Auch wenn medial nicht mehr so stark beachtet, ist dieses Thema nach wie vor aktuell: Die potentielle Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTS) in elf europäischen Ländern.
Wir haben den Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission (Stand Februar 2013) genauer unter die Lupe genommen, da uns die Berichterstattung in einschlägigen Medien zu stark polarisiert.
Frage Nr. 1: Was ist die europäische Finanztransaktionssteuer?
Die FTS ist eine Steuer auf Finanztransaktionen. Ziel ist es, den Finanzsektor „angemessen“ an den Kosten der Finanzkrise zu beteiligen und überbordenden Spekulation bzw. Hochfrequenzhandel einzudämmen.
Frage Nr. 2: Ab wann gilt die Finanztransaktionssteuer?
Es gibt noch kein offizielles Datum allerdings munkelt man, dass es bereits mit 01.01.2014 soweit sein könnte. Dies erscheint als kurzer Zeitraum, allerdings laufen die Vorbereitungen auch schon sehr lange. Und da es sicherlich um eine Menge Geld geht und die europäischen Staatshaushalte ja nicht gerade in Geld schwimmen – zu mindestens nicht in eigenem Geld – könnte dieser Zeitplan durchaus realistisch sein.
Frage Nr. 3: Wie hoch ist die Finanztransaktionssteuer?
Es gibt zwei Steuersätze:
- 0,1 % auf den Handel (Kauf/Verkauf) von „Nicht mit Derivatkontrakten im Zusammenhang stehenden Finanztransaktionen“ – also den „Nicht-Derivaten“, wie z.B.: eine Aktie.
Bemessungsgrundlage ist der Marktwert, auch wenn nicht zum Marktwert verkauft. - 0,01 % auf den Handel (Kauf/Verkauf) von Derivaten. Bemessungsgrundlag ist der Nominalwert.
Dass bei Derivaten der Nominalwert (und nicht der Marktwert) ausschlaggebend ist, beweist folgendes Beispiel: Ein Investor an der Börse handelt mit Kreditausfallversicherungen (CDS). Ein CDS sichert einen Kredit in der Höhe von 10 Mio. Euro ab und kostet – je nach Bonität – zwischen 10.000 und 100.000 Euro (geschätzte Zahlen).
Auf diesen Deal werden 0,01 % der 10. Mio. fällig – also 1.000 Euro und nicht (Annahme: Kaufpreis 20.000) 2 Euro.
Frage Nr. 4: Wo gilt die Finanztransaktionssteuer?
Die FTS wird als Gesetz in elf Mitgliedsstaaten eingeführt: Belgien, Deutschland, Estland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Österreich, Portugal, Slowenien und in der Slowakei.
Frage Nr. 5: Welche Arten von Finanztransaktionen werden besteuert?
Grundsätzlich fällt die Großzahl der denkbaren (und undenkbaren) Finanztransaktion unter den Geltungsbereich der FTS. Explizit ausgenommen sind z.B.: folgende Deals:
- Abschluss von Versicherungsverträgen
- Hypothekendarlehen
- Verbraucherkredite, Unternehmerkredite
- Zahlungsdienste (unserer Meinung somit auch keine Online-Zahlungsdienste, wie z.B.: PayPal oder sofortüberweisung.de)
- Währungstransaktionen am Kassamarkt
- physische Warentransaktionen (z.B.: Gold)
Alle anderen Transaktionen sind generell steuerpflichtig, wie etwa der Kauf/Verkauf von Aktien, Anleihen, Optionen, Futures, Swaps, anderen Derivaten, Zertifikate und was sonst noch so schönes in der Trickkiste schlummert, wie etwa Wetter-Derivate (kein Scherz!).
Frage Nr. 6: Für wen gilt die Finanztransaktionssteuer?
Prinzipiell nur für Finanzinstitute! Dieses „kleine“ Detail am Rande ist uns in der medialen Berichterstattung leider nicht ganz klar geworden, was aber zu einem viel besseren Verständnis der FTS führt.
Merksatz: Die FTS fällt auf alle Finanztransaktionen (siehe Frage Nr. 4) an, wenn mindestens eine beteiligte Partei im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates ansässig ist und ein in einem beteiligten Mitgliedsstaat ansässiges Finanzinstitut Transaktionspartei ist.
Wenn also zwei Unternehmen, die nicht unter die Definition „Finanzinstitut“ fallen, einen Finanzdeal abschließen, so fällt hier keine FTS an. Selbst wenn Sie mit Ihrem Nachbar einen Swap-Deal über ein Nominale von 5 Fantastrilliarden abschließen, gibt es keine FTS.
Ansässigkeit: Ein Nicht-Finanzinstitut ist ansässig, wenn es entweder seinen Wohnsitz (natürliche Person) oder seinen Sitz (juristische Person – GmbH & AG) in einem der elf Länder hat.
Die Ansässigkeit eines Finanzinstituts ist ziemlich weit gefasst, um Steuervermeidung zu umgehen. Es ist ansässig, wenn es entweder seinen Sitz in einem Mitgliedsstaat hat, dort eine Bankenlizenz hat, dort eine Zweigstelle hat (aber nur für die einzelne Transaktion relevant) oder mit einem Finanzinstrument handelt, das in einem der elf Länder begeben worden ist (Ausgabeprinzip).
Vor allem der letzte Teil des Satzes macht so gut wie jede Bank irgendwie ansässig – vor allem in Deutschland (Börsenplatz London). Also wenn JP Morgan mit Goldman Sachs deutsche Bundesanleihen handelt fällt die FTS an, selbst wenn nicht einmal eine der beiden Banken seinen Hauptsitz oder eine Bankenlizenz in Deutschland hätte.
Vor der „räumlichen“ Ansässigkeit kann man sich sicher irgendwie drücken – vorm Ausgabeprinzip nicht.
Frage 6b: Wie kann die Deutsche Bank der Steuerpflicht entgehen?
Hoffentlich liest das ein Top-Tier der Deutschen Bank und lässt uns hierfür Millionen an Consulting-Gebühren zukommen 😉
- Hauptsitz nach London verlagern – das ist ja noch nicht so schwer.
- Bankenlizenz in Deutschland aufgeben – das tut schon weh, keine Deals mehr mit deutschen Kunden und Unternehmen
- Handel mit in Deutschland begebenen Wertpapieren einstellen – das ist jetzt der Todesstoß: Kein Eigenhandel mehr mit DAX-Werten, dem DAX selbst oder irgendeinem anderen, jemals in Deutschland begebenen Finanzprodukt. Auch nicht wenn er in London, New York oder am Nordpol stattfindet.
- Es kommt noch schlimmer: Die Schritte 2 bis 4 muss die Deutsche Bank nun auch noch in den anderen 10 Ländern durchführen. Die Deutsche Bank ist ein Global Player, die hat in fast jedem Land ihre Finger im Spiel – Österreich mal ausgenommen, wir sind einfach zu klein 😉
Dass also die Deutsche Bank auf diese Art und Weise der Steuerpflicht entgehen wird, scheint unwahrscheinlich. Aber hey – uns bezahlt man keine 8.000 Dollar pro Stunde, damit wir uns darüber den Kopf zerbrechen. Sie können sich aber sicher sein, dass weltweit genügend Anwälte an einer Lösung für die Deutsche Bank arbeiten.
Natürlich gilt dieser Absatz auch für andere Banken – wir wollen da die DB nicht zu sehr ins Kreuzfeuer nehmen.
Fazit für den Kleinanleger
Als Kleinanleger und Privatinvestor können Sie ruhig schlafen. Sie spüren die FTS nur marginal, im Ausmaß von 0,1 % auf Ihre Orders.
Wenn Sie also das nächste Mal eine Aktienorder im Wert von 2.000 Euro über XETRA „schießen“, werden Sie mit 2 Euro belastet. Kleinanleger müssen sich daher beim Wertpapierkauf keine Sorgen über die FTS machen, viel mehr Einsparungspotential bieten hier die Orderspesen. Wer statt der Hausbank auf einen Online-Borker, wie wir ihn hier vorgestellt haben, setzt, der kann weiter mehr sparen, als ihn die FTS je kosten wird 🙂
Und wenn Sie das nächste Mal eine Zins-Future auf den 12-Monats-EURIBOR in Kombination mit einem CDO² besichert mit Subprime-Krediten aus Detroit abschließen? Dann sollten Sie sich nicht wegen der evtl. anfallenden FTS sorgen 😉