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Behavioral Finance: der Status-quo-Effekt

In unserer kleinen Serie über Behavioral Finance stellen wir psychologische Effekte vor, die uns bei unseren Finanzentscheidungen dazu verleiten können, suboptimale oder in manchen Fällen sogar eindeutig schädliche Entscheidungen zu treffen. Die meisten dieser psychologischen Effekte sind Bestandteil unseres Alltags – nur bei Finanzentscheidungen kommen sie uns manchmal besonders in die Quere. In diesem Beitrag wollen wir einmal den Status-quo-Effekt und die beiden damit verbundenen Effekte, den Loss-Aversion-Effekt und den Endowment-Effekt, etwas näher beleuchten.

Behavioral Finance – und was es uns bringt

Behavioral Finance ist eine noch sehr junge Wissenschaftsdisziplin, die sich damit beschäftigt, das Verhalten von Menschen in Finanzsituationen und bei finanziellen Entscheidungen zu untersuchen und häufig auftretende psychologische Irrtums-Effekte und Verzerrungen unserer Wahrnehmung aufzudecken.

Entgegen dem, was wir gerne von uns glauben, handeln wir sehr oft nicht rational. Unsere Entscheidungen beruhen häufig auf inneren Haltungen oder verzerrten Bewertungen, die wir nicht bewusst bemerken. Diese Verzerrungen aufzudecken und bewusst zu machen kann uns helfen, bessere und vor allem rationalere Entscheidungen – auch und vor allem bei unserer Geldanlage – zu treffen und nicht mehr so oft in unsere eigene Falle zu gehen. Das macht die Erkenntnisse der Behavioral Finance so wertvoll für jeden Anleger.

Was ist der Status-quo-Effekt – und wo beeinflusst er uns?

Vielleicht haben Sie es in Ihrem Alltag schon einmal bemerkt: wir lieben keine Veränderungen. Am liebsten wäre uns in vielen Situationen, dass alles ungefähr so bleibt, wie es ist, und wie wir es kennen.

Diesen Effekt kann man auch bei finanziellen Entscheidungen beobachten: wir zögern oft lange, bevor wir etwas tun, was Dinge in unserem Leben (etwa unsere finanzielle Lage) verändern könnte. Wir haben oft eine Scheu davor, Neuland zu betreten – selbst wenn ein klar erkennbarer Vorteil darin liegt.

Dass wir eher dazu tendieren, den gegenwärtigen Status beizubehalten und uns innerlich gegen Veränderungen sträuben, ist uns dabei oft nicht bewusst. Wir wägen hier sehr häufig nicht rational ab, sondern lassen uns von einem inneren Gefühl leiten. Oft äußert sich diese Tendenz auch darin, dass wir lange Zögern, hin- und herüberlegen und ständig von Zweifeln und negativen Erwartungen geplagt werden.

Der Effekt wirkt umso stärker, wenn wir durch eine Veränderung oder eine Entscheidung etwas aufgeben müssen, was wir für eine Weile besessen haben. Selbst dann, wenn wir etwas anderes dafür bekommen würden. Den Grund dafür nennt die Behavioral Finance „Loss Aversion“ – die Angst, etwas zu verlieren oder aufzugeben, was wir kennen und was uns vielleicht schon lange vertraut ist.

Gerade bei der Geldanlage müssen wir aber bereit sein, Veränderungen vorzunehmen, um unser Ergebnis zu optimieren. Wir müssen uns von Anlagen oder Aktien trennen, die uns nur Verluste bescheren und die uns langfristig nichts bringen, sondern im Gegenteil sogar noch eine Menge Geld kosten. Genau damit haben wir aber häufig ein ernstes Problem. Bevor wir uns von Dingen trennen oder etwas aufgeben, müssen wir meist eine hohe innere Hürde überwinden. Das verhindert häufig, dass wir rationell urteilen und gezielt und umgehend handeln. Wir fechten innere Kämpfe mit uns aus und zögern und zweifeln oft viel zu lange – und schaffen damit oft noch weitere Verluste.

Ein kleines, aber recht aufschlussreiches Beispiel macht das deutlich:

Menschen wird ein Spiel angeboten. Eine Münze wird geworfen, wenn sie Zahl zeigt, verlieren die Teilnehmer 10 Euro. Nun fragen wir die Teilnehmer, wie hoch der Gewinn bei Kopf sein müsste, damit sie das Spiel mit uns spielen. Die meisten Antworten liegen bei deutlich über 20 Euro.

Das heißt: Erst wenn der mögliche Gewinn mindestens doppelt so hoch ist, wie der möglicherweise eintretende Verlust, wären Menschen bereit, das Verlustrisiko überhaupt einzugehen. Wenn der mögliche Gewinn genauso hoch ist wie der Verlust (also 10 Euro), will keiner mit uns spielen. Rational gedacht ist das nicht. Die Chance, entweder 10 Euro zu gewinnen oder andernfalls 10 EUR zu verlieren, ist immerhin eine faire Chance. Gewinn und Verlust liegen 50:50. Dafür sind aber die meisten nicht bereit, ihre Angst vor Verlust zu überwinden.

Dieses Verhältnis von Gewinnchance : Verlustrisiko = 2:1 finden wir übrigens fast immer. Egal, mit welchen Zahlen wird den Versuch wiederholen. Erst wenn der mögliche Gewinn zweimal so hoch ist wie das Verlustrisiko, scheint eine Überwindung der eigenen „Loss Aversion“ überhaupt erst möglich.

Das ist natürlich keine Aufforderung, mit dem eigenen Geld einfach unbekümmert waghalsig zu „spielen“ – und damit Erreichtes aufs Spiel zu setzen. Wenn wir aber immer noch am alten Eckzinssparbuch hängen, immer weiter ins Minus rutschende Papiere nicht aufgeben wollen oder eine Entscheidung immer wieder hinauszögern, wirkt sich der Status-quo-Effekt klar gegen unsere Interessen aus. Wir handeln dann nicht rationell.

Der Endowment-Effekt

Psychologisch gesehen kann es sogar noch schlimmer kommen: der Endowment-Effekt führt oft dazu, dass wir Werte, die wir bereits besitzen verzerrt, in diesem Fall überhöht, wahrnehmen.

Auch dazu gibt es ein recht aufschlussreiches Beispiel:

Bei einem Fußballspiel waren kurz vor Spielbeginn alle Karten ausverkauft. Psychologen gaben sich als Kartenschwarzhändler aus und fragten Leute in der Schlange, die eine Karte besaßen, für welchen Betrag sie bereit wären, ihre Karte zu verkaufen. Gleichzeitig wurden Leute befragt, die keine Karte mehr erwischt hatten, wie viel sie für eine Karte zu zahlen bereit wären.

Beide Werte lagen enorm weit auseinander. Die, die ihre Karte verkaufen wollten, hatten enorm hohe Preisvorstellungen – im Schnitt rund 2.400 Euro. Diejenigen, die gerne noch eine Karte gekauft hätten, waren im Schnitt aber nur bereit, rund 170 Euro für eine Karte auszugeben.

Die gefragten Kartenbesitzer begründeten ihre hohen Preisvorstellungen fast immer mit persönlichen Motiven oder Einschätzungen: sie wollten sich ein besonderes Erlebnis gönnen, es würde sich um ein enorm wichtiges Spiel handeln, das viel entscheiden würde, oder ähnliche Aussagen. Was die andere Seite tatsächlich zu zahlen bereit war, ließ sie dagegen relativ unbeeindruckt.

Hier begegnen wir einem weiteren Effekt, der im Kielwasser der Angst vor Verlust daherkommt: Wir überschätzen vielfach den Wert dessen, was wir bereits besitzen. Selbst wenn wir klar erkennen könnten, welchen Wert diese Dinge tatsächlich haben, beharren wir oft darauf, für uns persönlich einen viel höheren, oft eindeutig unrealistischen Wert anzusetzen. Auch deshalb fällt es uns manchmal so schwer, Verluste zu akzeptieren: Weil wir den Wert von etwas, das wir haben, oft so weit überhöht ansetzen, erscheinen uns Verluste noch viel schmerzhafter und unerträglicher.

Zuguterletzt: Der Default-Effekt und die Minimization of Regrets

Noch zwei Effekte können wir im Rahmen des Status-quo-Effekts und der Aversion of Loss beobachten: den Default-Effekt und die Minimization of Regrets.

Der Default-Effekt ist so etwas wie eine innere Verweigerungshaltung: bevor wir tatsächlich eine Entscheidung treffen, die etwas verändern würde oder möglicherweise sogar ein Risiko für mögliche Verluste birgt – tun wir erst einmal gar nichts. Wir legen die Hände in den Schoss und treffen einfach keine Entscheidung und machen schlicht so weiter wie bisher. Die fällige Entscheidung ignorieren wir oder schieben sie gedanklich hinaus. Auch das tun wir immer wieder einmal – oft ohne dass es uns deutlich bewusst wird.

Wenn wir dabei vor allem einem möglichen Risiko für Verluste ausweichen wollen, erliegen wir dem Effekt, den die Behavioral Finance „Minimization of Regrets“ nennt – die Minimierung möglichen späteren Bedauerns. Wir handeln nicht, um uns später nicht sagen zu müssen „Hätte ich doch nicht…“. Das tun wir gar nicht gerne – und darum gehen wir oft konsequent jedem möglichen Anlass aus dem Weg, bei dem das später der Fall sein könnte. Wir wollen gleich direkt jetzt alles vermeiden, was wir MÖGLICHERWEISE irgendwann bedauern könnten. Als Konsequenz handeln wir oft einfach gar nicht – und sind damit wieder beim Default-Effekt und beim Status-quo-Effekt.

Das Puzzle zusammengesetzt:

Wir haben einen unseligen Hang dazu, Dinge lieber so zu lassen, wie sie sind und Veränderungen zu vermeiden (Status-quo-Effekt). Das tun wir häufig, um uns später nichts selbst vorwerfen zu müssen oder nichts bedauern zu müssen (Minimization of Regrets).

In anderen Fällen handeln wir oft gar nicht, und schieben Entscheidungen einfach von uns weg (Default-Effekt). Grund ist oft auch, dass wir etwas nicht verlieren oder aufgeben wollen, was wir bereits haben (Loss Aversion), selbst wenn es uns keinen oder nur wenig Nutzen bringt – manchmal sogar, wenn es uns Verluste bringt. Einer der psychologischen Gründe dafür ist oft, dass wir Dinge, die wir besitzen völlig unrealistisch wertvoll einschätzen (Endowment-Effekt).

Wie begegnet man all diesen Effekten?

Unser inneres „ungutes“ Gefühl oder unsere Angst, Veränderungen zuzulassen, können wir nur mit Disziplin und ein wenig Konsequenz überwinden. Wichtig ist dabei, Risiken möglichst realistisch einzuschätzen und Werte nüchtern zu betrachten. Sich allein auf Zahlen zu verlassen, ist dabei oft eine große Hilfe. Unser „inneres Gefühl“ ist kein brauchbarer Ersatz für klare Zahlen und Fakten. Wenn wir das glauben, hat uns einer der oben beschriebenen Effekte (oder auch mehrere) einmal wieder kalt erwischt.

Entscheidungen sollten wir immer konsequent und mutig, aber immer erst nach sorgfältiger Prüfung der Faktenlage treffen. Diese Prüfung muss NÜCHTERN UND RATIONELL erfolgen – Gefühle haben in Entscheidungsprozessen nichts zu suchen. Wenn alle Fakten klar auf dem Tisch liegen und eine Entscheidung gefallen ist, sollte man immer SOFORT HANDELN. Abwarten, „weiter sehen“ oder herumgrübeln ist in den meisten Fällen nicht hilfreich, schon gar nicht, wenn es über lange Zeitspannen geht.

Wenn man sich ertappt, dass man dazu neigt, an etwas zu hängen oder es schwer loszulassen, obwohl keine nüchternen Fakten dafür sprechen, sollte man streng und konsequent zu sich selbst sein. Beim nächsten Mal fällt es dann schon leichter, ein wirklich rationelle Entscheidung zu treffen, und die unvermeidliche, innere Hürde zu überwinden.

Und noch ein Punkt, an dem Sie handeln sollten:

Zu hohe Gebühren für seine Kapitalanlage zu zahlen, bringt rationell gesehen nichts. Jeder Euro, den Sie zu viel an Gebühren zahlen, schmälert ihren Gewinn, jeder Euro, den Sie bei den Gebühren einsparen, ist mit ZINSESZINSEN versehen IHR GEWINN.

Machen Sie deshalb jetzt unseren kostenlosen und individuell auf Ihre Situation einstellbaren Brokervergleich. Zögern Sie nicht, schieben Sie die Entscheidung nicht hinaus – und haben Sie keine Scheu davor, zu einem kostengünstigeren Broker zu wechseln. Sie kennen die Effekte – fallen Sie hier nicht auf sich selbst herein. Es ist Ihr Vorteil.

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