand stehende) Gewinne zu erwarten sind, vernebelt GIER unsere Sicht – wenn es darum geht, mit möglichen Verlusten umzugehen, vernebelt ANGST unseren Verstand.

Beide emotionalen Triebkräfte wirken sehr stark und blockieren rationales Denken sehr nachhaltig. Das heißt, wir müssen in beiden Situationen – sowohl bei Gewinnmöglichkeiten als auch bei Verlustmöglichkeiten – sehr genau darauf achten, ob wir noch rational handeln. In beiden Fällen können wir das, was passiert nämlich nur noch schwer rational überblicken.

Wie sich Wahrnehmungsverzerrungen auswirken können

Man kann sich schon anhand einfacher Beispiele vor Augen führen, wie wenig rational Handlungen in beiden Bereichen sein können:

Wenn man Lotto spielt, und dafür 8 EUR pro Woche ausgibt, setzt man 32 EUR im Monat ein, um mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,00000072 % einen Betrag in der Höhe von mehreren hunderttausend Euro erzielen zu können. Ansonsten wäre die „Anlage“ Verlust. Die Chance, etwas zu gewinnen liegt aktuell bei 3,125 %, die Chance so viel zu gewinnen, dass überhaupt der Einsatz gedeckt ist, aber sehr viel niedriger. Einfacher ausgedrückt: Mit einer Chance von weniger 1 % holen wir auf lange Sicht überhaupt unsere Einlage wieder herein, zu 99 % machen wir Verlust.

Würde man den gleichen Betrag in eine Spareinlage mit lediglich durchschnittlich 2 % Verzinsung einlegen, würde bei einer relativ sicheren Anlage mit beinahe 100 % Wahrscheinlichkeit ein Gewinn von 4.250,24 EUR nach 10 Jahren entstehen. Unsere Einlage (ohne Verzinsung) von 3.840 EUR würden wir in jedem Fall behalten (selbst wenn wir das Geld unter der Matratze aufheben).

Von rationellem Verhalten kann man hier nicht sprechen. Wir schätzen die Gewinnchancen als viel zu hoch ein und ignorieren die Verluste, vor allem längerfristig.

Im Verlustbereich agieren wir dagegen deutlich risikobereiter, wenn es darum geht, Verluste zu begrenzen. Diesen Effekt des gegenteiligen Verhaltens haben wir schon in einem anderen Beitrag einmal ausführlich beschrieben.

Der Zeit-Effekt bei Gewinnen und Verlusten

Nehmen wir das Beispiel Lotto noch einmal zur Hand, erkennen wir, dass wir eine deutlich verzerrte Wahrnehmung haben, wenn es um DIE HÖHE DES BETRAGS geht.

Die Aussicht, in 10 Jahren einen Betrag von 4.250 EUR zur Verfügung zu haben, verlockt uns nur wenig – und verleitet uns kaum zum Handeln. Dafür ist der Gewinn zeitlich gesehen „zu weit weg“.

Ebenso entschuldigen wir unser Lottospielen und den Hinweis auf den Verlust häufig damit, dass „sich die 3.840 EUR ja auf 10 Jahre verteilen, also nicht so viel sind“.

Müssten wir 3.840 EUR sofort zahlen, erschiene uns das ein sehr hoher Betrag und wir würden versuchen, das unter allen Umständen zu vermeiden.

Würden wir 4.250 EUR sofort gewinnen können, würden wir uns höchstwahrscheinlich sehr aktiv darum kümmern, um an das Geld zu kommen.

Wir könnten, in obigem Beispiel, den Verlust tatsächlich komplett vermeiden und den Gewinn erzielen, indem wir unser Geld statt ins Lotto in eine Spareinlage stecken. Das wäre eine einfache Verhaltensänderung, also eine geringfügige Handlung – die aber einen vergleichsweise großen Gewinn bedeutet, also eine Asymmetrie. Zu dieser Handlung sind wir aber schwer zu bewegen.

Der Unterschied in unserem Vermögen würde dann nach 10 Jahren 8.360,24 EUR auf der Habenseite betragen.

Hier erkennt man ebenfalls deutlich, dass wir mit Asymmetrien gedanklich nur äußerst schwer umgehen können. Vor allem dann, wenn der Time Discounting Effekt (den wir in einem anderen Beitrag schon sehr ausführlich beschrieben haben) noch dazukommt.

Es gibt noch weitere Formen der Asymmetrie

Wir sehen also, dass wir schon ganz grundlegend Schwierigkeiten haben, uns in asymmetrischen Situationen zurechtzufinden und rational zu bleiben.

Gewinn- und Verlustsituationen können aber auch selbst asymmetrisch sein – damit haben wir dann noch mehr Probleme als Anleger. Auf diese speziellen Situationen wollen wir dann im nächsten Teil des Beitrags einmal genauer eingehen. Lesen Sie also weiter.

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