Wie wir in unseren Artikel “Warum sind die Zinsen so niedrig?“ bereits berichtet haben, ist das allgemeine Zinsniveau (und damit Spar- und Kreditzinsen) vor allem wegen der Wirtschaft- und Finanzkrise seit 2007 auf einem historisch niedrigen Stand.
Mittels niedrigen Leitzinsen sollen Banken dazu bewegt werden, günstige Kredite – sowohl an Unternehmen als auch an Private – zu vergeben. Wieso? Mit diesem billigen Geld können/sollen Unternehmen mehr investieren und Private mehr konsumieren. Beides belebt die Wirtschaft (Wirtschafswachstum) und dieser Vorgang soll wiederum zu höheren Steuereinnahmen, gesünderen Staatsfinanzen und last but not least zu geringerer Arbeitslosigkeit führen. Also eigentlich alles durchwegs positive Resultate, oder?
Leitzinsen im Überblick
An dieser Situation wird sich auch in nächster Zeit nicht viel ändern.
Die FED (eig. das FED – Federal Reserve System – genannt) ist die Zentralbank der USA und belässt seit 2009 den Leitzinssatz zwischen 0 % und 0,25 %.
Die Bank of England (BoE) hat den Leitzins ebenfalls seit 2009 bei 0,5 % belassen und hat auch nicht vor, diesen in naher Zukunft anzuheben.
Die Europäische Zentralbank (EZB) wiederum hat 2009 den Leitzinssatz auf 1 % gesenkt, und ihn in einer kurzen Erholungsphase wieder schrittweise auf 1,5 % angehoben. Im Zuge der Eurokrise hat die EZB den Leitzins wieder drastisch gesenkt. Seit 2012 befindet sich dieser auf einem noch nie dagewesenen Niveau von 0,75 %.
Wie auf focus.de zu lesen ist, wurde in der letzten Sitzung des EZB Rates, wie erwartet, der Leitzinssatz auf 0,75 % belassen. Wir müssen uns also mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen längeren Zeitraum mit niedrigen Zinsen einstellen.
Derzeit wird also mehr oder weniger überall auf der Welt eine Niedrigzinspolitik bzw. (ultra)-lockere Geldpolitik betrieben.
Was bedeuten niedrige Zinsen für Kleinanleger?
Niedrige Zinsen können für Kleinanleger sowohl Vorteile- als auch Nachteile mit sich bringen.
Nachteile
Zurzeit bekommt der Kleinanleger sehr wenig Zinsen auf sein Tagesgeld- bzw. Festgeld. Auch vermeintlich sichere Anleihen werfen zurzeit einen geringeren Zins als die Inflation ab. Dieser Umstand führt zur sog. Financial Repression. Das Vermögen der Sparer verliert an (realen) Wert, anstatt sich durch Zinsen zu vermehren.
Vorteile
Für Schuldner gibt es kaum bessere Zeiten! Noch nie war es so günstig (und bis vor kurzem auch einfach), sich zu verschulden. Diese lockere Kreditvergabe hat aber so betrachtet erst in den USA (und auch in Spanien und anderen Ländern) zu einem Immobilien-Boom geführt, der dann in späterer Folge wiederrum erst die Finanzkrise „ermöglicht“ hat – Experten würden natürlich hierrüber ewig streiten können.
Aber zurück zu den extrem guten Zeiten für Schuldner: Ein Bekannter von uns zahlt aktuell für die Sanierung seines Hauses sagenhafte 1,75 % (3-Monats-Euribor + 1,5 %) p.a. Natürlich hängt dieser niedrige Zinssatz nicht nur vom Zinsniveau, sondern auch von der Bonität des Schuldners ab.
Allerdings kann der 3-Monats-Euribor natürlich auch steigen. So befand er sich kurz vor Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 bei knapp 5 %. Deshalb ist es für alle, die zurzeit die günstigen Zinsen nutzen wollen, sicherlich ratsam, fixe und keine variablen Zinsen zu vereinbaren.
Es fehlt zwar durch die Zinsbindung aktuell einer Mehrbelastung an, allerdings kann sich in der Zukunft hieraus ein enormes Sparpotential ergeben. Zweifelsfrei schläft man so auch vor und nach jeder EZB-Zinssitzung besser 😉
Forward Darlehen
Eine weitere Möglichkeit die niedrigen Zinsen zu nutzen sind sog. Forward-Darlehen.
Bei einem Forward-Darlehen schließen Sie z.B. heute einen Vertrag darüber ab, dass Sie in 2 Jahren einen Kredit der Summe X zu 2 % p.a. Zinsen aufnehmen können.
So können Sie sich das aktuelle Zinsniveau sichern.
Steigen in den 2 Jahren bis zur Kreditauszahlung die Zinsen, haben Sie ein Geschäft gemacht – sinken die Zinsen, müssen Sie den Kredit trotzdem aufnehmen und haben gegenüber dem Marktzins natürlich einen Nachteil.
Zurzeit sind die Zinsen allerdings historisch niedrig. Recht viel weiter können die Leitzinsen nicht mehr fallen, steigen werden sie hingegen irgendwann einmal mit Sicherheit. Außerdem werden Kredite in der Regel (bzw. hoffentlich) zur Finanzierung von langfristigen Investitionen (Unternehmen, Immobilien, Ausbildung) abgeschlossen.
Forward-Darlehen werden in der Regel gerne für Immobilien-Anschlussfinanzierungen verwendet. Wer sich für Forward-Darlehen interessiert, kann hier einen Überblick der aktuellen Angebote einholen.
Fazit für den Kleinanleger
Tagesgeldkonten bringen zurzeit wenig. Kreditzinsen sind allerdings zurzeit extrem niedrig. Hat man also sowieso vor in der nächsten Zeit einen Kredit aufzunehmen, ist es sicherlich ratsam die Zinsen zu binden, oder mittels Forward-Darlehen den Zinssatz für bis zu 5 Jahre im Voraus zu sichern.
Aber gerade die niedrigen Zinsen und damit einhergehende höhere Nachfrage nach Immobilien, haben eben diese in letzter Zeit die Immobilienpreise explodieren lassen. Vorsicht ist also allemal geboten. Weiters sollte man mit Sicherheit keinen Kredit aufnehmen, nur weil gerade die Zinsen niedrig sind. Dies allein ist kein Grund sich zu verschulden.
Niedrige Zinsen - Vor- und Nachteile für Kleinanlger,