In unserer kleinen Serie über Behavioral Finance wollen wir uns in diesem Beitrag einmal drei sehr grundlegenden Effekten zuwenden – nämlich Hoffnung, Pessimismus und dem Herdenverhalten. Auch diese Dinge beeinflussen unsere Wahrnehmung und verhindern oft, dass wir in Finanzfragen und bei Anlagen wirklich rationale Entscheidungen treffen. Gerade Gedankenmuster wie Hoffnung, Pessimismus und Herdenverhalten sind noch schwieriger aufzudecken als andere Verzerrungseffekte in unserer Wahrnehmung.
Irrationale Entscheidungen führen aber nicht nur zu verringerten Gewinnen, sondern nicht selten auch zu gefährlichen Situationen. Aus diesem Grund sind die Erkenntnisse der Behavioral Finance so wertvoll: sie helfen, Verzerrungen aufzudecken und damit Fehler zu vermeiden und zu rationaleren Entscheidungen zu kommen.
Es gibt Fakten – und Interpetationen von Fakten
In vielen Fällen sind wir bei unserer Anlage mit klaren Fakten und Zahlen konfrontiert – etwa: Die Aktie XY ist in den letzten beiden Wochen um insgesamt 2,3 % ihres Werts gefallen. Um nun aber zu einer konkreten Entscheidung zu gelangen, wie wir handeln sollen, müssen wir mit diesen Fakten “irgendetwas anfangen” – wir müssen sie INTERPRETIEREN. Und genau hier beginnt meist das Problem.
Viele von ihnen werden sich sicherlich noch an Mr. Spock von Raumschiff Enterprise erinnern können – den Vulkanier, der grundsätzlich nur mit äußerst präzisen Fakten und unbestechlicher Logik aufwarten kann und Emotionen und Interpretationen grundsätzlich fernbleibt. Im wirklichen Leben ist das oft genug hinderlich, weil wir damit sehr häufig zu keinen Handlungsentscheidungen kommen können – in Finanzdingen ist genau diese Einstellung allerdings häufig hilfreich.
Was fangen wir nun mit der oben beispielhaft erwähnten Tatsache an, dass die Aktie innerhalb von zwei Wochen nun um 2,3 % gefallen ist?
- wir können das OPTIMISTISCH bewerten, und annehmen, dass die Aktie nur einen kurzen Tiefpunkt hat, aber wieder steigen wird, wir behalten sie aber
- wir können das PESSIMISTISCH bewerten und annehmen, dass dieser Abwärtstrend noch weitergehen wird und wir mit unseren Aktienbeständen weiterhin Verluste machen werden
- wir können den Markt beobachten und nachsehen, was andere Aktionäre machen – und uns danach richten, das wäre dann HERDENVERHALTEN
Das Grundproblem bei der ganzen Sache ist, dass uns für eine umfassende und faktisch richtige Bewertung zunächst die INFORMATIONEN FEHLEN. Und zwar unbestechliche Informationen, die nicht interpretierbar sind – wir brauchen FAKTEN.
Emotionale und subjektive Bewertungen sind schneller
Ein großer Nachteil unserer Menschlichkeit ist, dass wir Unsicherheit nicht mögen, und sie deshalb so schnell wie möglich durch Gewissheit ersetzen wollen. Die Tatsache, dass wir gerade einem Aktien-Abwärtstrend gegenüber stehen und noch keine weiteren Fakten haben, ertragen wir nicht lange. Wir versuchen, das Ergebnis so schnell wie möglich zu interpretieren, damit wir es “einordnen” können und zu einer Handlungsentscheidung gelangen können. Damit fühlen wir uns wesentlich wohler. Das ist aber nicht immer der beste Weg – wir werden auf diese Weise immer sehr schnell Heuristiken (die wir in einem anderen Beitrag bereits beschrieben haben) oder Wahrnehmungsverzerrungen wie dem Dispositionseffekt (auch den haben wir an anderer Stelle ausführlich beschrieben) anheim fallen.
Was würde Mr. Spock tun?
Er würde sich einmal grundsätzlich von einer Interpretation der Tatsache fernhalten, und noch weitere Fakten suchen. Das könnte dann etwa so aussehen:
Die übliche Schwankungsbreite dieses Aktienwerts lag in den letzten zwei Jahren bei xy %. Die Schwankung dieser Aktie liegt noch in diesem Rahmen – es handelt sich also noch nicht um eine außergewöhnliche Schwankung. Die Informationen, die über das Unternehmen publik wurden, deuten nicht auf mögliche zukünftige Verluste des Unternehmens hin. Die derzeitige Branchenlage lässt keine Rückschlüsse zu, dass es in der nächsten Zeit wirtschaftlich schwieriger werden könnte. Alle erreichbaren und möglichen Fakten sind geprüft, die Schwankung liegt innerhalb der üblichen Breite. Aus logischer Überlegung heraus werden wir die Aktie behalten und in einer Woche die Entwicklung und die Umstände erneut prüfen – oder dann, wenn der Aktienwert die gewöhnliche Schwankungsbreite verlässt.
Wenn Sie sich diese Einschätzung ansehen, die rein auf den verfügbaren Fakten beruht, erscheint sie wesentlich zuverlässiger als eine optimistische oder pessimistische Einstellung.
Ob Sie eine optimistische oder eine pessimistische Haltung einnehmen: Sie können damit völlig falsch liegen.
Es handelt sich dabei um subjektive und emotionale Bewertungen, für die es keine rationale Grundlage gibt. Es ist nur eine “innere Haltung” – also völlig subjektiv. Sie können Fakten, die für eine positive Beurteilung sprechen, und Fakten, die für Vorsicht oder eine eher negative Haltung sprechen, GEGENEINANDER ABWÄGEN und versuchen entsprechend zu gewichten – das ist aber immer noch etwas anderes als ein subjektives PAUSCHALURTEIL zu fällen.
Herdenverhalten ist übrigens dann der schlechteste Ratgeber: Was die Masse macht, muss nicht immer richtig sein (obwohl wir überdurchschnittlich oft dazu neigen, genau das zu glauben und unbewusst immer wieder darauf reagieren). Nachgewiesenermaßen führt Herdenverhalten aber überdurchschnittlich oft zu Blasenbildung – und zu nicht logisch erklärbaren Marktbewegungen. Die Herde spiegelt nur die Summe der subjektiven Fehleinschätzungen wider.
Der beste Rat in diesem Fall ist also: Prüfen Sie alle Fakten allein und unbeeinflusst. Bleiben Sie allein bei den Fakten. Entscheiden Sie dann, wenn Sie genug Fakten haben, um Wahrscheinlichkeiten zuverlässig hochrechnen zu können. Treffen Sie dann umgehende Entscheidungen und ignorieren Sie die Entscheidungen anderer Menschen. Sie kennen deren Gründe nicht – und nicht deren mögliche Fehleinschätzungen. Setzen Sie Ihre Entscheidung sofort in die Tat um.
Oder kurz: Versuchen Sie öfter einmal Mr. Spock zu sein, wenn es um Ihre Anlage geht. Dort sind seine Fähigkeiten und seine Wesensart nämlich unschätzbar wertvoll.