Trau schau wem: dass nicht immer jede Anlagemöglichkeit, die von der eigenen Hausbank wenigstens versucht wird zu verkaufen am Ende wirklich zu den Interessen eines privaten Kleinanlegers passt, haben viele schon nach und nach begriffen. Tatsächlich sind aber immer noch eine ganze Menge Zertifikate im Umlauf. Der Markt damit boomt und die Banken verkaufen sie immer noch überaus gerne. Wir haben diese Anlageform einmal ein wenig durchleuchtet und daraufhin geprüft, ob sie Kleinanleger-Interessen tatsächlich entgegenkommt.
Zertifikate sind ein riesiger Markt
Der Markt für Zertifikate ist riesig – in Deutschland ist er insgesamt 65 Milliarden schwer. Damit steckt in Zertifikaten heute immer noch viel mehr Geld als in anderen, börsenbezogenen Anlageformen: vor allem viel mehr Geld von Privatanlegern.
Der Grund dafür ist auch, dass Zertifikate überaus gerne von Banken und Sparkassen an Privatkunden verkauft werden. Die Kunden nehmen sie als Anlagemöglichkeit gerne an – kein Wunder, bleibt in der Niedrigzinsphase kaum etwas anderes übrig, als bei der Hausbank nach Alternativen zu fragen, mit dem alten Eckzinssparbuch wird heute ja niemand mehr glücklich. Was man da eigentlich kauft, ist dabei aber nur den wenigsten Kunden tatsächlich klar.
Hinter dem massiven Verkaufsvolumen in Deutschland stehen ganz besonders zwei Banken: die Deka als Fondsdienstleister der Sparkassen und die DZ-Bank, die vor allem die Volksbanken bedient. Diese beiden allein stellen bereits rund die Hälfte des Zertifikatsmarkts in Deutschland.
Kompliziert, teuer und risikobehaftet
Wie riskant Zertifikate sein können, wurde bereits im Zuge der Finanzkrise 2008 klar: dort standen nämlich plötzlich 40.000 deutsche Sparer mit völlig wertlosen Zertifikaten der Investmentbank Lehman in der Hand da, die kurz zuvor pleite gegangen war. Schadenssumme bei den deutschen Sparer insgesamt: 600 Millionen Euro.
Dass dieser Albtraum, dass die Anlage von der eigenen Hausbank über Nacht plötzlich nicht einmal mehr das Papier mehr wert ist, auf dem die Unterlagen gedruckt sind, wahr werden könnte, hat niemand geglaubt – und auch niemand erwähnt. Sonst hätten wohl nicht so viele alte Leute ihr Geld in solche Zertifikate gesteckt. Und dass die 70-jährige Oma von nebenan tatsächlich verstanden hat, wie diese Zertifikate genau funktionieren, dass es ein hohes Emittenten-Risiko gibt und dass Zertifikate in den meisten Fällen auch eine recht teure Anlageform sind, kann man als Argument wohl außer Acht lassen. Selbst Profis tun sich schwer, manche dieser Konstruktionen zu durchschauen und Risiken dabei profund abzuschätzen.
Natürlich hat man die geschockten Anleger dann irgendwann einmal entschädigt – aber: das wird nicht immer und in jedem Fall so sein, und Entschädigungen entschädigen eben nicht für viel zu teure Kosten und entgangene Gewinne. Immerhin hätte man mit dem eingezahlten Geld etwas besseres anfangen können und tatsächlich auch Gewinn machen können. Den gibt’s bei Entschädigungen nämlich nicht mit.
Wohlklingende Namen und ausführliche „Erklärungen“
Dass Zertifikate – auch Finanzderivate unter anderen klingenden Namen wie „bonitätsabhängige Schuldverschreibungen“ oder „Zins-Korridor-Papiere“ – ein Risiko bedeuten können, hat sich sogar ein wenig unter den Sparern herumgesprochen. Um die Verkaufszahlen dennoch hochzuhalten, wurden sie von der Finanzbranche in den letzten Jahren mit völlig harmlos klingenden Namen versehen – wie etwa „strukturierte Anleihen“. Dahinter vermutet nun wirklich kaum mehr jemand ein Risiko-Derivat. Anleihen sind doch immer „sicher“.
Ohne den Verkäufern der Banken zu nahe zu treten wollen, liegt die hohe Verbreitung von Zertifikaten wohl kaum daran, dass man den Kunden diese Art der Anlage „so gut erklärt“ hat, wie viele gerne behaupten. Auf das Risiko wird sicherlich, wie gesetzlich vorgesehen, in irgendeiner Form hingewiesen – aber wie das ganze funktioniert, begreift wohl am Ende dann doch kaum jemand zur Gänze. Und dass, wenn die ausgebende Bank pleite geht und ausnahmsweise einmal nicht vom Steuerzahler gerettet wird, das Geld auf Nimmerwiedersehen verschwunden ist, wohl auch nicht.
Zumal es bei Zertifikaten ganz unterschiedliche Risiken geben kann und die Konstruktionen völlig verschieden sein können. Man muss sich die Konstruktion immer im Detail ansehen, um abschätzen zu können, wie riskant ein Zertifikat in der Praxis tatsächlich ist.
Was den finanztechnisch eher weniger beschlagenen Kunden auch nicht gleich auf den ersten Blick klar werden dürfte ist, wie viel Banken tatsächlich mit dem Vertrieb solcher Anlageformen verdienen: zwar ist es im den Informationsblättern über die jeweilige Anlageform Pflicht, auch darauf hinzuweisen, was die jeweils verkaufende Stelle damit verdient – wenn Kunden aber aus Unwisssenheit nur wenig Vergleichsmöglichkeiten haben und zudem nicht die dahinter stehenden Vertriebsprovisionen genau hinterfragen, dürften sie kaum bemerken, dass es sich dabei um eine vergleichsweise eher teure Anlageform handelt.
Was sind überhaupt Zertifikate?
Wer bislang noch nicht in den Genuss eines Verkaufsgespräch bei seiner Hausbank kam und deshalb noch nicht zum Experten für Zertifikate geworden ist, der jetzt alles versteht und einleuchtend findet – hier ein kleiner Crashkurs in Sachen Zertifikate.
In der Finanzwelt sind Zertifikate Schuldverschreibungen, allerdings solche, die zusätzlich Derivate beinhalten – das heißt, sie leiten ihren Wert von einem Basiswert (dem sogenannten underlying) ab. Der Wert einer Schuldverschreibung ändert sich damit also mit dem zugrundeliegenden Basiswert – das kann ein Aktien- oder Anleihenwert sein, aber auch eine finanzielle Kennzahl (bestimmte Indices, Zinssätze oder auch Bonitätsratings) ebenso wie Rohstoffe, Devisen oder Edelmetalle. Im Finanzdeutsch gelten derivative Anlageformen als „strukturierte Finanzprodukte“ – daher der freundliche Name „strukturierte Anleihe“.
Meint man allerdings Anleihen im eigentlichen Sinn, wie man sie als festverzinsliche Anleihe (z. B. Staatsanleihe) mit garantierter Verzinsung kennt, muss man schon das Wort „festverzinsliche“ davorsetzen. Mit solchen Anleihen haben die „strukturierten Anleihen“ des Bankverkäufers rein gar nichts zu tun. Nett, nicht?
Ein Argument, dass beim Verkauf häufig gebracht wird ist, dass man mithilfe von Zertifikaten in Alageklassen investieren kann, die einem sonst als Privatanleger nicht zugänglich sind. Das ist so nicht von der Hand zu weisen, für bestimmte Assetklassen muss man ansonsten schon institutioneller Anleger sein. Aber nicht etwa, weil sie so risikoarm und gewinnträchtig wären – eher im Gegenteil. Leider ist das Klischee, dass die „Großen“ ihr Geld in „andere“ Anlageformen stecken und damit in kürzester Zeit ihr Vermögen massiv vermehren und keinerlei Risiko eingehen, ist leider immer noch stark in den Köpfen verbreitet. Es ist aber natürlich, um es einmal ganz klar zu sagen, völliger Quatsch. Es gibt nicht die „besseren“ Anlageformen für die Oberklasse und die Reichen. Wer reich ist kann sich nur unter Umständen mehr Verluste leisten (oder auch nicht, wenn man sich das Ergebnis der Wirtschaftskrise 2008 ansieht).
Um es einmal einfach zu formulieren, sind Zertifikate ein Refinanzierungsmittel für Banken. Durch die Ausgabe von bestimmten Zertifikaten erhält eine Bank Fremdkapital und refinanziert sich zunächst einmal selbst. Das sollte man zunächst einmal wissen.
Da ein Zertifikat von seiner grundlegenden Rechtsnatur her eine Schuldverschreibung ist, besteht natürlich ein sogenanntes Emittenten-Risiko: wenn der Ausgeber der Schuldverschreibung zahlungsunfähig ist, ist die Schuldverschreibung praktisch nichts mehr wert. Analog entspricht das dem (vergleichsweise sehr einfachen) Vorgang, wenn Sie Ihrem Nachbarn einen Kredit von 1.000 Euro geben. Geht Ihr Nachbar pleite und meldet Konkurs an, ohne noch irgendwelches verteilbares Vermögen zu besitzen, sehen Sie von Ihren 1.000 Euro nichts mehr wieder. So einfach ist das.
Wenn Sie ein solches Risiko vermeiden wollen (bei den Lehman Brothers dachte auch niemand, dass sie pleite gehen könnten), müssen Sie sich nach COSI-Zertifikaten umsehen: solche Zertifikate sind durch hinterlegte Pfandsicherheiten für den Fall der Fälle wenigstens einigermaßen besichert.
Das sagt uns jetzt aber alles noch nichts über Gewinn- und Verlustmöglichkeiten von Zertifikaten – und auch nichts über die Kosten.
Gewinn- und Verlustchancen bei Zertifikaten
Zunächst einmal muss man zwischen zwei verschiedenen Gruppen von Zertifikaten unterscheiden: den sogenannten Partizipations-Zertifikaten und den Zertifikaten mit vordefiniertem Rückzahlungsziel.
Letztere haben immer einen Fälligkeitstermin, das heißt, sie laufen zu einem bestimmten Zeitpunkt ab. Zu diesem Fälligkeitstermin hat das Zertifikat dann einen Wert, der bestimmten zuvor festgelegten Bedingungen entspricht (beispielsweise auch in Bezug auf den underlying). Wer sich nicht hervorragend auf dem Finanzmarkt auskennt und auch über ein paar wahrsagerische Fertigkeiten verfügt, wird in der Praxis wohl kaum in der Lage sein vorherzusehen, wie ungefähr die maßgeblichen Bedingungen zum Fälligkeitszeitpunkt aussehen werden. Schlicht und einfach – niemand weiß das immer genau und mit letztgültiger Sicherheit.
Zu dieser Art von „ablaufenden“ Zertifikaten mit einer bestimmten Fälligkeit gehören beispielsweise Discount-Zertifikate, Bonus-Zertifikate, Outperformance-Zertifikate, Optionsscheine und sogenannte Aktienanleihen.
Die andere Gruppe von Zertifikaten, die Partizipations-Zertifikate haben keinen Fälligkeitstermin, der Wert des Zertifikats folgt dem Wert des zugrunde liegenden Underlying – manchmal auch indirekt. Solche Zertifikate werden fast immer nur außerbörslich gehandelt, lediglich an der EUWAX (Stuttgart), der Börse Frankfurt sowie in Berlin und Düsseldorf werden sie auch börslich gehandelt.
Zu dieser Gruppe gehören – neben vielen anderen – auch sogenannte Tracker-Zertifikate, Korb-Zertifikate, Mini-Futures oder Hebel-Zertifikate.
Ist der underlying ein Index (z. B. der DAX), eröffnet ein Partizipations-Zertifikat durchaus die Möglichkeit, in den Basiswert zu investieren (ähnlich wie bei einem DAX-ETF).
Der Unterschied zum ETF liegt in zwei Punkten: beim DAX-Zertifikat besteht immer noch ein Emittenten-Risiko (möglicher Totalverlust) und die Emittenten müssen (anders als bei einem Indexfonds) ihre Kosten nicht offenlegen – weder voraussichtlich anfallende noch tatsächlich angefallene.. In der Praxis sind Index-Zertifikate oft sogar noch kostengünstiger als die ohnehin schon günstigen ETFs – das muss aber nicht immer zwingend so sein und als Anleger, der letztendlich die Kosten für das Zertifikat trägt, erschließt sich die Höhe der anfallenden Kosten meist nicht unmittelbar – auch nicht wer was daran verdient.
Im Hinblick auf diese Tatsachen – dem Emittenten-Risiko und den zunächst unklaren und unübersichtlichen Kostenpositionen – ist der klassische ETF damit sicherlich die bessere Alternative für die meisten Privatanleger – zumal man ETF-Sparpläne bei manchen Brokern sogar gebührenfrei zeichnen kann (machen Sie unseren kostenlosen und individuellen Broker-Vergleich im Broker-Rechner).
Das alles wurde Ihnen aber sicherlich bei Ihrem Verkaufsgespräch auf der Bank bestimmt noch viel ausführlicher erklärt. Das wissen Sie alles natürlich längst.
Unser Fazit
Zertifikate sind wahrscheinlich für die wenigsten Privatanleger tatsächlich eine empfehlenswerte Anlagemöglichkeit, zumal für größere Anteile des eigenen Vermögens. Wir halten es mehr mit dem Grundsatz von Warren Buffett „investiere nur in Dinge, die du auch tatsächlich verstehst“. Da Sie nun grundlegend wissen, wie Zertifikate funktionieren, bezweifeln wir allerdings dennoch, dass Ihre Begeisterung dafür stark gestiegen ist.
Es ist höchstwahrscheinlich besser, sich ein wenig Wissen über die Finanzmärkte und Anlagemöglichkeiten zu erwerben (beispielsweise auf unserer Seite) und dann lieber selbst zu entscheiden, worin man investiert, anstatt auf Beratungen blind zu vertrauen. Vermutlich ist das der besere Weg.
Anlagen von der Bank: Zertifikate für Kleinanleger?,Anzeige