Behavioral Finance – Controll Illusion Bias und Clustering Bias: es gibt keine Zufälle…

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Behavioral Finance – Controll Illusion Bias und Clustering Bias: es gibt keine Zufälle…

In unserer kleinen Serie über Behavioral Finance wollen wir uns in diesem Beitrag zwei weiteren psychologischen Fallen widmen, in die man auch beim Anlegen tappen kann: Dem Controll Illusion Bias und dem Clustering Bias. Beide beeinflussen nicht nur viele unsere Wahrnehmungen im Alltag, sondern auch häufig unser Anlageverhalten. Sie führen zu Fehlschlüssen, die uns am Ende oft zu unvorteilhaften oder sogar stark nachteiligen Anlageentscheidungen verleiten. Behavioral Finance ist eine noch sehr junger Wissenschaftsdisziplin, die das Verhalten von Menschen in Finanzsituationen mit psychologischen Methoden untersucht und dabei Erklärungsmuster für irrationales Verhalten und verzerrte Wahrnehmungen zu finden. Die Erkenntnisse der Behavioral Finance können dazu dienen, uns selber auf die Schliche zu kommen, psychologische Fallen zu vermeiden, in die wir manchmal tappen und insgesamt bessere und rationaler Anlageentscheidungen zu treffen.

Die Illusion der Kontrolle oder: Es gibt keine Zufälle

Ein ganz wichtiger Faktor für das menschliche Leben ist das Gefühl, Dinge unter Kontrolle zu haben – oder zumindest Wege und Strategien zu haben, um Dinge zu beeinflussen. Was wir nicht kontrollieren können, macht uns Angst, lässt uns unsicher und hilflos fühlen.

Auch unser Hang zur Religiosität in seiner Urform wurzelt in diesem Dilemma: Menschen schaffen sich Götter, denen sie menschliche Eigenschaften zuschreiben und Rituale oder bestimmte Eigenschaften die sie ausführen, um scheinbar unkontrollierbare Dinge zu kontrollieren und Negatives vermeintlich von sich abwenden zu können. Diese Art der eingebildeten Kontrolle ist notwendig, da wir das Gefühl, dass wir etwas nicht kontrollieren können, nur sehr schlecht aushalten. Selbst wenn ein Regentanz atmosphärische Prozesse auf keinste Weise beeinflussen kann, gibt er einem Stamm dennoch das Gefühl, einen Einfluss zu nehmen und die drohende Dürre abwenden zu können. Selbst wenn dann immer noch kein Regen fällt, wurde nur der Regentanz falsch ausgeführt – es liegt nicht an der völligen Unkontrollierbarkeit des Wetters durch den Menschen. Das darf nicht sein.

Psychologische Untersuchungen zeigen auch, dass Menschen in Situationen, die sie nicht kontrollieren oder beeinflussen können, meist sehr schnell passiv werden und kaum noch Mut und Durchhaltevermögen besitzen, selbst wenn sie das zuvor im Übermaß hatten. Ein großer und wichtiger Teil der menschlichen Geschichte ist dadurch bestimmt, dass Menschen versuchen, die Kontrolle über alle möglichen Aspekte ihres Daseins zu erlangen – oder sich, solange ihnen das nicht gelingt, mit einer Illusion der Kontrolle irgendwie psychologisch über Wasser zu halten, um den Mut nicht zu verlieren. Das ist tief verwurzelt in unserer menschlichen Existenz. Es gibt keine Zufälle, darf sie nicht geben – für unseren Kopf. Wir können alles irgendwie beeinflussen – glauben wir wenigstens.

Kleine Kinder, die ohne Erwachsene hilflos sind und nur wenig Kontrolle über die Ereignisse in ihrem Leben haben und Menschen mit Angststörungen, die Unsicherheit oft noch viel schwerer ertragen als andere, entwickeln häufig ebenfalls eine Vielzahl von Ritualen und “magischen Handlungen”, die helfen sollen, Unbeeinflussbares kontrollierbar zu machen: “wenn ich auf einen Pflasterstein mit einem Riss trete, passiert ein Unglück”, “wenn ich auf dem Heimweg kein rotes Auto sehe, habe ich eine gute Note”, “wenn ich dieses Wort denke, schimpfen meine Eltern heute mit mir”, … Die Psychologie nennt das “Beziehungswahn” – Dinge in Beziehung mit bestimmten Handlungen zu setzen, die damit überhaupt nichts zu tun haben oder nichts am Ausgang ändern können. Tatsächlich ist es aber nur der noch viel häufigere und verzweifeltere Versuch, Kontrolle über Dinge zu bekommen, da gerade solche Menschen Unsicherheit und Ungewissheit noch schwerer aushalten und sie für sie noch schmerzlicher zu ertragen ist.

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Wie sich der Hang zur Kontroll-Illusion auf unser Verhalten auswirkt

Ein ganz einfaches Experiment ist, Menschen die Wahl zu geben, ob sie Lottozahlen zugeteilt haben möchten, oder lieber selber wählen möchten. Die überwiegende Mehrzahl der Menschen möchte die Zahlen lieber selber wählen, weil sie darin eine höhere Gewinnchance sehen, als bei zugeteilten Zahlen.

Tatsächlich handelt es sich bei einem Lottospiel um ein reines Zufallsergebnis – darauf wird immerhin sehr streng geachtet. Das Auswählen von eigenen Zahlen hat also keinerlei Bedeutung. Dennoch haben die meisten Menschen das Gefühl, sie hätten die Fähigkeit, zufällige Zahlen besser zu erraten als jemand anders. Das stellt aber eine gewaltige Überschätzung der eigenen Fähigkeiten dar, die durch nichts zu begründen ist.

Das gleiche passiert, wenn Menschen ein paar Mal das Ergebnis von einem Münzwurf richtig erraten. Sie beginnen zu glauben, dass sie “besser raten als andere oder intuitiv das Ergebnis erahnen”. Legt man ihnen eine Wahrscheinlichkeitsrechnung vor, die zeigt, dass JEDER bei mindestens der Hälfte der Fälle (Wahrscheinlichkeit von 50 %) mit bloßem Raten richtig liegen MUSS, wenn nur oft genug geworfen wird, beeindruckt das die meisten nicht im geringsten. Sie glauben weiterhin, dass sie besser raten als andere und die Fähigkeit besäßen, Ergebnisse überdurchschnittlich häufig vorhersagen zu können. Auch hier entsteht eine Illusion der Kontrolle – nämlich indem man Ergebnisse sehr häufig richtig vorhersagen kann.

Eine weitere, etwas andere Illusion von Kontrolle können Sie an fast jedem Spieltisch beobachten: Menschen werfen Würfel intuitiv kräftiger, wenn sie hohe Zahlen würfeln möchten, und sehr sanft, wenn sie eine eins oder eine zwei benötigen. Den meisten ist dabei gar nicht bewusst, dass sie das tun – wer aufmerksam ist, kann das aber häufig und bei ganz unterschiedlichen Menschen beobachten. Auch hier besteht – sehr unterschwellig – der Drang, das Ergebnis zu beeinflussen, nämlich durch die Art des Werfens. Natürlich kann das nicht funktionieren – was uns allerdings nicht davon abhält, zu glauben, dass es das tut.

Wie wirkt sich die Kontroll-Illusion bei Finanzentscheidungen aus?

Im Grunde verhalten wir uns bei Finanzentscheidungen genauso wie beim vorher genannten Beispiel mit den Lottozahlen oder bei unserer Selbstzuschreibung von Fähigkeiten beim Erraten von Münzwurf-Ergebnissen.

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Es handelt sich dabei um eine Art der Selbstüberschätzung. Wir glauben, dass wir die Fähigkeit haben, mehr Dinge vorherzusagen, als wir eigentlich können. Und wir glauben sehr fest daran.

Psychologische Studien und sorgfältige statistische Analysen haben gezeigt, dass gerade Finanzexperten mit ihren Vorhersagen sehr oft falsch liegen – und zwar überdurchschnittlich oft. Würden sie ganz einfach raten, wäre das Ergebnis immerhin in 50 % der Fälle richtig. So liegen die meisten sogar noch deutlich öfter daneben – ihre Vorhersagen sind also sogar noch unzutreffender als zufällige Münzwurfergebnisse über das Steigen oder Fallen eines Aktienkurses. Weil die Kontroll-Illusion (und die Illusion und das Außenbild des “Experten”) unter allen Umständen aufrechterhalten werden muss, sträuben sie sich hartnäckig dagegen, Fehler zuzugeben und schieben den Grund sehr häufig auf äußere Umstände oder kommen oft mit sehr wenig plausiblen Rechtfertigungen für ihre Fehleinschätzung an. Über dieses Thema haben wir auch schon in einem anderen Beitrag zur Behavioral Finance etwas ausführlicher gesprochen.

Auch wenn Sie kein Finanzexperte sind und ihre eigenen Fähigkeiten, Kursentwicklungen oder Ereignisse vorherzusagen vielleicht etwas realistischer einschätzen, bedeutet das nicht, dass Sie nicht ab und an der Kontroll-Illusion anheimfallen können. Gelegentlich überschätzen wir unsere Fähigkeiten zur Vorhersage oder die Möglichkeit zur Einflussnahmen immer wieder einmal.

Dass das sehr nachteilige Folgen haben kann zeigt unter anderem eine Studie zu dem Thema: In den Jahren 2003 und 2004 untersuchten die Amerikaner Fenton und O’Creevy mit ihrem Team die Kontroll-Illusion bei Investmentbankern. Eines der bemerkenswerten Ergebnisse der Studie war, dass alle Banker, bei denen man eine starke Kontroll-Illusion feststellen konnte, deutlich schlechtere Analysen ablieferten, ein nur sehr mangelhaftes Risikomanagement vorweisen konnten – und im Vergleich zu anderen Kollegen auch deutlich schlechter verdienten. Zudem zeigte sich häufig, dass die Banker mit starker Kontroll-Illusion Rückmeldungen häufig objektiv nicht richtig einschätzten oder häufig ignorierten, kaum dazulernten und objektiv gesehen deutlich risikobereiter waren als Kollegen ohne Kontroll-Illusion. Subjektiv empfanden sie ihr Handeln und ihre Vorgehensweise dabei aber häufig als sehr risikoarm, was eine glatte Fehleinschätzung darstellt.

Das kann einen schon nachdenklich machen. Von der Kontroll-Illusion sollte man sich also so weit wie möglich befreien, so man ihr denn ab und an anheimfällt. Es gibt Dinge, die können wir nicht vorhersagen oder einschätzen – damit müssen wir ganz einfach leben. Das sollten wir möglichst nie vergessen.

Der Umkehr-Effekt: ein Zufall darf kein Zufall sein

Genau der umgekehrte Effekt ist am Wirken, wenn wir in zufälligen Ereignissen glauben, eine Bedeutung zu erkennen. Auch dazu neigen Menschen häufig – es fällt uns, wohl aus unserer angeborenen Kontroll-Illusion heraus, sehr schwer, Zufälle zu akzeptieren. Wir versuchen Dingen immer wieder eine Bedeutung zuzuschreiben – selbst wenn sie keine haben.

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Ein kleines Experiment – betrachten Sie bitte nachfolgende Zeichenreihe:

OXXXOXXXOXXOOOXOOXXOO

Welches Muster enthält diese Zahlenreihe? Nach welchen Regeln werden X und O hier aneinander gereiht?

Wenn Sie ein Muster entdeckt haben – liegen Sie falsch. Es handelt sich um eine reine Zufallsanordnung. Der Anordnung der Zeichen X und O liegt kein Muster und keine Regel zugrunde. Dennoch versucht unser Gehirn immer noch verzweifelt, irgendein Muster zu erkennen oder eine Bedeutung herauszulesen. Wir können Zufall nur schwer akzeptieren – manchmal gar nicht, vor allem wenn wir dringend nach einer Bedeutung suchen.

Ein etwas weniger harmloses Beispiel ist das sogenannte Leukämiecluster Elbmarsch. Hier traten ab 1990 mehrere Fälle von Leukämie bei Kindern auf, die in zwei Orten nahe eines Kernkraftwerks und eines Forschungsreaktors an der Grenze zwischen Niedersachsen und Schleswig-Holstein lebten.

In den Jahren nach ab 1990 traten 19 Fälle von Leukämie bei Kindern auf – statistisch wären etwa 5 Fälle zu erwarten gewesen. Zwischen 1990 und 2004 wurden viele unterschiedliche Kommissionen einberufen, um die ungewöhnliche Häufung von Fällen zu untersuchen, immer wieder wurde die Möglichkeit der naheliegenden Kernkraftwerke als Ursache für die Häufung der Krankheitsfälle von Kindern ins Gespräch gebracht. Auch andere Risikofaktoren vor Ort wurden mehrmals gründlich untersucht. Fakt ist, dass es keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen den örtlichen Gegebenheiten und dem Auftreten von Leukämie bei Kindern gibt (so wie in insgesamt 58 anderen Leukämie-Clustern in Deutschland auch nicht, die teilweise in völlig unterschiedlichen Gebieten ohne Kernkraftwerke liegen).

Die Möglichkeit, dass es sich tatsächlich um zufällige Häufungen an bestimmten Orten handelt, ist aber von allen Beteiligten nur sehr schwer zu realisieren.

Das geht vielen, auch Experten, häufig bei Anlageentscheidungen genauso. Einzelnen Ereignissen, vor allem wenn sie mit einer wahrnehmbaren Häufigkeit auftreten, wird zwangsweise eine Bedeutung und eine gewisse Signifikanz zugeschrieben – selbst wenn es nach rationaler Analyse keine gibt.

Manche Dinge treten einfach zufällig auf, ohne eine Bedeutung zu haben. Wer ihnen eine Bedeutung zuschreibt, geht oft in die Irre. Man sollte sich zumindest gedanklich auch die Möglichkeit offen lassen, dass es sich einfach um bedeutungslose Ereignisse handeln könnte, wenn man eine Bedeutung oder eine Signifikanz für einen bestimmten Vorfall nicht klar erkennbar gibt. Auch wenn uns das oft schwerfällt, ist das für rationale Beurteilungen von Situationen oft wichtig.

Unser Fazit

Es gibt ganz einfach Zufälle – auch in der Finanzwelt und an der Börse. Hüten wir uns einfach vor Über-Interpretationen und einer Überschätzung unserer Vorhersagefähigkeiten für Unvorhersagbares. Das wird unseren Entscheidungen oft genug guttun.

Was Sie übrigens nicht dem Zufall überlassen sollten, sind die Kosten für Ihre Geldanlage. Machen Sie unseren kostenlosen und individuellen Brokervergleich und finden Sie heraus, wie viel Gebühren Sie tatsächlich zahlen müssen. Das können Sie nämlich sehr gut selbst bestimmen.

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